Politik

Analyse: Schweiz muss bei Euro-Crash mit massiven Folgen rechnen

Lesezeit: 2 min
15.07.2012 01:38
Der Schweizer Think Tank BAK aus Basel erwartet selbst im günstigsten Fall gravierende wirtschaftliche Folgen für die Schweiz, sollte die Euro-Zone auseinanderbrechen. Wenn dagegen nur Griechenland austritt, sehen die Analysten kaum Gefahren für die Schweiz
Analyse: Schweiz muss bei Euro-Crash mit massiven Folgen rechnen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Selbst bei recht günstigen Annahmen bezüglich der potenziellen Rückwirkungen auf das Finanzsystem wären die negativen wirtschaftlichen Effekte eines Euro-Crashs massiv. Zwar ist ein alleiniger Austritt Griechenlands für die Schweiz relativ gut verkraftbar, die davon ausgehende Ansteckungsgefahr auf andere Euro-Staaten oder das globale Finanzsystem bringen aber ein erhebliches zusätzliches Risiko mit sich.

In der Schweiz würde ein Zerfallen der Euro-Zone zu empfindlichen Wachstumseinbußen führen. Zu diesem Ergebnis kommt der Schweizer Think Tank BAK Basel. BAK hat die Möglichkeiten einmal relativ nüchtern analysiert. Allerdings gehen die Schweizer von einer relativ geringen Beschädigung des globalen Handels im Crash-Fall aus – eine Annahme, die umstritten ist, weil unklar ist, ob die Wellen von Verunsicherung und Panik nicht doch deutlich höher schlagen würden, wenn der Euro wirklich zerbricht.

Die BAK-Modellrechnungen ergeben, dass die Veränderungsrate des Schweizer Bruttoinlandsprodukts in den ersten beiden Jahren nach Ausbruch der Krise um jeweils etwa 4 Prozentpunkte unter dem Szenario ohne Euro-Crash liegen würde. Der Wirtschaftseinbruch würde sich zunächst im Außenhandel niederschlagen. Vor allem die Nachfrage aus den fünf möglicherweise austretenden Krisenländern (Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Irland) bräche massiv ein. Deren Anteil an den Schweizer Exporten liegt zusammen bei knapp 14 Prozent. Angesichts der Rezession im gesamten Euro-Raum werde auch die Nachfrage von weitaus gewichtigeren Handelspartnern wie Deutschland zunächst spürbar zurückgehen.

Eine gewisse stabilisierende Wirkung geht nach Einschätzung der BAK-Analysten davon aus, dass im als realistisch angenommenen Szenario vor allem eine Krise der Eurozone und kein Zusammenbruch der globalen Handelsketten wie im Jahr 2009 unterstellt wird. Insgesamt resultiert für die Schweiz in den ersten beiden Jahren des „Euro-Break-Up“ gegenüber dem Basisszenario ein kumulierter Exportrückgang von über 10 Prozentpunkten. Hinsichtlich des Wechselkurses wird wiederum unterstellt, dass die SNB den Mindestkurs von 1.20 Franken zum Euro verteidigen kann, auch wenn dafür erhebliche Interventionen nötig sein dürften.

Nach dem schweren Wirtschaftsschock würden sich die Perspektiven für die Schweizer Wirtschaft im dritten und vierten Jahr nach Ausbruch der Krise zusammen mit der erwartenden Erholung in Europa wieder aufhellen. Trotz dieses dynamischeren Verlaufs liegt das Niveau der gesamtwirtschaftlichen Leistung im Jahr 4 nach dem Crash, aber immer noch um rund 4 Prozent unterhalb des Szenarios ohne Crash. Die gesellschaftliche Dimension dieses unzureichenden Aufholprozesses wird an der zum Ende des Simulationszeitraums immer noch um rund 2 Prozentpunkte höheren Arbeitslosenquote deutlich.

Bei den Auswirkungen eines Austritts von Griechenland bei gleichzeitigem Weiterbestehen der Euro-Zone in ihrer bisherigen Form unterscheidet die BAK-Analyse zwischen direkten und indirekten Effekten auf die Schweiz. Bei den direkten Kosten eines griechischen Zahlungsausfalls ist von einem überschaubaren Rahmen auszugehen. Die Schweizer Exportbranchen sind von der griechischen Entwicklung direkt nur geringfügig tangiert, da der Anteil Griechenlands an den Gesamtausfuhren der Schweiz mit gegenwärtig rund 0.6 Prozent eine klar untergeordnete Rolle spielt.

Gewichtiger sind hingegen die indirekten Folgen und Zweitrundeneffekte eines Griechen-Austritts. An erster Stelle ist hier die Verschlechterung der Auftragslage zu nennen, da die zu erwartende Wachstumsdelle in der Eurozone natürlich auch die Nachfrage nach Schweizer Gütern bremst. Zudem wird sich die temporär ansteigende Unsicherheit auch in einem sinkenden Verbrauchervertrauen und einer abnehmenden Investitionsbereitschaft der Unternehmen niederschlagen.

Hinsichtlich des CHF/EUR-Kurses kommt es nach BAK-Einschätztung zunächst zu einer Verstärkung des Aufwertungsdrucks, weshalb die SNB zu vermehrten Währungsinterventionen gezwungen sein werde. Die Analysten rechnen jedoch damit, dass die Schweizer Nationalbank weiterhin die Untergrenze von 1.20 CHF/EUR erfolgreich verteidigen kann. Unter der Voraussetzung, dass ein Kollaps des internationalen Finanzsystems ausbleibt, erwartet BAK Basel sogar eine Abwertung des Franken gegenüber einem Euro ohne Drachme.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...