Die Türkei hat während der Regierungszeit der AKP einen immensen Entwicklungsschub erfahren. Die Wirtschaft wächst seit 2002 unaufhörlich und als Regionalmacht scheint man nicht länger auf die Europäische Union angewiesen zu sein. Doch aktuelle Daten belegen, dass die Ungleichheit in der Türkei wächst. Von dem enormen Wachstum profitieren besonders Eliten.
Damit ist die Türkei Teil eines globalen Trends, der in vielen Volkswirtschaften zu beobachten ist. Bei den kommenden Parlamentswahlen wird sich zeigen, ob sich diese Entwicklung negativ auf das Wahlergebnis auswirkt. Es steht viel auf dem Spiel: Ohne eine ausreichende Mehrheit wird die von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan angestrebte Verfassungsänderung nicht zu realisieren sein.
Während im Jahr 2002 das reichste Prozent der türkischen Bevölkerung 39,4 Prozent des gesamten Vermögens in der Türkei besaß, waren es im Jahr 2014 schon 54,3 Prozent, so das Finanzinstitut Credit Suisse. Auch wenn die lange wirtschaftlich rückständigen Regionen im Osten der Türkei maßgeblich für diese positive Entwicklung verantwortlich waren, verdienten besonders Eliten an diesem Aufschwung. Gerade die Baubranche habe gut an den riesigen Bauprojekten der letzten Jahre verdient so die Zeit. Dass es hierbei nicht immer mit rechten Mitteln zugegangen sein kann, zeigt die steigende Korruption in der Türkei.
Die Organisation Transparency International sieht die Türkei nur auf dem 64. Rang. Das Land spielt in der selben Liga wie Bulgarien, Rumänien, Ghana und dem Senegal, die ähnlich schlecht beurteilt worden sind. Diese nach oben gerichtete Vermögensverteilung liegt aber in Rahmen eines globalen Trends. Laut Oxfam besitzen 85 der reichsten Menschen der Erde ähnlich viel Geld, wie die ärmste Hälfte der gesamten Weltbevölkerung, weiterhin besitzt ein Prozent der Weltbevölkerung fast die Hälfte des gesamten Erdvermögens.
Die wachsende Ungleichheit in der Türkei wird verstärkt durch die eingetrübten wirtschaftlichen Aussichten. Zuletzt musste die Türkei im Jahr 2014 ihre Wachstumsprognosen nach unten korrigieren. Die türkische Regierung bezifferte damals die Wachstumserwartungen auf 3,3 Prozent, was ein Tiefpunkt war. Zurückzuführen sei dies auf die kreditbeschränkenden Maßnahmen, die in der Türkei seit 2014 gelten, so das Auswärtige Amt.
Dieser Trend könnte sich als taktgebend für die nächsten Wahlen erweisen. Trotz solider Staatsfinanzen und einer vorbildlichen Schuldenlast ist die Regierungspartei AKP auf einen anhaltenden Rückhalt in der Bevölkerung angewiesen. Gerade die größte türkische Oppositionspartei CHP hatte sich in der Vergangenheit auf ihre sozial-demokratischen Wurzeln besonnen und sich als Partei des kleinen Mannes dargestellt, so die Hurriyet. Damit steht sie in Konkurrenz zur AKP, die eine Zweidrittelmehrheit anstrebt, um die Verfassung ändern zu können. Das politische System der Türkei wurde dann zu einem präsidentiellen Regierungssystem tendieren, das Erdoğan zahlreiche neue politische Kompetenzen bescheren würde.