Politik

Deutsche Unternehmen: Russland-Sanktionen verfehlen politische Wirkung

Lesezeit: 2 min
31.07.2015 17:54
Die deutschen Unternehmen in Russland sind zu 75 Prozent der Meinung, dass die Sanktionen der EU keine politische Wirkung erzielt haben. Allerdings schaden sie den Unternehmen massiv: 85 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung der Wirtschaftslage – allerdings auch wegen anderer Faktoren wie etwa den niedrigen Preisen für Rohstoffe und der Verfall des Rubel.
Deutsche Unternehmen: Russland-Sanktionen verfehlen politische Wirkung

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) hat in einer Umfrage im Juni und Juli 2015 die Unternehmen nach ihrer Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage, den Erwartungen für die Zukunft und zu den Auswirkungen der Sanktionen befragt.

Von den Wirkungen der beiderseitigen Sanktionen ist mittlerweile fast die Hälfte aller Unternehmen betroffen. Diese Zahl hat sich seit Einführung der Sanktionen kontinuierlich vergrößert. Trotzdem haben die Unternehmen nach wie vor Zweifel an der Zielrichtung dieses Instrumentariums. „Die politische Wirkung der Sanktionen halten unverändert drei Viertel der Unternehmen für nicht gegeben. Einfluss auf die Wirtschaft entfalten vor allem die Finanzmarktsanktionen, die beiden Seiten, Deutschen wie Russen, das Geschäft erschweren. Allerdings ist die schwache wirtschaftliche Gesamtsituation in Russland vielmehr dem niedrigen Ölpreis und den versäumten Strukturreformen geschuldet. Die Sanktionen verstärken diesen Trend nur, sie sind nicht der Auslöser“, sagt Rainer Seele, Präsident der AHK.

85 Prozent der Firmen beurteilen die Wirtschaftsentwicklung in Russland negativ oder leicht negativ. Das ist das schlechteste Ergebnis seit Existenz der Umfrage zum Geschäftsklima. Befragt nach den Auswirkungen auf das eigene Geschäft zeigt sich eine sehr breite Streuung: von Zuwächsen von mehr als 50 Prozent im ersten Halbjahr 2015 und für das Gesamtjahr bis hin zu Rückgängen in der gleichen Größenordnung. „In einem insgesamt sehr schwierigen Marktumfeld behauptet sich die deutsche Wirtschaft in Russland erfreulich robust. Knapp 20 Prozent der Unternehmen gehen von einem positiven Jahresergebnis für 2015 aus. Auf Rubelbasis wären es noch deutlich mehr. Damit ist auch die augenblicklich größte Herausforderung für die Wirtschaft beschrieben: der schwache Rubelkurs“, so Seele.

Die Unternehmen sind am stärksten von der Abwertung des Rubel und der Volatilität der russischen Währung betroffen. Das in besonderem Maß, da auch die Gesamtwirtschaft sich unterdurchschnittlich entwickelt. Dieser Eindruck wird von der Unsicherheit über die Marktentwicklung und die politischen Rahmenbedingungen noch verstärkt. Die Bandbreite der Einflussfaktoren ist groß: Sie reicht vom Zugang zu Finanzierungen über steigenden Protektionismus bis zu veränderten Ausschreibungsbedingungen und der allgemeinen Orientierung des russischen Staates nach Asien. Die Firmen reagieren darauf mit Anpassungen ihrer Projekte und Strategien.

Ein Drittel hat oder wird Personal in Russland freisetzen müssen. Trotz dieser Rahmenbedingungen bleibt der russische Markt von strategisch hoher Bedeutung. Seele: „Die deutsche Wirtschaft bleibt dem russischen Markt treu. Wir beobachten das an der mit 6.000 unverändert hohen Zahl deutscher Unternehmen in Russland. Aber auch daran, dass über ein Viertel der befragten Firmen plant, in Russland zu lokalisieren. Für knapp drei Viertel ist Russland unter den Top Ten der Zielmärkte, für 25 Prozent sogar auf Platz eins.“

Im Vergleich zum Jahresbeginn zeigen sich jedoch auch einige positive Tendenzen. Die Prognosen aller Institute für die Wirtschaftsentwicklung bis Ende 2015 haben sich im Laufe der letzten Monate verbessert. Für das Gesamtjahr wird mit einer geringeren Rezession in Höhe von etwa minus drei Prozent gerechnet. Mit einiger Sicherheit wird sich Russland im Laufe des nächsten Jahres wirtschaftlich konsolidiert haben. Die Arbeitslosenzahlen sind auf niedrigem Niveau, Inflation und Verbraucherpreise sind rückläufig, der Leitzins ist von in der Spitze 17 Prozent wieder auf 11,5 Prozent gesunken. Kredite werden damit langsam wieder günstiger.

Die deutschen Unternehmen haben nach einer Phase der Anpassung an die Situation jetzt wieder mehr Vertrauen in den Markt. Allein die 158 Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, stehen für 67.000 Arbeitsplätze in Russland und einen Jahresumsatz von 13,4 Milliarden Euro und Investitionen in den russischen Markt. „Investitionen von über 900 Millionen Euro in den kommenden Jahren zeigen deutlich, dass das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Tragfähigkeit des russischen Marktes ungebrochen hoch ist.“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Präsident: Zinssenkungspfad unklar, digitaler Euro erstrebenswert
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Politik
Politik Chinesische Spionage: Verfassungsschutz mahnt Unternehmen zu mehr Vorsicht
24.04.2024

Der Verfassungsschutz warnt vor Wirtschaftsspionage und Einflussnahme aus China. Vor allem für deutsche Unternehmen wäre eine naive...

DWN
Panorama
Panorama Fahrraddiebe nehmen vermehrt teure E-Bikes und Rennräder ins Visier
24.04.2024

Teure E-Bikes und Rennräder sind seit Jahren immer häufiger auf den Straßen zu sehen - die Anzahl von Diebstählen und die...

DWN
Technologie
Technologie KI-Hype in Deutschland: Welle von neuen Startups formiert sich
24.04.2024

Obwohl die Finanzierung von Jungfirmen allgemein ins Stocken geraten ist, werden in Deutschland gerade unzählige KI-Startups gegründet....

DWN
Politik
Politik USA kündigen massive Waffenlieferungen in die Ukraine an - Selenskyj äußert Dank
24.04.2024

Der US-Kongress hat die milliardenschweren Ukraine-Hilfen gebilligt. Jetzt könnte es laut Pentagon bei der ersten Lieferung sehr schnell...