Deutschland

Mobiles Banking: Regierung verschafft sich Zugriff auf PIN-Codes der Bürger

Lesezeit: 3 min
21.03.2013 12:19
Rein theoretisch kann die Bundesregierung einen Bank-Run ab heute schon im Keim ersticken: Der Bundestag beschließt heute ein neues Gesetz. Demzufolge sind Telekom-Anbieter verpflichtet, den Behörden die PINs und PUK der Bürger auszuhändigen. Dazu soll eine elektonische Schnittstelle geschaffen werden - also die direkte Einwahl für die Regierung in die Kommunikation der Bürger.
Mobiles Banking: Regierung verschafft sich Zugriff auf PIN-Codes der Bürger

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Alle Welt war verwundert, dass der Beschluss der EU, die Zyprioten von ihrem Geld abzuschneiden, so reibungslos verlief (hier).

Das hängt auch damit zusammen, dass sich die Staaten in aller Stille immer mehr Daten der Bürger beschaffen. Durch entsprechende Gesetze sichern sie sich auch gleich den Zugriff. Die neueste Entwicklung zielt am Ende auch auf das mobile Online-Banking: Durch eine elektronische Schnittstelle soll es Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble möglich werden, den Bank-Kunden jeder Zeit über die Schulter zu greifen.

So nahm auch kaum einer Notiz von einer auf den ersten Blick technisch klingenden Nachricht: Der Innenausschuss des Bundestages stimmte am Mittwoch für den Regierungsentwurf zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft. Es soll geregelt werden, wann Ermittler von Bundesbehörden bei den Telekommunikationsanbietern Informationen über Anschlussinhaber abfragen dürfen.

Das Gesetz, dass abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit heute durch den Bundestag geschleust wird, hat es in sich.

Der Arbeitskreis Vorrats-Datenspeicherung warnt:

Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft geht weiterhin deutlich über die bisherige Rechtslage hinaus und baut Schutzvorschriften ab:

1. Es soll weiterhin eine elektronische Schnittstelle zur vereinfachten Abfrage von Kommunikationsdaten eingeführt werden.

2. Bundeskriminalamt und Zollkriminalamt sollen in weitem Umfang Zugriff auf Kommunikationsdaten erhalten, wo Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis bisher nicht gestattet sind (z.B. als Zentralstelle, zum Personenschutz).

In mehreren Punkten ist der geänderte Gesetzentwurf sogar verfassungswidrig:

1. Es fehlt bereits die verfassungsrechtlich gebotene abschließende Bestimmung, welche Vorschriften einen Zugriff auf Kommunikationsdaten erlauben sollen (einfachgesetzliches Zitiergebot).

2. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sollen Zugriffe auf Kommunikationsdaten durch Polizeibehörden nicht beschränkt werden auf Fälle konkreter Gefahr oder des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern selbst zur Ermittlung geringfügiger Ordnungswidrigkeiten zugelassen werden.

3. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern durch Geheimdienste keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen.

4. Es ist unklar und nicht kontrollierbar, unter welchen Voraussetzungen Anbieter Zugriffscodes wie Mailbox-PINs oder E-Mail-Passwörter an Staatsbehörden herausgeben dürfen.

5. Der Bund will Anbietern verbieten, ihre Kunden von Datenabfragen zu benachrichtigen, selbst wo die Länder Stillschweigen nicht anordnen (z.B. bei Suizidgefahr oder Vermissten).

6. Den Datenzugriff durch eine elektronische Schnittstelle weiter zu erleichtern, ist unverhältnismäßig und verfassungswidrig.

Informationen wie Name und Anschrift müssen „im Einzelfall zum Zweck der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben“ von den Anbietern an die Behörden übergeben werden, heisst es in dem Entwurf.

Für den Zugriff auf PINs, PUKs oder Passwörter soll weiterhin eine richterliche Genehmigung notwendig sein. Das ist zwar - vorerst noch - eine gewisse Sicherheit. Doch das wahre Problem ist die elektronische Schnittstelle: Wenn erst einmal der technische Aufwand für den Zugriff minimiert wird, ist die Beschaffung einer richterlichen Grundlage durch entsprechende Gesetzes-Novellierungen ein verwaltungstechnisches Kinderspiel.

Wie wir bei der Euro-Rettungs-Versuchen - ESM, spanische Banken-Rettung - gesehen haben, erfolgen die gravierendsten politischen Veränderungen mittlerweile ohnehin im Handstreich per Notverordnung. Es ist für die reibungslose Einführung eines Euro-Solis von großem Vorteil, wenn es einen direkten technischen Zugriff auf die Konten der Bürger gibt (hier merhr zum Master-Plan von Wolfgang Schäuble).

Die Bundesregierung setzt hier vor allem auf die entsprechenden Innovationen: Sie will das Bargeld weitgehend abschaffen. In Japan ist heute schon das Zahlen am Supermarkt per Handy allgemein üblich.

Je mehr die Bürger ihre Smartphones für Zahlungen und Geldverkehr verwenden, umso besser für die Bundesregierung.

Geheimdienste benötigen unterdessen für den Zugriff noch die Zustimmung der für sie zuständigen parlamentarischen Kontrollkommission. Wenn man wissen will, wieviel eine parlamentarische Kontroll-Kommission im Krisenfall wert ist, kann man ja einmal den zypriotischen Präsident über den Grad seiner Freiheit bei den Verhandlungen mit der Troika befragen.

Prinzipiell sollen Bürger, deren Daten von den Behörden angefragt wurden, erst darüber im Nachhinein informiert werden. Dies gilt auch für die Abfrage von Bestandsdaten hinter einer dynamisch vergebenen IP-Adresse.

In der vergangenen Woche hatten die Regierung und die SPD-Fraktion sich auf den Entwurf verständigt. Linke und Grüne hingegen sind gegen das Vorhaben, das bereits am Donnerstag im Bundestag zur Abstimmung stehen soll.

Der grüne Innenexperte Konstantin von Notz kritisiert, dass die Bundesbehörden nach dem Entwurf „einen erleichterten, nahezu voraussetzungslosen Zugang auf die Kundendaten der Provider“ erhielten. Doch genau dies habe das Bundesverfassungsgericht verhindern wollen, zitiert ihn Heise. Durch die geplanten Gesetzesänderungen werde das Bundeskriminalamt zum FBI.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Reiseziele: So manch Überraschung im Sommerflugplan
29.03.2024

Ab Ostern tritt an den deutschen Flughäfen der neue Sommerflugplan in Kraft. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten haben für Sie als Leser...

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betrachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...