Deutschland

Höchstgericht: Betriebsräte können Leiharbeit im Unternehmen blockieren

Lesezeit: 2 min
14.07.2013 01:15
Wenn Leiharbeit auf Dauer angelegt ist, können künftig die Betriebsräte ein Veto dagegen einlegen. Das Urteil könnte den Einsatz von Leiharbeit in Deutschland signifikant verändern - und zwingt die Gewerkschaften, Position zu bekennen.
Höchstgericht: Betriebsräte können Leiharbeit im Unternehmen blockieren

Ein Arbeitgeber darf nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts eine neue Mitarbeiterin nicht einstellen. Das Veto des Betriebsrates sei berechtigt, da die dauerhafte Beschäftigung geplant war. Die Gewerkschaften sind zufrieden mit dem Urteil.

Wenn ein Unternehmen künftig Leiharbeitnehmer dauerhaft eingesetzt will, dann braucht es dafür die Zustimmung des Betriebsrats. Dieser könne „die Zustimmung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese dort nicht nur vorübergehend eingesetzt werden sollen“, so das Bundesarbeitsgericht in einer Pressemitteilung.

Nach geltendem Recht kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers verweigern. Der Arbeitgeber konnte dann bisher beim Arbeitsgericht prüfen lassen, ob die Verweigerung des Betriebsrates berechtigt ist. Es ist gesetzlich geregelt, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“ sein muss. Das Arbeitsgericht argumentiert:

„Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs kann daher seine Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese im Entleiherbetrieb nicht nur vorübergehend beschäftigt werden sollen.“

Daher hatte ein Arbeitgeber anders als in den Vorinstanzen vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Er hatte beabsichtigt, eine Leiharbeiterin ohne zeitliche Begrenzung statt einer Stammkraft einzusetzen. Doch sein Betriebsrat hatte die Zustimmung zur dauerhaften Einstellung verweigert.

Das Arbeitsgericht begründete seine Entscheidung gegen den Arbeitgeber damit, dass es eine Einstellung „ohne zeitliche Begrenzung“ nicht als „vorübergehende“ Beschäftigung betrachtet. Das Gericht gab allerdings keine genaue Definition, was „vorübergehend“ bedeutet.

Detlef Wetzel, zweiter Vorsitzende der IG Metall, sagte: „Dieses Urteil ist ein Paukenschlag. Jetzt steht auch juristisch fest: wer Stammbelegschaften durch günstigere Leiharbeiter ersetzen will, handelt unrechtmäßig. Das Urteil ist eine gute Nachricht und ein großer Erfolg im Kampf gegen die prekäre Beschäftigung in Deutschland.“

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts werde weitreichende Konsequenzen für den deutschen Arbeitsmarkt haben, so Wetzel. Er warnte allerdings davor, dass die Unternehmen nun andere arbeitnehmerfeindliche Strategien suchen würden. Daher sei die Politik gefordert, Schlupflöcher durch Gesetze zu schließen, etwa beim Thema Werkverträge.

Tatsächlich sind auch die Gewerkschaften selbst gefordert: Denn bisher haben sie es sich leicht gemacht. Sie haben die Zwei-Klassengesellschaft beklagt und ihre Mitglieder - die in der Regel die Arbeitnehmer in den festen Arbeitsverhältnissen sind - geschützt.

Nun müssen die Gewerkschaften Farbe bekennen. Denn die Unternehmen werden, wenn die Betriebsräte fordern, dass Leiharbeiter in Festangestellte umgewandelt werden, mit dem Argument kontern, dass sich dann das Lohnniveau aller Arbeiter senken müsse. Damit dürfte auch die Arbeiterschaft auf die Probe gestellt werden: Ob nämlich die Solidarität nämlich so weit reicht, dass sie auch den Kollegen, der bei einer Leiharbeitsfirma arbeitet, schützt.

Die Zahl der Leiharbeiter hat sich in den letzten zehn Jahren annähernd verdreifach, so die Bundesagentur für Arbeit. Im Juni 2012 waren es 908.000 Leiharbeiter in 18.500 Verleihbetrieben. Inzwischen dürften es knapp eine Million sein.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Israel-Konflikt: Führt das Krisentreffen in Israel mit Baerbock und Cameron zur Deeskalation?
17.04.2024

Bei Gesprächen mit israelischen Politikern bemühen sich Annalena Baerbock und David Cameron, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den...

DWN
Politik
Politik Günstlingswirtschaft und Gefälligkeiten: Stephan Weil in Niedersachsen am Pranger
17.04.2024

In Berlin steht Kai Wegner (CDU) unter Verdacht, seine Geliebte mit einem Senatorenposten bedacht zu haben. Ursula von der Leyen (CDU)...

DWN
Technologie
Technologie Fluch oder Segen? – Was man aus Müll alles machen kann
17.04.2024

Die Welt ist voller Müll. In den Ländern des globalen Südens gibt es teilweise so viel davon, dass Menschen auf Abfallbergen ihr Dasein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen
17.04.2024

Deutsche Unternehmen klagen aktuell viel über die Umstände – und die Unternehmensinsolvenzen sind auch auf Rekordniveau. Ein Grund...

DWN
Politik
Politik Vor G7-Treffen: Baerbock warnt vor Eskalationsspirale im Nahen Osten
17.04.2024

Die Grünen-Politikerin hat vor einem Treffen der Gruppe sieben großer Industrienationen (G7) zu "maximaler Zurückhaltung" aufgerufen in...

DWN
Politik
Politik Die Zukunft der EU als Wirtschaftsstandort: DIHK-Befragung zeigt Stimmungstief
17.04.2024

Wie beurteilen Unternehmen die Lage der Europäischen Union? Eine Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Studie: Immer mehr Menschen heben Geld im Supermarkt ab
17.04.2024

Geldabheben beim Einkaufen wird in den Supermärken immer beliebter. Für Händler könnten die zunehmenden Bargeldauszahlungen jedoch...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Eurozone fällt auf 2,4 Prozent
17.04.2024

Im Herbst 2022 erreichte die Inflation in der Eurozone ein Höchststand von mehr als zehn Prozent, jetzt gibt es den dritten Rückgang der...