Die erste Jahresbilanz des neuen Deutsche-Bank-Chefs John Cryan fällt tiefrot aus. Vor Steuern steht für 2015 ein Verlust von 6,1 Milliarden Euro zu Buche, wie Deutschlands größtes Geldhaus am Mittwochabend mitteilte. Das ist weit mehr, als Analysten im Schnitt erwartet hatten. Unter dem Strich beläuft sich das Minus auf 6,7 Milliarden Euro. So schlecht hatte die Bank nicht einmal auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 abgeschnitten. Grund sind nach wie vor schwelende Rechtsstreitigkeiten. Zudem hat Cryan der Deutschen Bank einen weiteren teuren Umbau verordnet. In einem Brief an die Mitarbeiter rechtfertigte er das Großreinemachen: "Die genannten Belastungen sind die Konsequenz aus den notwendigen Entscheidungen, die wir im Rahmen der Strategie 2020 getroffen haben", erklärte er. Diese Entscheidungen würden die Bank einfacher und effizienter machen.
Cryan hatte bereits im Herbst gewarnt, wenn kein Wunder geschehe, werde die Deutsche Bank im Gesamtjahr einen Verlust ausweisen. Die Dividende strich er deshalb vorsorglich und auch die Beschäftigten müssen sich auf Einschnitte einstellen - etwa bei den sonst so üppigen Bonuszahlungen. Details zum abgelaufenen Geschäftsjahr will der neue Mann an der Spitze zwar erst am 28. Januar präsentieren. Doch schon jetzt ist klar, dass die Deutsche Bank weit davon entfernt ist, wieder in ruhiges Fahrwasser zu kommen und Anleger weiter viel Geduld brauchen: Noch immer sind nicht alle juristischen Altlasten aus der Finanzkrise, etwa US-Hypothekenklagen, abgeräumt. Die Rückstellungen für solche und andere Skandale belaufen sich nun im Gesamtjahr auf 5,2 Milliarden Euro - allein im Schlussquartal kam noch einmal eine gute Milliarde dazu. Und ein Ende dieser Belastungen ist Insidern zufolge auch in diesem Jahr nicht absehbar.
Außerdem hat Cryan der renditeschwachen Bank eine radikale Schrumpfkur verordnet. Dazu gehört der Abbau von netto 9000 Stellen im Konzern. Knapp die Hälfte davon entfällt auf Deutschland und das hiesige Privatkundengeschäft. Hier werden - wegen geplanter Abfindungen - Kosten von rund einer Milliarde Euro erwartet, die ebenfalls schon ins Schlussquartal gebucht wurden. Von Oktober bis Dezember steht deshalb gleichfalls ein Verlust zu Buche: vor Steuern beläuft er sich auf rund 2,7 Milliarden Euro, nach Steuern auf 2,1 Milliarden.
Probleme gibt es aber auch im Tagesgeschäft, insbesondere im Investmentbanking, wie die Deutsche Bank einräumte. Details nannte sie zwar nicht, sondern sprach lediglich von "herausfordernden Marktbedingungen", die zu einem Ertragsrückgang zum Jahresende beigetragen hätten. Aber die Bilanz vom Erzrivalen Goldman Sachs hatte in dieser Woche das gesamte Ausmaß der Misere gezeigt: Der einst so lukrative Handel mit festverzinslichen Wertpapieren steckt dauerhaft in der Krise. Cryan will dieses Geschäft zwar zurückfahren, um das knappe Kapital zu schonen. Doch noch ist die Deutsche Bank hier ein großer Spieler und dürfte entsprechend hart getroffen werden.
Die Anleger haben den Glauben an eine schnelle Genesung des Patienten offenbar verloren: Die Deutsche-Bank-Aktie gab am Mittwoch sechs Prozent nach auf 17,78 Euro und notierte damit so niedrig wie zuletzt im März 2009