Das zuletzt angespannte Verhältnis zwischen den USA und Europa könnte sich nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wegen des Ukraine-Konflikts mit Russland verbessern. "Ich bin zuversichtlich, dass die Ukraine-Krise uns helfen wird, die transatlantischen Bindungen zu verstärken und unsere gemeinsamen Interessen wiederzuentdecken", sagte Schäuble am Freitag in einer Rede vor dem "Rat für auswärtige Beziehungen" in Washington. Das russische Vorgehen habe schon jetzt dazu geführt, dass Europa und die USA sich wieder näher gekommen seien. Die transatlantischen Beziehungen waren zuletzt durch die Enthüllungen über den US-Geheimdienst NSA belastet worden.
Mit Blick auf die Ukraine warf Schäuble der russischen Regierung vor, mit einer "imperialen" Machtpolitik in überholte Verhaltensmuster aus dem letzten Jahrhundert zurückzufallen. Dabei unterschätze Russland, dass eine solche Politik in der globalisierten Welt allenfalls kurzfristig einen "imperialen Moment" sichern könne. Langfristig wichtiger seien "weiche Faktoren" wie ein attraktives Sozialmodell, getragen von einer gesunden ökonomischen Basis.
"Diese langfristigen Faktoren sprechen nicht für Mächte wie Russland", folgerte Schäuble. "Russland hat derzeit kein sehr attraktives Modell für Schwellenländer zu bieten." Insbesondere die russischen Wirtschaftaussichten seien wacklig. Das Land sei viel zu abhängig von Rohstoff-Exporten, die Industrie befinde sich zudem im Niedergang.
Schäuble kritisierte aber auch die Amerikaner. Wenn ein Land wie die USA beispielsweise wochenlang vor der Staatspleite stünde, stelle dies die Kreditwürdigkeit des gesamten Westens in Frage. Die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers und die anschließende Finanzkrise 2008/2009 seien einen Weckruf gewesen, der mehr Kooperation zwischen den USA und Europa anmahne. "Die USA haben eine globale Verantwortung zu führen", sagte Schäuble. Diese Führung müsse aber in einen multilateralen Rahmen mit Partnern eingebettet sein.