Politik

Bundesbank fordert weitgehende Aufgabe der deutschen Souveränität

Lesezeit: 2 min
08.02.2016 08:03
Die Deutsche Bundesbank macht sich überraschend zum Vorreiter einer weitgehenden Aufgabe der fiskalpolitischen Souveränität Deutschlands. Gemeinsam mit der französischen Notenbank sieht sie die Lösung der Euro-Krise in einer massiven Zentralisierung der Befugnisse auf EU-Ebene.
Bundesbank fordert weitgehende Aufgabe der deutschen Souveränität

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Notenbankchefs von Frankreich und Deutschland fordern eine Reform der Euro-Zone. Francois Villeroy de Galhau und Jens Weidmann plädieren in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung für die Schaffung eines Euro-Staats - auch wenn die Notenbanker dies nicht ausdrücklich so nennen. Doch die weitreichenden Veränderungen, die sie vorschlagen, würden zu einem solchen staatlichen Gebilde führen. Die Euro-Zone kann aus Sicht des Bundesbankpräsidenten und es Präsidenten der Banque de France nur gerettet werden, indem die Euroländer "in erheblichem Maße Souveränität und Befugnisse auf die europäische Ebene übertragen". Die Währungsunion stehe angesichts der hohen Defizite und wirtschaftlichen Ungleichgewichte unter ihren Mitgliedern "ganz eindeutig an einem Scheideweg".

Die Lösung: "Eine stärkere Integration scheint der naheliegende Weg zu sein, um das Vertrauen in den Euro-Raum wiederherzustellen." Dazu fordern sie die Schaffung eines gemeinsamen Finanzministeriums, den Aufbau einer effizienten und weniger fragmentierten europäischen Verwaltung sowie die Bildung eines stärkeren politischen Gremiums, das politische Entscheidungen trifft und der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. "Diese neuen Institutionen könnten dafür sorgen, das Gleichgewicht zwischen Haftung und Kontrolle wiederherzustellen." Angesichts der Verschlechterung der öffentlichen Finanzen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte stehe Europa an einem Scheideweg, schrieben die beiden Zentralbankchefs.

Aus Sicht der Deutschen Bundesbank verwundert dieser Vorstoß, zumal er zu Ende gedacht, auch zur Auflösung der Bundesbank führen müsste. Wenn nämlich die Euro-Zone, wie vorgeschlagen, zu einem einheitlichen Staat wird, braucht es auch keine nationalen Notenbanken mehr. Das dürfte der Bundesbank im Laufe des Montagvormittags auch klar geworden sein: Eine Sprecherin der Bundesbank stellte am Montag klar, dass Weidmann mit dem Pressebeitrag keine Empfehlung für die eine oder andere Alternative abgebe: "Wir positionieren uns diesbezüglich neutral", erklärte sie. Bei den Überlegungen zu einem europäischen Finanzministerium handle es sich um eine "theoretische Alternative, die im gegenwärtigen Rahmen für wenig realistisch gehalten wird".

Aus französischer Sicht dagegen wäre eine gemeinsame Regierung mit gemeinsamer Haushaltsplanung sinnvoll. Die Franzosen fordern seit langem eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung, um die Lasten der hohen Sozialkosten in Frankreich auf breitere Schultern zu verteilen.

Der Plan einer integrierten Euro-Zone, wie er jetzt von den Zentralbankern vorgeschlagen wird, ist nicht neu: Er stammt von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und ist über 20 Jahre alt. Weidmann hat viele Jahre unter Angela Merkel die Wirtschaftspolitik im Kanzleramt betreut. Schäubles Plan sieht vor, dass Italien nicht an einem solchen Euro-Staat teilnehmen soll. Auch für Frankreich hatte Schäuble seinerzeit durchaus Vorbehalte geäußert, war jedoch davon ausgegangen, dass sich die Franzosen an eine stabilitätsorientierte Haushaltspolitik halten würden.

Die Regierung Hollande hat allerdings erwirkt, dass die Defizit-Grenzen von Maastricht für mehrere Jahre außer Kraft gesetzt wurden. Frankreich hatte zunächst die Arbeitslosigkeit, dann den Terror als Begründung für die Aufgabe der Disziplin angegeben. Italien hat erst vor wenigen Tagen erreicht, dass in der ganzen Euro-Zone höhere Defizite gemacht werden dürfen, wenn die Staaten die Flüchtlings-Krise als Grund für Mehrausgaben angeben.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Chef sieht Zinssenkungspfad unklar und plädiert für digitalen Euro
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Technologie
Technologie Boom bei Gründungen von KI-Startups in Deutschland
24.04.2024

Obwohl die Finanzierung von Jungfirmen allgemein ins Stocken geraten ist, entstehen in Deutschland gerade unzählige KI-Startups. Im...

DWN
Politik
Politik USA kündigen massive Waffenlieferungen in die Ukraine an - Selenskyj äußert Dank
24.04.2024

Der US-Kongress hat die milliardenschweren Ukraine-Hilfen gebilligt. Jetzt könnte es laut Pentagon bei der ersten Lieferung sehr schnell...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Preiskrieg in China: Volkswagen im harten Wettbewerb der Elektroauto-Branche
24.04.2024

Volkswagen, lange Zeit der unangefochtene Marktführer in China, sieht sich nun einem intensiven Wettbewerb um den Elektroautomarkt...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
24.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Frauen in Tech-Berufen: Deutliches Ungleichgewicht trotz wachsender Nachfrage
24.04.2024

Der Frauenanteil in Berufen in den Bereichen Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist laut einer Studie niedrig....

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
24.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...