Politik

Hypo Alpe Adria: Zentralbanken und Politik verursachen Milliarden-Schaden

Lesezeit: 5 min
14.03.2014 14:49
Die Milliarden-Lasten, die die österreichischen Steuerzahler wegen des gemeinsamen Versagens von Zentralbanken und Politik zu bezahlen haben, sind ein massiver Schaden. Anders als im Fall Hoeneß gibt es jedoch keine Anklagen oder Verurteilungen. Eine Chronologie des System-Versagens.

Als Ewald Nowotny aufgeregt mit seinem Handy wedelt, ist auch dem Letzten der Ernst der Lage klar. Er habe gerade mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, telefoniert, sagt der Chef der österreichischen Notenbank. Und Trichets Ansage sei klar gewesen: Das österreichische Krisen-Institut Hypo Alpe Adria sei systemrelevant und dürfe nicht untergehen. Die Angst, gut ein Jahr nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers eine neue Schockwelle in der Finanzbrache auszulösen, ist an jenem Wochenende im Dezember 2009 allgegenwärtig. Entsprechend angespannt ist die Stimmung im Wiener Finanzministerium, wo Vertreter des Hypo-Mehrheitseigners BayernLB zusammen mit Politikern aus Bayern und Österreich um die Zukunft der schwächelnden Bank feilschen.

Die österreichische Finanzaufsicht hat mit einer Schließung der Bank gedroht, falls bis Montagmorgen keine Lösung gefunden ist. Deshalb wird an dem besagten Wochenende mit Hochdruck an einer Lösung gebastelt. Wenige Stunden vor Sonnenaufgang einigen sich die Delegationen am 14. Dezember schließlich auf die Notverstaatlichung der Hypo Alpe Adria durch die Republik Österreich. „Am Ende ist es zugegangen wie beim Pferdehandel“, erzählt eine Person, die damals dabei war.

Die drohende Pleite der Südosteuropa-Bank konnten er und die anderen Verhandlungspartner damals zwar abwenden. Doch die Krise der Hypo war damit noch lange nicht vorbei, denn die Wirtschaft in Osteuropa - dem wichtigsten Markt - schwächelte weiter. Das Ergebnis: Österreich musste seit der Übernahme knapp fünf Milliarden Euro in die Bank pumpen. Nun will Österreich die Altlasten der Hypo in eine staatliche Bad Bank auslagern, was dem Land weitere Verluste einbrocken könnte.

Für Österreich steht viel auf dem Spiel wegen einer Bank, die ohnehin keine Zukunft hat. Denn wenn alles nach Plan läuft, bleibt von dem Institut am Ende nichts mehr übrig. Im Gegenzug für die Staatshilfen muss die Hypo auf Druck der EU bis 2015 ihre Töchter in Osteuropa verkaufen. Der Rest – die kriselnde Italientochter und ein 19 Milliarden Euro schweres Portfolio an toxischen Wertpapieren und Krediten – soll abgewickelt werden.

Auch für die BayernLB, die bei ihrem Ausflug nach Österreich von 2007 bis 2009 bereits 3,7 Milliarden Euro versenkt hat, ist das Hypo-Problem noch nicht ausgestanden. Für die zweitgrößte deutsche Landesbank stehen Milliarden-Kredite im Feuer, die das Kärntner Geldhaus nicht zurückzahlen will. Die Hypo wiederum ist auf die Zustimmung der BayernLB angewiesen, wenn sie problembehaftete Papiere wie geplant in eine Abbaubank auslagern will.

Wer verstehen will, wie verworren die Lage ist, muss einen Blick in die Vergangenheit der Bank mit ihren aktuell 6000 Mitarbeitern werfen. Lange führte das 1896 gegründete Institut ein unscheinbares Dasein als Regionalbank. Mehr als hundert Jahre später begann es dann aber, in großem Umfang Geschäfte auf dem Balkan zu machen. Von 2000 bis 2008 verachtfachte die Hypo ihre Bilanzsumme auf gut 43 Milliarden Euro. Vorangetrieben wurde die Expansion damals auch vom Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, der das Bundesland Kärnten regierte. Er starb im Herbst 2008 bei einem Autounfall.

Die Hypo konnte damals – wie viele Landesbanken in Deutschland – dank der Rückendeckung des Staates schnell wachsen. In Spitzenzeiten sicherte Kärnten Geschäfte der Hypo mit Garantien von knapp 25 Milliarden Euro ab. Die EU-Kommission verbot die aus ihrer Sicht wettbewerbsverzerrenden Staatsgarantien nach der Jahrtausendwende - allerdings erst nach einer vierjährigen Übergangsphase.

Diesen Zeitraum nutzten die Hypo und viele andere Institute, um sich noch einmal mit Liquidität vollzusaugen. Und dieses Geld musste dann angelegt werden. Die Hypo investierte dabei unter anderem in eine Fluggesellschaft, die später Pleite ging, und in ein Hotel am Wörthersee. Außerdem finanzierte Österreichs sechstgrößte Bank einen kroatischen Yachthafen, der ihr später zufiel, weil der Schuldner seine Kredite nicht zurückzahlen konnte.

Bei der BayernLB, die vor der Finanzkrise ebenfalls mit Gewalt wachsen wollte, kam der Expansionskurs der Hypo gut an. Im Mai 2007 sicherte sich die Landesbank für gut 1,6 Milliarden Euro 50 Prozent plus eine Aktie an der Hypo. Die Beteiligung sei eine „Win-win-Situation für alle Beteiligten“, jubelte BayernLB-Chef Werner Schmidt damals. Später stockte die Bank den Anteil auf knapp 70 Prozent auf.

Doch die Freude währte nur kurz. Die BayernLB, die sich auch mit Investments in anderen Ländern verhoben hatte, wurde 2008 vom Freistaat mit zehn Milliarden Euro vor dem Aus gerettet. Da auch bei der Hypo immer neue Probleme zutage traten, waren die Bayern im Dezember 2009 fest entschlossen, die Notbremse zu ziehen. Bei den Verhandlungen im österreichischen Finanzministerium machten sie von Anfang an klar, nicht länger bei der Hypo engagiert zu bleiben, wie mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen berichten.

„Sie haben deutlich gemacht, dass kein weiteres bayerisches Steuergeld in die Hypo fließen wird“, erinnert sich ein Beteiligter. „Die Ansage war: Leute, das ist jetzt Euer Problem.“ Österreich könne bei dem Geldhaus ohnehin besser aufräumen als die BayernLB, die nicht alle Anteile an der Hypo besaß, argumentierten die Münchner.

Die Verhandlungsposition der Österreicher war schlecht: Die Bayern besaßen zwar die Mehrheit an der Bank, das Land Kärnten und damit in letzter Konsequenz Österreich hafteten jedoch noch mit 19 Milliarden Euro. Die BayernLB sei damals bereit gewesen, die Hypo mit all ihren Beteiligungen in Osteuropa Konkurs gehen zu lassen, klagte Notenbankchef Nowotny kürzlich in einem Interview. „Ich halte das heute noch für skandalös.“ Die anderen Beteiligten wollten sich zu den Verhandlungen nicht äußern.

Ihren Frust ließen die Österreicher ihre Gäste schon damals spüren. Die bayerische Verhandlungsdelegation sei in Wien zunächst in einem kalten Raum ohne Getränke untergebracht worden, erinnert sich ein Unterhändler. „Das gehörte zu den Psychospielchen.“ Die Verhandlungen liefen holprig. Der braun gebrannte österreichische Finanzminister Josef Pröll, der gerade von einem Urlaub auf Mauritius zurückgekehrt war, sei mehrfach mit Gerd Häusler aneinandergeraten, erinnern sich Teilnehmer. Häusler, heute BayernLB-Chef, war damals noch stellvertretender Verwaltungsratschef der Münchner Bank. Zusammen mit dem damaligen bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon und BayernLB-Chef Michael Kemmer leitete er die Verhandlungsdelegation des Freistaats, die zudem Kontakt mit der Deutschen Bundesbank und dem Finanzministerium in Berlin hielt.

Im Laufe der Verhandlungen erklärte sich Österreich bereit, die Hypo für den symbolischen Preis von einem Euro zurückzunehmen. Auf eine genaue Prüfung der Hypo-Bücher, eine sogenannte Due Diligence, wurde damals verzichtet. Zum einen habe Österreich die Bank bereits gut gekannt, berichtet ein Beteiligter. „Zum anderen fehlte dafür schlicht die Zeit.“ Österreich forderte jedoch finanzielle Zugeständnisse der Münchner. Sonntagnacht habe Pröll in der Kantine des Finanzministeriums mit einer Debreziner-Wurst im Mund versucht, seinen bayerischen Kollegen zu einer Milliardenspritze für die Hypo zu bewegen, erinnern sich Beteiligte. „Ich brauch a Milliarden für die Außendarstellung“, soll Pröll Fahrenschon angefleht haben. Doch Fahrenschon, der mittlerweile Präsident des deutschen Sparkassenverbandes ist, ließ Pröll abblitzen. „Geh‘ Josef, das macht jetzt keinen Sinn.“

Am Ende erließen die Bayern der Hypo 825 Millionen Euro Schulden. „Es war klar, dass die BayernLB ein kleines Mitgift geben musste“, erklärt ein deutscher Unterhändler. Da die Liquidität im Bankensektor damals knapp war, sagten die Bayern zudem zu, Darlehen und Kreditlinien an die Hypo bis 2013 zu verlängern.

Letzteres bereuen Politiker und Banker in München noch heute. Ende 2012 erklärte die Hypo nämlich, es habe sich bei den Geldern um „Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen“ gehandelt, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Mittlerweile streiten beide Seiten vor Gericht, was mit den offenen Krediten von rund zwei Milliarden Euro passiert.

Die BayernLB hat wegen der ausstehenden Hypo-Darlehen bisher kein Geld zurückgelegt. Sie ist davon überzeugt, dass die Österreicher bezahlen können und dazu früher oder später gerichtlich gezwungen werden. Die offenen Forderungen belasteten zwar das Eigenkapital, die BayernLB könne das aber einige Jahre durchstehen, sagte Bankchef Häusler im Januar im Haushaltsausschuss des bayerischen Landtags. Kurzfristig ist die Bank nicht erpressbar, lautet die Botschaft nach Wien.

Die Ratingagentur Moody‘s geht jedoch davon aus, dass die europäischen Aufsichtsbehörden die Risiken für die BayernLB durch den Hypo-Streit beim anstehenden Gesundheitscheck großer europäischer Banken berücksichtigen werden. Sollten die ausstehenden Hypo-Kredite vollständig ausfallen, würde dies den gesamten Umbau der BayernLB gefährden, warnt Moody's.

Auf der anderen Seite haben auch die Münchner ein Druckmittel in der Hand. Als sie im Dezember 2009 langfristige Kredite an die Hypo zusagten, ließen sie sich im Gegenzug Mitspracherechte bei wichtigen Entscheidungen zusichern. Wenn Österreich faule Hypo-Kredite und toxische Wertpapiere in eine Bad Bank auslagern will, wie Finanzminister Michael Spindelegger es angekündigt hat, ist das Land somit auf grünes Licht aus München angewiesen.

Spindelegger strebt nun einen Generalausgleich mit der BayernLB an. Im Zuge dessen will er auch alle laufenden und anstehenden Rechtsstreitigkeiten zwischen beiden Instituten aus der Welt schaffen. In München hat dieser Vorschlag bisher keine Euphorie ausgelöst. Manche Manager ahnen vielleicht, dass es bald zu einer Neuauflage des Krisengipfels im Wiener Finanzministerium kommen könnte.

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