Gemischtes

Pestizid-Hersteller belügen die Öffentlichkeit

Lesezeit: 2 min
04.02.2014 00:04
Hersteller von Pestiziden müssen nur die Giftigkeit des Hauptbestandteils ihres Produktes angeben. Doch auch etliche Zusatzstoffe sind gefährlich. Teilweise sind sie sogar deutlich giftiger als die Hauptkomponenten.
Pestizid-Hersteller belügen die Öffentlichkeit

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Ähnlich wie die Pharmaindustrie sind die Chemiekonzerne, die die Pestizidherstellung vorantreiben, in einer sehr starken Position. In Österreich wehrte sich vergangenes Jahr der Agrarminister, Angaben über den Umfang der eingesetzten Pestizide in der Landwirtschaft zu machen (hier). Die Lobbyarbeit der Pestizidhersteller funktioniert in den USA genauso gut wie in der EU. Dies zeigt auch eine neuerliche Studie um den französischen Wissenschaftler Gilles-Eric Séralini. Zusammen mit Robin MesnageNicolas Defarge und Joël Spiroux de Vendômois untersuchte er die Toxizität von neun Pestizid-Wirkstoffen und deren Wirkung auf menschliche Zellen. Die Ergebnisse wurden bei BioMed Research International veröffentlicht.

Gilles-Eric Séralini sorgte schon einmal mit einer Studie für Aufsehen. Im Herbst 2012 zeigte er in einer Studie, dass Stoffe in einer von Monsanto gentechnisch manipulierten Mais-Sorte im Langzeit-Test bei Ratten zu einer erheblich größeren Häufigkeit von aggressivem Krebs führten. Die EU hatte den Mais zugelassen. Die Zulassung beruhte auf einer anderen wissenschaftlichen Studie, die nur die Ergebnisse von 90 Tagen untersuchte. Die Studie, mit der die EU-Entscheidung wissenschaftlich belegt worden war, war im Auftrag von Monsanto erstellt worden. Nachdem die Séralini-Studie bekannt wurde, bestritt die EU-Kommission in einer Pressemitteilung, dass die Studie wissenschaftlich sei. Wenig später wurde die Studie nach dem obligaten Procedere in einem angesehen wissenschaftlichen Journal veröffentlicht (hier). Ein Jahr später zog das Journal aufgrund heftiger Kritik die Studie Séralinis zurück.

Schlupfloch für die Hersteller

In der aktuellen Studie heißt es, die Giftigkeit der Pflanzenschutzmittel sei „zwei bis tausend Mal giftiger“ als von den Herstellern angegeben. Grund hierfür sei die Unterscheidung zwischen dem Hauptwirkstoffe eines Pestizids und den Zusatzstoffen. Der Hauptwirkstoff wird der Studie zufolge mittel- und langfristigen Tests unterzogen und die Ergebnisse müssten vom Hersteller angegeben werden. Zu den Zusatzstoffen hingegen müssten die Unternehmen keine Angaben machen. Doch genau hier stellte die neue Studie eine erhebliche Toxizität fest. Würden die Hersteller diese Werte angeben,  würde sich zeigen, dass die Pflanzenschutzmittel viel giftiger seien als derzeit ausgewiesen.

Auch das weit verbreitete Pestizid Roundup von Monsanto wurde den Untersuchungen unterzogen. Das Pestizid steht seit einiger Zeit bereits seit einiger Zeit in der Kritik. Einerseits sind in den USA Millionen Hektor Ackerfläche von einem Super-Unkraut befallen, das aufgrund des häufigen Einsatzes von Roundup mutierte. Andererseits gibt es Berichte aus Argentinien, denen zufolge  von schweren Erkrankungen bei Arbeitern, die mit Roundup in Kontakt gekommen seien, die Rede ist (mehr hier).

Pestizide in Lebensmitteln

Jährlich werden zum Beispiel allein in Deutschland rund 30.000 Tonnen Pestizide verspritzt, so Greenpeace. Und nicht selten finden sich sowohl in Lebensmitteln aus Deutschland als auch aus dem Ausland Pestizidrückstände in den Lebensmitteln. In einer Auswertung von mehr als 22.000 Proben der deutschen Lebensmittelüberwachung aus den Jahren 2009 und 2010 zeigte sich vor zwei Jahren, dass fast 80 Prozent des konventionellen Obstes und 55 Prozent des Gemüses Pestizidrückstände enthielten. 35 Wirkstoffe wurden in den deutschen und importierten Waren gefunden. In den letzten zwei Jahren sind diese Rückstände etwas zurückgegangen. Allerdings habe dies auch damit zu tun, dass „im Zuge der EU-Harmonisierung die Rückstandshöchstmengen nach oben angepasst“ wurden, so Öko-Test 2013. „Und auch das dürfte den Handel mit Obst und Gemüse ‚entspannt‘ haben.“

2014 fand Öko-Test im Alete-Saft einen Wirkstoff, der auch in Desinfektionsmitteln zum Einsatz kommt. Desinfektionsmittelrückstände fand auch das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart im Speiseeis. Und in Ölen und Fetten werden nicht selten Wirkstoffe aus Pflanzenschutzmitteln gefunden. 2013 wurden auf einigen Salatblättern bis zu neun verschiedene Pestizide entdeckt. Eine Untersuchung der Organisation Women’s Voices for the Earth (WVE) ergab, dass etliche Intim-Pflegeprodukte für Frauen gefährliche Chemikalien enthalten. Dazu gehören etwa krebserregende Stoffe (Karzinogene), Allergene, Pestizide und Dioxine (mehr hier).


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handel warnt vor „Geisterstädten“ - tausende Geschäftsschließungen
23.04.2024

Seit Jahren sinkt die Zahl der Geschäfte in Deutschlands Innenstädten - auch weitere Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen bald...

DWN
Technologie
Technologie Ocean Cleanup fischt 10.000 Tonnen Plastikmüll aus Ozeanen und Flüssen
23.04.2024

Ein Projekt fischt Tausende Tonnen Plastik aus dem Meer und aus Flüssen. Eine winzige Menge, weltweit betrachtet. Doch es gibt global...