Politik

Scharia konkret: Rasanter Anstieg von Amputationen in Mali

Lesezeit: 2 min
28.12.2012 23:49
In dem von Islamisten besetzten Norden Malis ist die Bevölkerung immer mehr von den willkürlich handelnden Machthabern bedroht. Gerichtsgebäude werden verkauft. Sattdessen vollstrecken die Islamisten grausame Urteile, die zeigen, was die Scharia wirklich bedeutet.
Scharia konkret: Rasanter Anstieg von Amputationen in Mali

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Die New York Times bringt einen schockierenden Bericht und beschreibt, wie die Scharia konkret aussieht. Sie berichtet von einem Mann, der Gewehre gestohlen hatte und nun nach islamischen Recht bestraft wurde: „Moctar Touré war mit verbundenen Augen an einen Stuhl gefesselt, seine rechte Hand war an der Armlehne mit einem Gummischlauch festgebunden. Ein Arzt kam und verabreichte ihm eine Spritze. Dann nahm Tourés eigener Bruder ein Messer, welches sonst zum Schlachten von Schafen genutzt wird, und führte das Urteil aus“, schreibt die New York Times und macht damit deutlich, wie es derzeit um die Lage in Mali steht.

„Ich selbst habe meinem Bruder die Hand abgehackt“ erzählt Aliou Tourè und bereut dabei seine Tat nicht im geringsten. Er ist Polizeichef im Norden Malis, in dem Islamisten seit März diesen Jahres das Sagen haben. Ihnen hat er sich angeschlossen.

Es sind schon lange nicht mehr nur die kulturellen Heiligtümer der Region gefährdet. Zwei Drittel des Landes kontrollieren die Islamisten, die sich selbst Ansar al-Din nennen. Die Menschen sind in ihrem täglichen Leben einer weit größeren Bedrohung ausgesetzt.

Die New York Times berichtet, wie sehr die radikale Auslegung der Religion das Leben der Bevölkerung bestimmt. So glaubt Tourè, man habe keine andere Wahl, „als das Recht Gottes auszuüben“. Schon am nächsten Tag wurden in derselben Stadt die Hände von zwei weiteren Personen, die ebenfalls beschuldigt werden, geklaut zu haben, amputiert. Vertreter der Islamisten sagten Journalisten, es würden schon bald die Vollstreckung von acht weiteren Urteilen folgen.

Nachdem die UN in der vergangenen Woche einem Militäreinsatz in Mali zugestimmt hat, sind die Islamisten noch weitaus brutaler geworden, um ihre Macht zu demonstrieren. Es folgten erneut Zerstörungen von historischen Mausoleen.

Die Islamisten berufen sich dabei auf die Sharia, dem islamischen Gesetz. Während Muslime weltweit und islamische Gelehrte der Ansicht sind, dass die Sharia kein festes Konstrukt ist und mit der Zeit gehen muss, wollen die Extremisten ausschließlich die Praxis des 7. Jahrhunderts umsetzen. Seit der Besetzung Nordmalis im März sind Human Rights Watch zufolge insgesamt 14 Mal Gliedmaßen als Urteilsvollstreckung amputiert worden. Die inoffiziellen Zahlen sollen allerdings weitaus höher sein.

Bein anderen – von den Fundamentalisten als Straftaten bezeichneten – Vergehen wie Rauchen oder auch nur Musik hören werden die Betroffenen ausgepeitscht. Sogar ein Klingelton, der den Behörden nicht gefällt, kann zu körperlicher Strafe führen. Das schlimmste Urteil, die Steinigung eines Pärchens, wurde im Juli in der Stadt Aguelhok vollstreckt.

Die sogenannten Richter verhalten sich allerdings nicht so buchstabengetreu wie sie es vorgeben. Urteile werden Berichten zufolge sehr schnell, meist noch am selben Tag, ohne eine richtige Anhörung oder Nachforschungen ausgesprochen.

„Sie besprechen das unter sich, in geschlossenen Sitzungen“, zitiert die NYT Abdou Sidibé, einen Abgeordneten aus Gao, der nun im Exil leben muss. Diese Menschen, so Sidibé, führen nicht das Recht Gottes, sondern „ihr eigenes Recht“ aus. Dies gehe sogar soweit, dass Gerichtsgebäude verkauft würden, denn für diese gebe es keinen Nutzen mehr.

Touré wurde beschuldigt, die Waffen der Islamisten gestohlen zu haben. Er und selbst die Kommunalpolitiker aus seiner Stadt sagen, dass es sich dabei um Lügen handele. Toureé selbst erzählt, er sei aus dem Militär der Islamisten ausgetreten. Offensichtlich muss jeder mit einer Strafe rechnen, der sich nicht den neuen Machthabern unterwirft.

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