Finanzen

Vergleich mit Lettland: Griechenland wirft EU und IWF Doppelzüngigkeit vor

Lesezeit: 2 min
11.06.2012 23:59
Während die Troika in Griechenland vor allem auf Steuererhöhungen setzte, entschied sich der IWF im Falle Lettlands für Ausgabenkürzungen. Nun lobt der IWF Lettland und kritisiert die Griechen. Diese sind empört und sagen, man hätte ja nur das getan, was der IWF verlangt habe.
Vergleich mit Lettland: Griechenland wirft EU und IWF Doppelzüngigkeit vor

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Griechenland ist und bleibt der schwarze Peter in der EU. Sicher hat die griechische Regierung bisher stark mit der Umsetzung notwendiger Reformen gezögert und nichts dagegen unternommen, dass das Land jahrelang über seine Verhältnisse gelebt hat, aber die Troika hat auch einen gewissen Anteil an der Misere.

Vergangene Woche lobte IWF-Chefin Christine Lagarde die finanzpolitischen Anstrengungen der lettischen Regierung. Mit „gemeinsamer Entschlossenheit und Belastbarkeit“ hätten die Letten ihre wirtschaftlichen Probleme gelöst, so Christine Lagarde. Das Land habe wichtige Entscheidungen getroffen und den Haushalt mit einer Mischung aus Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen saniert. „Anstatt den Schmerz auf mehrere Jahre auszudehnen, habt ihr euch entschieden, es rigoros und schnell zu machen“.

Mittlerweile wird Lettland von hohen Beamten des IWF und der EU für strauchelnde Länder in der Peripherie der Eurozone als Paradebeispiel für einen erfolgreichen Kampf gegen die Schulden und die Rezession herangezogen – besonders mit Blick auf die Fokussierung der Ausgabenkürzungen. Gleich nach der Gewährung einer finanziellen Unterstützung setzte man in Lettland beispielsweise darauf, 30 Prozent der Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen  und die Löhne der verbleibenden Beamten zu reduzieren. Im Falle Griechenlands setzte man darauf erst im vergangenen Jahr.

Dabei wird jedoch vergessen, dass die gleichen Beamten, die den Fokus auf Ausgabenkürzungen und die nur leichte Erhöhung der Steuern Lettlands loben, diejenigen sind, die im Falle Griechenland neben den Reformen vor allem auf Steuererhöhungen bei der Reduzierung des Defizits gesetzt haben und eben nicht bzw. erst zu spät auf Ausgabenkürzungen.. Die Steuereinnahmen des griechischen Staates stiegen nach diversen großen Steuererhöhungen und gänzlich neuen Steuern von 38,2 Prozent des BIP im Jahr 2009 auf 41 Prozent im vergangenen Jahr und in diesem Jahr werden sie vermutlich auf 42,4 Prozent steigen. Auf der anderen Seite haben sich zwar die Gesamtausgaben von 53,8 Prozent des BIP bei rund 50 Prozent eingepegelt und liegen nun deutlich höher als noch zwischen 2001 und 2008 – damals betrugen sie zwischen 45 und 46 Prozent.

In Lettland hingegen sank die Zahl des gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits von 44,5 Prozent im Jahr 2009 auf 39 Prozent vergangenes Jahr und in diesem Jahr wird es vermutlich auf bis zu 38 Prozent sinken. Wohingegen die Steuern zunächst kaum erhöht wurden und die Steuereinnahmen entsprechend von 34,5 Prozent (2009) auf nur 35,6 Prozent im vergangen Jahr stiegen. Das trug dazu bei, dass sich die lettische Wirtschaft nach und nach erholen konnte.

Die hohen und neuen Steuern in Griechenland haben der griechischen Wirtschaft, die sowieso unter fehlender Wettbewerbsfähigkeit leidet, stark getroffen und sie noch stärker in die Rezession geworfen. Zahlungen an Lieferanten wurden verzögert, die Rückerstattung von Unternehmenssteuern beispielsweise wurde zudem massiv von der griechischen Regierung zurückgehalten, so dass viele Unternehmen aufgrund der Zahlungsunwilligkeit des Staates ihre eignen Lieferanten und die neuen Steuern nicht zahlen konnten.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Festnahmen in Bayern: mutmaßliche Agenten mit Russlandverbindungen
18.04.2024

Die zwei Männer sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel bedroht Mittelstand mehr als teure Energie
18.04.2024

Ein Mangel an geeignetem Personal ist für viele Firmen in Deutschland Alltag. Im Mittelstand ist der Fachkräftemangel laut einer neuen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mercedes trotzt dem Trend: Jetzt soll sogar ein Maybach-Van die Besserverdiener locken
18.04.2024

Das Interesse an Elektro-Fahrzeugen in Deutschland ist verhalten. Während VW und Tesla das bei den Zulassungszahlen bemerken, nutzen die...

DWN
Politik
Politik Warum Kürzungen in der Flüchtlingspolitik nicht hilfreich sind
18.04.2024

Immer mehr Politiker und Wirtschaftsexperten fordern eine Neuanpassung der Asylpolitik. Aktuell finden kontroverse Maßnahmen wie...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Israel-Konflikt: Führt das Krisentreffen in Israel mit Baerbock und Cameron zur Deeskalation?
17.04.2024

Bei Gesprächen mit israelischen Politikern bemühen sich Annalena Baerbock und David Cameron, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den...

DWN
Politik
Politik Günstlingswirtschaft und Gefälligkeiten: Stephan Weil in Niedersachsen am Pranger
17.04.2024

In Berlin steht Kai Wegner (CDU) unter Verdacht, seine Geliebte mit einem Senatorenposten bedacht zu haben. Ursula von der Leyen (CDU)...

DWN
Technologie
Technologie Fluch oder Segen? – Was man aus Müll alles machen kann
17.04.2024

Die Welt ist voller Müll. In den Ländern des globalen Südens gibt es teilweise so viel davon, dass Menschen auf Abfallbergen ihr Dasein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen
17.04.2024

Deutsche Unternehmen klagen aktuell viel über die Umstände – und die Unternehmensinsolvenzen sind auch auf Rekordniveau. Ein Grund...