Die Piraten-Partei steht in den Internet-Foren wegen Arroganz gegenüber dem Wähler in der Kritik. Enttäuscht wenden sich auch Technik-affine junge Leute und somit potentielle Piraten-Wähler von der Partei ab.
Am Wochenende haben die Piraten ihre 12-köpfige Kandidatenliste zur Europawahl festgelegt. Angeführt wird die Wahlliste von Julia Reda, der Chefin der Jugendorganisation Young Pirates Europe. Ebenfalls auf die Liste geschafft hat es die bekannte Aktivistin Anke Domscheit-Berg, die Frau des Wikileaks-Mitbegründers Daniel Domscheit-Berg, der nach seinem Zerwürfnis mit Julian Assange ein sehr interessantes Buch über das Innenleben von Wikileaks geschrieben hat.
Domscheidt-Bergs Kandidatur, die in letzter Minute erfolgte, war von Beobachtern als positives Zeichen gesehen worden, dass die Piraten in ihrem Kernthema wieder mehr Kompetenz gewinnen könnten.
Doch die Europa-Politik, die ebenfalls auf dem Parteitag beschlossen wurde, ist enttäuschend.
Neben einer Reform des Urheberrechts fordern die Piraten mehr EU - nicht gerade ein origineller Ansatz mitten in der Euro-Krise. In ihrem Antrag für den Bundesparteitag heißt es:
„Nur da, wo lokale Regeln sinnvoller sind, soll lokal entschieden werden. Wir wollen eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Umweltpolitik, eine gemeinsame Sozialpolitik und alles, was sonst noch besser gemeinsam geschultert werden kann.“
Das EU-Parlament müsse „endlich selbständig Gesetze einbringen dürfen und über Finanzen und Steuern entscheiden“, so Reda. Zudem brauche Europa den Euro. „Für gemeinsamen Frieden und Wohlstand brauchen wir einen Kontinent mit einer gemeinsamen Währung. Dazu wollen wir unsere nationalstaatlichen Interessen hintanstellen.“
Im Forum von heise.de, wo viele Technik-affine Bürger und somit potentielle Piratenwähler unterwegs sind, ernten die Piraten heftige Kritik. Der Forums-Nutzer Seven81 fragt, ob eine Partei mit einem solchen Programm, wie es die Spitzenkandidatin Reda vorgeschlagen hat, überhaupt wählbar ist.
„Der Antrag wurde zwar nicht angenommen, bekam jedoch nicht wenig Zustimmung. Dass ein Großteil der anwesenden Piraten überhaupt keine Anträge lesen mag und lieber irgendwas abstimmt, ist ein elementares Problem. Man kann schlecht Volksabstimmungen einfordern, wenn ein großer Teil der eigenen Partei überhaupt kein Interesse an inhaltlicher Arbeit hat.“
Auch Forum-Nutzerin Eva K bescheinigt den Piraten ein Desinteresse an inhaltlicher Arbeit. Zudem kritisiert sie die innerparteiliche Kommunikation. „Kommunikation reduziert sich auf zwangsläufig verkürzte und damit recht rabiat wirkende Twitter-Kommentare, das artet schnell zum ‚Shitstorm‘ aus.“
Seven81 nennt die Diskussionskultur der Piraten „ein Alleinstellungsmerkmal“ in der deutschen Parteienlandschaft. „Die Leute werden dummgemacht, beleidigt, als Nazis beschimpft. Und der Klüngelkreis dieser beschimpfenden Personen springt dann darauf auf. Diese Kommunikationsweise zieht sich durch die gesamte Partei.“
Die Piraten haben derzeit knapp 30.000 Mitglieder. Sie sitzen in vier Länderparlamenten. Zwischenzeitlich erreichten sie zweistellige Umfrageergebnisse, verfehlten jedoch im September mit nur 2,2 Prozent der Stimmen den Einzug in den Bundestag. Der Einzug in das EU-Parlament im Mai ist nicht unwahrscheinlich, selbst wenn das Bundesverfassungsgericht die 3-Prozent-Hürde nicht kippt (mehr hier).
Die Piraten hatten ihren Misserfolg bei der Bundestagswahl vor allem damit erklärt, dass die Bürger sich nicht ausreichend für die Themen Internet-Sicherheit und Datenschutz interessierten. Auf ihrer Webseite heißt es:
„Das war es wohl mit der Spähaffäre. Interessiert hat es hierzulande ohnehin fast nur die Journalisten. Der abgehörte Durchschnittsdeutsche verfolgte die Sache eher wie einen Fernsehkrimi am Bildschirm. Mit etwas Gänsehaut und der Gewissheit, dass alles nur eine Inszenierung sei.“
Der Forum-Nutzer systray0 kritisiert die „Überheblichkeit und Arroganz“ der Piraten: „Arbeitet an euren Wahlprogrammen und hört auf, euren Frust kundzutun und vor allem den Bürgern dauernd die Schuld an eurem Versagen zu geben – sucht auch bei euch selbst.“
Spitzenkandidatin Reda sieht bei den Wählern noch ein mangelhaftes Wissen über die Vorteile eines grenzenlosen Europas. „Der erste Schritt muss sein, die Leute für Europa zu begeistern und ihnen kurz zu vermitteln, was das Europaparlament eigentlich mit ihrem Leben zu tun hat.“