Unternehmen

Deutsche Industrie kritisiert globale OECD-Steuerregeln

Lesezeit: 2 min
12.10.2015 00:01
Insgesamt 61 Staaten haben sich auf einen 15-Punkte-Plan zum Stopfen von Steuer-Schlupflöchern verständigt. Die OECD spricht von der größten Änderung im Steuerrecht seit fast einem Jahrhundert. Die deutsche Industrie aber kritisiert den Vorstoß. Für deutsche Unternehmen soll es erhebliche Nachteile beinhalten.
Deutsche Industrie kritisiert globale OECD-Steuerregeln

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Für internationale Konzerne wird es künftig schwieriger, mit Steuertricks den Fiskus um Milliarden zu prellen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) legte am Montag in Paris einen 15-Punkte-Plan gegen Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen vor. Damit sollen legale Schlupflöcher, die globale Konzerne wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks zur Senkung ihrer Steuerlast legal nutzen, gestopft werden. Undurchsichtige Finanzströme, unfaire Rabatte und Modelle über Briefkastenfirmen sollen der Vergangenheit angehören.

Durch Gewinnverschiebungen - das «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS) - gehen den Staaten jährlich schätzungsweise 100 bis 240 Milliarden US-Dollar verloren. Dies wollen die Top-Wirtschaftsmächte nicht mehr hinnehmen. Die Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen das Paket Ende der Woche am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Lima beschließen. Der Industrieverband BDI kritisierte, die Vorschläge enthielten für deutsche Unternehmen mehr Risiken als Chancen.

Multis erzielen zwar hohe Gewinne. Sie verschieben aber Erlöse und Aktivitäten solange von Hochsteuer- in Tiefsteuerländern hin und her, dass sie kaum oder keine Ertragsteuer zahlen. Dabei nutzen sie auch international nicht abgestimmte Steuerregeln und nationale Begünstigungen. Ziel von OECD und G20 ist es, dass dort, wo die Geschäfte gemacht werden, auch angemessen Steuern anfallen.

OECD-Generalsekretär Angel Gurría sagte: „Die Maßnahmen ... bedeuten für das internationale Steuerrecht die größte Veränderung seit fast einem Jahrhundert.“ Sie ermöglichten es, die Besteuerung besser mit den tatsächlichen Wirtschaftsaktivitäten in Einklang zu bringen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach von einem «Meilenstein». 62 Staaten hätten sich verständigt.

Unter anderem müssen multinationale Konzerne nach Ländern aufgeschlüsselte Kennziffern vorlegen, die die Finanzbehörden der Länder „unter Wahrung des Steuergeheimnisses“ untereinander austauschen können. Steuerverwaltungen erhalten den Angaben zufolge zum ersten Mal ein umfassendes Bild von den Wirtschaftsaktivitäten multinationaler Unternehmen geben wird.

Neben Offenlegungsregeln sind auch Grundsätze zur Besteuerung von Internet-Firmen und Online-Händlern, Berichtspflichten und Schiedsgerichte bis hin zu Offenlegungsregeln geplant. Einige Regeln müssen noch von den Parlamenten der Länder beschlossen werden. Staaten werden aber auch künftig mit Steueranreizen werben. Kritiker gehen davon aus, dass der Unterbietungswettlauf bei Steuern anhält.

BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber kritisierte, die deutschen Regelungen im Unternehmensteuerrecht gingen weiterhin deutlich über die internationalen Standards hinaus. Risiken bestünden bei dem Plan, „umfangreiche Steuerdaten und betriebswirtschaftliche Daten der Unternehmen“ zwischen den Finanzverwaltungen auszutauschen: „Damit werden das Steuergeheimnis und die Vertraulichkeit von Geschäftsdaten bedroht.“ Die OECD-Vorschläge enthielten zudem eine für Deutschland „nachteiligere Steuerverteilung“.

Die Staats- und Regierungschefs der G20 werden das Paket bei ihrem Gipfel Mitte November in Antalya endgültig billigen. Danach müssen einige Maßnahmen noch in nationales Recht umgesetzt werden.

Die 500 größten US-Konzerne bunkern einer Studie zufolge aus Steuergründen mehr als 2,1 Billionen Dollar an Gewinnen im Ausland. Bei einer Rückführung müssten sie zusammen 620 Milliarden Dollar an den amerikanischen Staat abführen, hieß es in der am Dienstag veröffentlichten Erhebung zweier Nicht-Regierungsorganisationen. Die größte Einzelsumme in Übersee hält demnach Apple mit 181,1 Milliarden Dollar.

Der iPhone-Hersteller müsste bei einem Transfer des Geldes in die Heimat mehr als 59 Milliarden Dollar Steuern zahlen. Grundlage der Studie sind Unterlagen, die die Unternehmen bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht haben. Bei 57 Konzernen lasse sich daraus ableiten, dass sie etwa sechs Prozent Steuern im Ausland zahlten, verglichen mit einem Unternehmenssteuersatz von 35 Prozent in den USA, hieß es. Das linksgerichtete Center for Tax Justice und der U.S. Public Interest Research Group Education Fond riefen in der Studie den Kongress in Washington auf, der Praxis per Gesetz einen Riegel vorzuschieben. Damit würde das Steuersystem fairer werden, das Haushaltsdefizit könne verringert werden und auch die Märkte würden besser funktionieren.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

 


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Erholung der deutschen Wirtschaft verzögert sich
29.03.2024

Europas größte Volkswirtschaft kommt nicht richtig in Fahrt. Die Aussichten für die nächsten Monate sind nach Experteneinschätzung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Reiseziele: So manche Überraschung im Sommerflugplan
29.03.2024

Ab Ostern tritt an den deutschen Flughäfen der neue Sommerflugplan in Kraft. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten haben für Sie als Leser...

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betrachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...