Politik

Arbeitsmarktreform gescheitert: Italienische Firmen verhängen Einstellungs-Stopp

Lesezeit: 2 min
24.04.2012 23:48
Das Scheitern der Arbeitsmarktreform in Italien führt dazu, dass die Unternehmen angesichts der Krise keine neuen Mitarbeiter mehr anstellen. Wegen des umfassenden Kündigungsschutzes sind Neuanstellungen für viele kleine Unternehmen ein zu großes Risiko.
Arbeitsmarktreform gescheitert: Italienische Firmen verhängen Einstellungs-Stopp

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Noch vor wenigen Wochen hatte Italiens Premier Mario Monti die Krise für beendet erklärt (hier). Allerdings stellte sich kurz danach heraus, dass er mit seiner Arbeitsmarktreform scheitern wird. Dieses Scheitern hat für die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen gerade in der Krise weitreichende Folgen. Deutlich mehr italienische Unternehmen sind in der vergangenen Zeit pleitegegangen (hier) und die Arbeitslosigkeit nimmt ebenfalls stetig zu.

Herzstück der geltenden italienischen Arbeitsgesetzgebung ist der Artikel 18. Unternehmen dürfen Mitarbeiter nur aus wirtschaftlichen Gründen entlassen. Aufgrund von Inkompetenz, schlechter Leistung oder, wenn ein grob fahrlässiges Verschulden vorliegt, dürfen dagegen keine Kündigungen ausgesprochen werden. Falls die Unternehmen dies dennoch tun und vor ein Arbeitsgericht gebracht werden, muss die Firma den Gekündigten wieder einstellen und den entgangenen Lohn auszahlen. Bei Unternehmen mit weniger als 15 Beschäftigten, kann die Firma zwischen einer Wiedereinstellung oder für die Zahlung einer 14-monatigen Abfindung wählen.

Darüber hinaus schützt Artikel 18 indirekt die älteren Arbeitnehmer, die bereits in einem geschützten Arbeitsverhältnis stehen, vor einem direkten Wettbewerb mit jüngeren Menschen. Letztere haben aufgrund des Artikels 18 kaum eine Möglichkeit, in ein geschütztes Arbeitsverhältnis zu gelangen. Aus Angst, sich an Mitarbeiter zu binden, vergeben die meisten Unternehmen gar keine unbefristeten, regulären Arbeitsverträge mehr. 17 Prozent der Erwerbstätigen unter 35 Jahren, mehr als in jeder anderen Altersgruppe, arbeiten unter kurzfristigen, sie nicht schützenden Verträgen. Die Arbeitslosenquote in der Altersgruppe liegt bei über 30 Prozent. Zudem müssten italienische Unternehmen mit der neuen Arbeitsmarktreform bei der Anstellung von jüngeren Menschen auch bei befristeten Verträgen höhere Sozial- und Rentenbeitrage zahlen.

Die Folge dieser Gesetzgebung: Sobald eine Krise am Horizont auftaucht, verhängen die meisten Unternehmen einen Einstellungsstopp. Innerhalb der EU macht Italien mit Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Angestellten und Kleinunternehmen den höchsten Anteil in der Privatwirtschaft aus. Und auf den für sie positiven Ausgang einer Klage vor dem Arbeitsgericht, wenn es zu einer Entlassung gekommen ist, können sich die Unternehmen nicht verlassen. Die Gerichte tendieren dazu, dem Arbeitnehmer Recht zu geben. Jeder Prozentpunkt beim Anstieg der regionalen Arbeitslosigkeit, so Andrea Ichino vom Zentrum für europäische Politikstudien, reduziere die Chance eines Arbeitgebers dieser Region, vor Gericht zu gewinnen.

Der Autohersteller Fiat hat daraus bereits weitreichende Konsequenzen gezogen. Die Produktion wurde nach Polen verlegt und Fiat droht, weitere Teile des Unternehmens nach Osteuropa oder Nordamerika zu verlagern. „Die Regeln, die gedacht waren, Arbeitsplätze zu sichern, haben uns in eine Situation geführt, in der es das härteste ist, Arbeitsplätze überhaupt zu schaffen“, sagt Sergio Marchionne, Vorstandsvorsitzender von Fiat.

So nützt die weichgespülte Arbeitsmarktreform von Mario Monti nicht den italienischen Unternehmern und Arbeitssuchenden, sondern sie besänftigt die Gewerkschaften und auf ihre Interessen bedachten Politiker. Angesichts dieser Bilanz ist es nicht völlig überraschend, dass die Finanzmärkte das Vertrauen in die italienische Wirtschaft verloren haben. Bei einer Auktion zweijähriger Anleihen am Dienstag erreichte die Rendite ihr höchstes Level seit Januar. Aber auch bei Bonds mit einer Laufzeit bis September 2019 stieg der Zinssatz von 3,06 Prozent im März auf 4,32 Prozent.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Technologie
Technologie Turbulenzen bei Tesla: Stellenabbau und düstere Prognosen für 2024
19.04.2024

Nach einem Stellenabbau bei Tesla prognostizieren Experten ein „Durchhänger-Jahr“ für Elektromobilität 2024, während Tesla auf...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Exporte in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...