Politik

Queen Elizabeth II. sieht gefährliche Spaltung in Europa

Lesezeit: 3 min
25.06.2015 02:16
Königin Elizabeth II. sieht die Gefahr einer Spaltung in Europa. Sie ist überzeugt, dass Deutschland und das Vereinigte Königreich nach dem Zweiten Weltkrieg vollständig ausgesöhnt sind. Die Rede der Queen im Wortlaut.
Queen Elizabeth II. sieht gefährliche Spaltung in Europa

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Königin Elizabeth II. hat zu ihrem fünften Staatsbesuch die Bedeutung der Beziehung zwischen Großbritannien und Deutschland gewürdigt. Die Rede im Wortlaut::

«Prinz Philip und ich möchten Ihnen und Frau Schadt für den herzlichen Empfang danken, den Sie uns zum Auftakt unseres fünften Staatsbesuchs in Deutschland bereitet haben. In den 50 Jahren seit unserem ersten Besuch haben unsere Länder viele tiefgreifende Veränderungen durchlebt. Ich freue mich sehr, feststellen zu können, dass eine der unumkehrbaren Veränderungen zum Guten, die ich erlebt habe, die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland sind.

Herr Bundespräsident, Staatsoberhäuptern kommt in der nationalen Erinnerungskultur eine führende Rolle zu. In diesem Jahr begehen wir in jedem Monat entweder den 100. Jahrestag eines bedeutenden Ereignisses des Ersten Weltkriegs, den 70. Jahrestag eines Meilensteins zum Ende des Zweiten Weltkriegs oder, hier in Deutschland, 25 Jahre Wiedervereinigung nach dem Fall der Mauer, die diese Stadt und dieses Land so lange geteilt hat.

Heute Abend möchte ich sogar noch etwas weiter zurückblicken. Letzte Woche habe ich auf einer Auenwiese an der Themse an einer Veranstaltung zum 800. Jahrestag der Magna Carta teilgenommen. Die genauen Umstände von 1215 sind, wie bei anderen weit zurückliegenden Ereignissen, natürlich umstritten. Unumstritten sind jedoch die Folgen des Abkommens zwischen König Johann und seinen Baronen: zum ersten Mal verankerten wir in England den Grundsatz, dass niemand über dem Gesetz steht und dass der Einzelne ebenso Rechte hat wie der Herrscher. So begann der langwierige und zuweilen stockende Prozess der Entwicklung unseres Landes zu einer Demokratie.

Morgen werde ich die Paulskirche besuchen, in der 1848 die erste frei gewählte Legislative in Deutschland tagte. Die Hoffnungen, die das Frankfurter Parlament erweckte, erwiesen sich als trügerisch; es brauchte noch ein weiteres Jahrhundert und die verlorenen Kriege, die schrecklichsten der Geschichte, um Deutschland auf den Weg der Demokratie zu bringen.

Dieses Jahr sind meine Cousins nach Deutschland gekommen, um mit Ihnen, Herr Bundespräsident, jüngere und schmerzlichere Jahrestage zu begehen. Der Herzog von Kent war in Dresden, der Herzog von Gloucester in Bergen-Belsen. Ich selbst werde Bergen-Belsen am Freitag besuchen. Diese Besuche unterstreichen die vollständige Aussöhnung zwischen unseren Ländern.

Deutschland hat sich mit allen seinen Nachbarn versöhnt. Ich würdige die Leistung der deutschen Staatsmänner, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg neu erfunden und Europa mit wiederaufgebaut haben. 1958 empfing ich Bundeskanzler Adenauer auf Schloss Windsor. Er lehnte die Idee eines neutralen Deutschlands ab, wollte es lieber im Westen verankern. Seine Nachfolger stellten sich der Herausforderung, Deutschland als Mitglied aller Institutionen Europas und der westlichen Welt wiederzuvereinigen.

Großbritannien zählt sich seit 1945 zu den engsten Freunden Deutschlands in Europa. In den Jahrzehnten, die seither vergangen sind, haben Großbritannien und Deutschland so viel erreicht, indem sie zusammengearbeitet haben. Ich bin voller Zuversicht, dass wir dies auch in den kommenden Jahren tun werden.

Seit der Wiedervereinigung Berlins und Deutschlands hat es viel zu feiern gegeben. Heute habe ich mit Ihnen, Herr Bundespräsident, eine Bootsfahrt auf der Spree unternommen. Ich habe weniger Baukräne gesehen als bei meinem letzten Besuch hier 2004. Aber noch immer ist das schönste Element der Berliner Skyline die Kuppel des Reichstags, eine bleibende Erinnerung an unsere kulturelle Kooperation. Unsere Zusammenarbeit umfasst sämtliche Bereiche des Lebens, von der Politik bis zum Handel, von der Industrie bis zu allen Aspekten der Kultur – insbesondere Musik, Museen und Bildung.

Ein wunderbares Beispiel für die Partnerschaft in Lehre und Forschung haben wir heute Nachmittag bei unserem Besuch in der Technischen Universität gesehen. Die Begeisterung und das Interesse unserer Studenten und jungen Leute für die Ideen und Arbeit der anderen ist unser größtes Kapital: Die junge Generation hat eine Unbefangenheit gegenüber sich selbst und ihren Mitmenschen in ganz Europa, wie dies früher nie der Fall war.

Großbritannien hat sich auf seinem Kontinent immer sehr engagiert. Selbst als unser Blick hauptsächlich auf andere Teile der Welt gerichtet war, spielten Briten eine wichtige Rolle in Europa. Im 19. Jahrhundert gründete ein walisischer Ingenieur namens John Hughes im Russischen Reich eine Bergbaustadt, das heutige Donezk in der Ukraine. Und im 17. Jahrhundert zog ein schottischer Schankwirt namens Richard Cant mit seiner Familie nach Pommern; sein Sohn ging noch weiter ostwärts nach Memel, und sein Enkel zog dann ins südlichere Königsberg, wo Richards Urenkel, Immanuel Kant, geboren wurde.

Herr Bundespräsident, wir haben unseren Kontinent in unserem Leben von seiner schlechtesten, aber auch von seiner besten Seite kennengelernt. Wir haben erlebt, wie schnell sich die Dinge zum Guten wenden können. Wir wissen aber auch, dass wir uns ernsthaft anstrengen müssen, die positiven Veränderungen in der Welt seit dem Krieg zu erhalten. Wir wissen, dass Spaltung in Europa gefährlich ist und dass wir uns davor in Acht nehmen müssen, im Westen wie auch im Osten unseres Kontinents. Dies bleibt unser gemeinsames Bestreben.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich zu erheben und auf das Wohl des Bundespräsidenten und des deutschen Volkes zu trinken.»


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