Dank der Stammzellenforschung ist es nun Forschern vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) und der österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gelungen, aus Stammzellen ein menschliches Gehirn zu entwickeln. Da sich das menschliche Gehirn anders entwickelt als das von Tieren, war es bisher immer schwierig, die verschiedenen Stadien des Wachstums nachzuvollziehen. Vor allem auch mit Blick auf Defekte, die in unterschiedlichen Entwicklungsphasen auftreten. Dies macht das Gehirn aus Stammzellen jedoch nun möglich.
Zunächst induzierten die Forscher so genannte pluripotente Stammzellen aus Patientengewebe in die embryonalen Stammzellen. Pluripotente Stammzellen (iPS Zellen) werden aus nicht ausdifferenziertem Gewebe entnommen können sich zu jedem Zelltyp eines erwachsenen Organismus entwickeln. Durch die Induzierung der pluripotenten Stammzellen in die embryonalen Stammzellen zeigte sich, dass „Stammzellen die unterschiedlichen Zelltypen des Gehirns ausbilden und dass diese Zellen sich in überraschend exakter und präziser Weise so organisieren, wie im embryonalen Gehirn“, heißt es in der Veröffentlichung der Forscher.
Durch dieses „spezielle Kulturverfahren“ sei es gelungen, die frühen Entwicklungsstadien des Großhirns aber auch anderer Gehirnstrukturen, wie dem Hippokampus, nachzubilden. Dadurch ist es nun möglich, pluripotente Stammzellen von Patienten mit Gendefekten in die embryonlanen Stammzellen zu induzieren. So können menschliche Erbkrankheiten in der so entstehenden Organkultur untersucht werden.
„Der entscheidende Vorteil des neuen Systems sind optimierte Kulturbedingungen, welche die Übereinstimmung zwischen Kultur und tatsächlicher Gehirnentwicklung entscheidend verbessert haben“, so Madeline Lancaster, Erstautorin der Studie. Nach acht bis zehn Tagen entstehe in der „Kultur neuronales Gewebe“ und nach 20 bis 30 Tagen haben sich die Zellen zu unterschiedlichen Hirnregionen weiterentwickelt. „Im Durchschnitt können die Gehirn-Organoide die Entstehung von Gehirnstrukturen bis in die neunte Schwangerschaftswoche imitieren“, so Lancaster.
Eine künstlich initiierte Entwicklung über die neunte Schwangerschaftswoche hinaus ist bisher noch nicht möglich. Da in späteren Phasen die Sauerstoffversorgung durch die Blutbahn erfolgt. Blutgefäße konnten in den Modellen noch nicht nachgebildet werden. Die österreichischen Forscher, zu denen auch Jürgen Knoblich gehört, sehen in ihren Forschungsergebnissen auch einen Vorteil für die Pharmaindustrie. Die gezüchteten Kulturen könnten demnach auch für Tests von Medikamenten herangezogen werden. „Derartige Modelle haben sehr großes Potenzial für die Erforschung von Krankheiten und Entwicklung von Medikamenten“, so Knoblich.