Ärztevertreter schlagen Alarm: Etwa die Hälfte aller im Internet gehandelten Medikamente sind gefälscht. 20 Prozent der Fälschungen enthalten sogar Stoffe, die zu körperlichen Schäden führen können.
Das Internet ist für die Medikamenten-Wirtschaft ideal. Über die Grenzen hinweg können Produkte theoretisch weltweit Abnehmer finden. Die hohen Preise, die in Deutschland für Medikamente gezahlt werden, machen es den Unternehmen mit billigen Alternativen leicht. Doch etwa die Hälfte der im Internet gehandelten Medikamente sind gefälscht. Und rund ein Fünftel davon können sogar eine Gefahr für die Gesundheit sein, warnt die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).
Neben Lifestyle-Produkten wie Potenzmitteln und Anabolika sind auch verschreibungspflichtige Mittel betroffen. Plagiate gibt es demnach auch für Antibiotika, Schmerzmittel und Medikamente zur AIDS- und Krebstherapie. Die Fälschungen seien nur schwer als solche erkennbar, so die DGIM. Die Händler ahmen Verpackung und Aussehen der Tabletten täuschend echt nach.
Verbrauchern rät die DGIM in jedem Fall von der Einnahme ab, wenn der Beipackzettel fehlt. Außerdem wird geraten, nichts auf dubiosen Internetseiten zu bestellen. Medikamente sollten nur in einer Apotheke vor Ort oder einer seriösen Internet-Apotheke gekauft werden. Ansonsten könnten sich die Patienten nur sehr begrenzt schützen. Eine effektive Arzneimittel-Kontrolle kann nur von den Behörden erfolgen.
Verbände von Arzneimittelherstellern, Großhändler und Apotheken in Deutschland hätten deshalb das „securPharm-System“ entwickelt, so die DGIM: Danach trägt jede Packung eine codierte Seriennummer. Derzeit laufen die Packungen in Tests, erste Ergebnisse stehen unmittelbar bevor. Auch die EU plane, bis zum Jahr 2017 zusätzliche Sicherungen einzuführen.
Als „Fälschung“ bezeichnet die Weltgesundheitsorganisation Medikamente, deren Identität oder Herkunft absichtlich falsch gekennzeichnet ist. Die Gewinnspannen bei den illegal gehandelten Arzneimitteln sind horrend: Der Wirkstoff Sildenafil etwa erzielt laut Zollfahndung Köln Spannen von weit mehr als dem 200-Fachen.
Zwar seien die nachgeahmten Medikamente oft wesentlich billiger, aber eben auch teilweise unwirksam oder hätten gefährliche Nebenwirkungen, so der Hauptgeschäftsführer des deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, zur Saarbrücker Zeitung. Viele Touristen würden sich inzwischen Medikamente einfach aus dem Urlaub mitbringen, „ohne zu hinterfragen, warum sie so billig sind“.
Die internationale Produktpiraterie im Allgemeinen habe immer dramatischere Folgen für die deutsche Wirtschaft, so Wansleben. Demnach beläuft sich der Schaden mittlerweile auf über 50 Milliarden Euro im Jahr. Textilien und Zigaretten seien nach wie vor die am meisten kopierten Güter. Neben Medikamenten wachse aber auch der Anteil der elektronischen Haushaltsgeräte. Zwei Drittel aller Fälschungen kämen aus China und Hongkong, und auch die Entwicklung in Indien stelle ein immer größeres Problem dar.