Politik

Serbien will Annäherung an Russland, kann aber sein Gas nicht bezahlen

Lesezeit: 2 min
01.11.2014 23:57
Der EU-Beitrittskandidat Serbien ist pleite und bekommt daher, wie die Ukraine, ein Problem mit Russland: Das Land kann seine Schulden bei Gazprom nicht bezahlen. Der Konzern hat seine Lieferungen gedrosselt. Die Serben könnten nun von den EU-Steuerzahlern mit Krediten „gerettet“ werden: 1,5 Milliarden Euro hat das Land bereits als „Vor-Beitrittshilfe“ erhalten.
Serbien will Annäherung an Russland, kann aber sein Gas nicht bezahlen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti berichtet, Russland habe seine Gaslieferungen an Serbien wegen Schulden des Balkan-Staates um fast ein Drittel gekürzt. Ria bezieht sich auf den serbischen Energieminister Alexander Antic. Nach seinen Angaben stehe Serbien mit 224 Millionen US-Dollar beim russischen Lieferanten Gazprom in der Kreide.

In der vergangenen Woche habe Gazprom um 28 Prozent weniger Erdgas an Serbien geliefert, sagte Antic am Samstag. Noch gäbe es keinen Versorgungsengpass: „Wir verhandeln seit Wochen mit unseren russischen Partnern intensiv über die Schuldentilgung“, sagte der Minister weiter. Er hoffe auf eine Einigung mit Gazprom. Serbien wolle noch bis zum Jahresende 100 Millionen Dollar Altschulden begleichen. Serbien deckt seinen Gasbedarf größtenteils durch Importe aus Russland.

In Serbien ist eine rege Debatte darüber ausgebrochen, welchem Bündnis sich das Land anschließen solle: Die Bürger des EU-Kandidaten Serbien setzen sich für einen Bund mit Russland ein. Rund 70 Prozent sprachen sich bei einer repräsentativen Umfrage für eine stärkere Orientierung in Richtung Moskau aus, berichtete die regierungsnahe Zeitung Politika aus Belgrad. Für einen EU-Beitritt stimmten dagegen nur 54 Prozent. Knapp 72 Prozent waren sogar gegen einen NATO-Beitritt ihres Landes. Bei den ausländischen Politikern schnitt der russische Präsident Wladimir Putin mit 38 Prozent Zustimmung am besten ab. Auf den zweiten Platz kam Bundeskanzlerin Angela Merkel mit 10 Prozent.

In einem potentiellen Streit mit Russland hat Serbien schlechte Karten: Die Anwälte streiken und mit ihrem beispiellosen Streik ihre steuerliche Veranlagung ändern, den Justizminister zum Rücktritt zwingen und die Aufgabenverteilung zwischen Notaren und Rechtsanwälten neu regeln. Alle Gerichte des Landes sind durch den Ausstand lahmgelegt. Nach sechswöchigem Streik aller Rechtsanwälte beim EU-Kandidaten Serbien hat die Anwaltskammer Brüssel um Hilfe gebeten. Die EU solle als neutrale Seite zwischen den Juristen und dem Innenministerium vermitteln, berichteten die Zeitungen am Donnerstag in Belgrad über einen Beschluss der Kammer vom Vortag.

Ob die EU auch zur Bezahlung der Gas-Schulden herangezogen wird, ist offen.

Seit März 2012 ist Serbien offizieller Beitrittskandidat der EU. Zwischen 2007 und 2013 sind 1,5 Milliarden Euro als so genannte Vor-Beitrittshilfe von der EU nach Serbien geflossen, so die EU-Kommission.  Von 2000 bis 2010 gingen so etwa 521 Millionen Euro allein in den serbischen Energiesektor,  wie ein EU-Dokument zu Serbien zeigt. Auch Gelder der EZB flossen und fließen noch nach Serbien, in die Zentralbank des Landes (hier). Und Deutschland hat dem Auswärtigen Amt zufolge zudem mehr als 1,3 Milliarden Euro für bilaterale Entwicklungs-Kooperationen mit Serbien zur Verfügung gestellt.

Die Eurokrise und die Schwierigkeiten am Stahlmarkt haben die Lage in Serbien verschärft. Mittlerweile ist die Arbeitslosigkeit in Serbien mit 25 Prozent eine der höchsten in ganz Europa. 60.000 serbische Firmen standen schon im vergangenen Jahr vor dem Bankrott (mehr hier). Das Haushaltsdefizit lag bei 7,5 Prozent im vergangen Jahr.

Das Land ist stark mit der EU vernetzt und setzt stark auf den Export von Stahl und anderen Metallen, Maschinen-Teile und Chemikalien, so die Weltbank. Fast 90 Prozent der serbischen Exporte gehen nach Europa – 55 Prozent davon an die EU. Abgesehen von der Eurokrise kämpft Serbien auch mit der Krise am Stahlmarkt. Die Überkapazitäten am Stahlmarkt machen auch der deutschen Industrie bereits zu schaffen (hier).


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handel warnt vor „Geisterstädten“ - tausende Geschäftsschließungen
23.04.2024

Seit Jahren sinkt die Zahl der Geschäfte in Deutschlands Innenstädten - auch weitere Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen bald...

DWN
Technologie
Technologie Ocean Cleanup fischt 10.000 Tonnen Plastikmüll aus Ozeanen und Flüssen
23.04.2024

Ein Projekt fischt Tausende Tonnen Plastik aus dem Meer und aus Flüssen. Eine winzige Menge, weltweit betrachtet. Doch es gibt global...

DWN
Technologie
Technologie Astronaut Alexander Gerst rechnet mit permanenter Station auf dem Mond
23.04.2024

Eine feste Basis auf dem Mond - das klingt für viele noch nach Science Fiction, soll aber schon bald Realität werden. Für Astronaut...

DWN
Politik
Politik Zeitungsverlage mahnen von Politik zugesagte Hilfe an
22.04.2024

Der Medienwandel kostet Zeitungshäuser viel Kraft und Geld. Von der Politik fühlen sie sich dabei im Stich gelassen. Sie erinnern die...