Politik

Rache an Merkel: EU will nationale Geheimdienste kontrollieren

Lesezeit: 2 min
03.05.2015 01:45
Unter der Führung von Europol soll ein „Europäisches Zentrum zur Terrorismus-Bekämpfung“ entstehen. Die Europäische Polizeiagentur soll die Daten der einzelnen Inlandsgeheimdienste erhalten. Die Aktion erweist sich als Retourkutsche für die Ausspähungen, die Deutschland im Auftrag der Amerikaner an der EU-Kommission und Frankreich durchgeführt hat.
Rache an Merkel: EU will nationale Geheimdienste kontrollieren

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die EU-Kommission kündigt den Aufbau eines „European Counter Terrorism Centre“ (ECTC) an. In der veröffentlichten Sicherheitsagenda heißt es: Die Mitgliedsstaaten hätten zwar die Hauptverantwortung für die eigene innere Sicherheit, sind aber nicht in der Lage, diese auch alleine aufrechtzuerhalten.

Faktisch bedeutet diese Initiative, dass die EU in den Besitz der Daten der nationalen Geheimdienste gelangen will. Nach den jüngsten Enthüllungen könnte sich diese Maßnahme als veritable Retourkutsche für Angela Merkel erweisen, die wegen der Ausspähung der EU-Kommission und Frankreichs durch den BND unter Beschuss geraten ist. Wenn nämlich die EU die Daten des BND erhält, wird es für den deutschen Nachrichtendienst schwerer, Ausforschungen der Freunde und Verbündete, die im Auftrag der NSA durchgeführt werden, zu verbergen.

Die Initiative heißt freilich nicht offiziell „zentraler EU-Geheimdienst“, sondern gibt vor, sich mit allen Kräften dem Kampf gegen den Terror zu widmen.

„Die Herausforderungen sind nicht neu, aber sie werden immer vielfältiger und komplexer. Wir müssen es besser machen. Unsere bestehenden Maßnahmen zur Strafverfolgung und die Methoden der Zusammenarbeit reichen nicht aus“, zitiert der EUobserver den Vizepräsident der Kommission Frans Timmermans.

Daher müsse die EU-Agenda für Sicherheit eine gemeinsame Agenda der Union und der Mitgliedsstaaten sein. Im Ergebnis soll dann ein EU-Bereich zur inneren Sicherheit stehen, heißt es in dem Dokument.

Gemäß der neuen Strategie sollen die europäische Strafverfolgungsbehörde (Europol), die Einheit für justizielle Zusammenarbeit (Eurojust) und der Grenzschutz Frontex künftig noch enger zusammenarbeiten.

Das neue europäische Anti-Terror-Zentrum wird bei Europol angesiedelt, um „ausländische terroristische Kämpfer, die Finanzierung des Terrorismus, gewalttätige extremistische Online-Inhalte und den illegalen Handel mit Schusswaffen zu bekämpfen“, so die Agenda zu den Aufgaben des Zentrums.

Die Mitgliedsstaaten sollen die Daten liefern, mit denen das Anti-Terror-Zentrum arbeitet. Sie wurden daher schon aufgefordert, ihre Teilnahme am Schengener Abkommen, den Systemen zum Austausch von Fingerabdrücken und Autokennzeichen als auch den europäischen Straf- und Polizeiregistern zu verbessern.

„Mittlerweile schlägt auch die EU-Kommission die Einrichtung eines ‚Antiterrorzentrums‘ bei Europol vor. Die Polizeiagentur in Den Haag soll fortan Daten auch von Inlandsgeheimdiensten erhalten und verarbeiten. Das würde kritikwürdige Einrichtungen wie die deutschen Verfassungsschutzämter aber weiter aufwerten“, kommentierte der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko die Plänen der EU-Kommission.

„Das ECTC wurde zuerst von Gilles Kerchove, dem Antiterrorkoordinator der EU, vorgeschlagen. Kerchove folgt dabei dem Vorbild des deutschen ‚Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum‘ in Berlin-Treptow. Dass dort Geheimdienste und Polizeien unter Missachtung des Trennungsgebotes unter einem Dach zusammenarbeiten kritisiert unsere Linksfraktion seit Jahren. Ein ‚Antiterrorzentrum‘ der EU lehnen wir deshalb ebenso ab.

Vermutlich wird die Bundesregierung dem Vorschlag ebenfalls kritisch gegenüberstehen. Dabei geht es allerdings um die Wahrung der Geheimdienstzusammenarbeit über informelle Netzwerke. Geheimdienstliche Informationen werden von deutschen Verfassungsschutzämtern in der ‚Counter Terrorism Group‘ und im ‚Berner Club‘ getauscht. Beide sind kaum kontrollierbare Vereinigungen mit Stammtischcharakter.

Die Linksfraktion fordert die Auflösung der deutschen Verfassungsschutzämter. Die Bundesregierung muss endlich beauskunften, in welchem Umfang sie sich an den dubiosen Strukturen der ‚Counter Terrorism Group‘ und des ‚Berner Club‘ beteiligt.“

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...