Weltwirtschaft

EU ignoriert Warnungen: Europas Stahl-Industrie droht das Ende

Lesezeit: 2 min
11.02.2016 00:12
Anders als die USA hat die EU trotz zahlreicher Warnungen aus der Branche bisher nichts unternommen, um die europäische Stahlindustrie gegen das Dumping aus China abzuschotten. Nun droht das Ende einer der wichtigsten Industrien - mit unabsehbaren Folgen für den Arbeitsmarkt in Europa.
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Grafik: Welt-Stahl-Produktion nach Ländern. (Quelle: World Steel Association)

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China führt, ob beabsichtigt oder nicht, einen Handels- und Währungskrieg gegen den Rest der Welt. Produzenten- und Exportpreise werden gefälscht, manipulierte Wechselkurs-Indizes fabriziert. Diese Praktiken wurden vom Internationalen Währungsfonds gedeckt, als China im November 2015 in den Währungskorb zugelassen wurde. In Wirklichkeit lädt China seine Überkapazität auf dem Weltmarkt ab und vernichtet mit einer gezielten Dumping-Politik Konkurrenten auf den Weltmärkten, dies strategisch und langfristig. Heute im Fokus: Die europäische Stahlindustrie.

Eine der ersten Industrien, die in ganz Westeuropa unmittelbar vor dem Kollaps steht, ist die Stahlindustrie. Der Grund ist einfach. Billiger, versteckt sogar hoch subventionierter chinesischer Stahl überschwemmt die weltweiten Stahlmärkte. China hat mit seiner kreditgetriebenen Blase viel zu große Kapazitäten auf die Beine gestellt, und verfolgt jetzt eine systematische Politik des ‚beggar-thy-neighbour’. China hat innert weniger Jahre eine Stahlindustrie aufgebaut, die an jedem Maßstab gemessen überdimensioniert ist. 2015 produzierte China mehr als die Hälfte des Stahls der Welt:

 

Wegen der schrumpfenden Binnennachfrage sind die hauptsächlich staatlichen Stahlproduzenten Chinas verstärkt in den Export umgestiegen. Die Exporte haben sich, nachdem sie von 2007 bis 2013 stagnierten, bis 2015 praktisch verdoppelt. 2016 dürft sich die Problematik weiter verschärfen, weil die Bautätigkeit einen ernsthaften Rückschlag erleiden wird. Praktisch alle anderen Stahlindustrien der Welt werden von den chinesischen Produzenten bedrängt, sei es auf ihren Heim-, sei es auf ihren traditionellen Exportmärkten. Die von China exportierte Menge übersteigt die gesamte Stahlproduktion des zweitgrößten Herstellerlandes Japan. Neben der Unterstützung über die Kreditvergabe durch die staatlichen Banken profitieren die chinesischen Hersteller von steuerlichen Subventionen sowie neuerdings von der Währungsabwertung. Die USA haben im Dezember 2015 Strafzölle gegen chinesische Stahlimporte verhängt.

 

Der Fall ist glasklar. Er ist der EU-Kommission von Branchenverbänden und zuständigen Wirtschaftsministerien in allen wichtigen europäischen Ländern seit Monaten mit allerhöchster Dringlichkeit dargelegt worden. Die Stahlindustrie ist ein wichtiger Bestandteil der industriellen Lieferketten etwa für die Automobilindustrie, den Maschinen- und Anlagenbau oder für den Bau- und Immobiliensektor. Ihr Verschwinden würde effektiv vor- und nachgelagerte Produktionsstufen und den ganzen industriellen Cluster in Europa schädigen, da teilweise hoch spezialisierte Schritte und Produkte notwendig sind. Doch die EU verhält sich wie schon in den vergangenen 15 Jahren. Sie macht nichts gegen das systematische Dumping chinesischer Hersteller, welche bereits andere große und wichtige Industrien in Westeuropa vernichtet haben. Die Textil- und Bekleidungsindustrie und die Schuh- und Lederwarenindustrie Italiens oder Portugals etwa, oder die Hersteller erneuerbarer Energietechnik in Deutschland und in Spanien. Stattdessen hofft man durch Stillhalten ein gutes Klima für Exporte in das Riesenreich zu schaffen.

Tragisch an der ganzen Geschichte ist, dass nach gut 15 Jahren unterbewertetem Yuan gegenüber dem Euro, nach Jahren eklatanter Verletzung von WTO-Richtlinien durch China, immer noch niemand auf politischer Ebene den Ernst der Lage erkannt hat. Die EU hat sich mit ihrer ‚Europe 2020’-Agenda im Jahr 2013 zum Ziel gesetzt, Europa zu reindustrialisieren und die Wertschöpfung des industriellen Sektors in Europa bis 2020 wieder von rund 15% auf 20% des BIP zu steigern. So wie die Kommission operiert, könnte die Industrie in Europa bis zu diesem Zeitpunkt ganz ins Museum gehören.

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