Politik

Renten-Krise: Deutsche müssen länger arbeiten, höhere Beiträge zahlen

Lesezeit: 2 min
16.04.2016 03:04
Die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren und die Mütterrente sorgt für eine große Umverteilung im Rentensystem, so der Ökonom Oliver Holtemöller. Weil die Rentenkassen immer mehr ausschütten müssen, werden die Beiträge in den nächsten Jahren sprunghaft ansteigen. Richtig schlimm wird es ab dem Jahr 2030.
Renten-Krise: Deutsche müssen länger arbeiten, höhere Beiträge zahlen

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Versäumnisse hat die Bundesregierung in Bezug auf die Renten gemacht?

Oliver Holtemöller: Man muss zuerst zwei Ebenen unterscheiden: Welche Leistung wird angehoben oder gesenkt – das ist eine politische Entscheidung – und, wie finanziert man das – das ist eine wirtschaftliche Entscheidung. Die beschlossene Rentenausweitung, also die abschlagfreie Rente ab 63 sowie die Mütterrente, waren politische Entscheidungen. Der Fehler ist hier, dass für die Mehrkosten die Beitragszahler der Gesetzlichen Rentenversicherung aufkommen müssen. Auf diese Weise findet eine Umverteilung innerhalb der Gruppe der gesetzlich Versicherten statt. Nehmen wir als Beispiel die Rente mit 63, auf die Anspruch hat, wer 45 Jahre Beitragszahler war. Diese Rentner haben ohnehin relative hohe Renten aufgrund der vielen Beitragsjahre. Finanziert wird diese Begünstigung durch einen geringeren durchschnittlichen Rentenanstieg, also von allen Rentnern – auch von solchen mit sehr geringen Renten.

Wer also Rentenleistungen anheben möchte, sollte auch offenlegen, wie und durch wen sie finanziert werden sollen. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass zum Beispiel eine Absenkung des Renteneintrittsalters negative Effekte auf das Verhältnis von Rentenempfängern zu Beitragszahlern hat.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Maßnahmen können getroffen werden, um die Renten abzusichern?

Oliver Holtemöller: Die eleganteste Lösung ist die Anhebung der Lebensarbeitszeit. Wir werden alle älter und es gibt immer weniger Kinder. Diese Zahlen werden sich nicht sprunghaft ändern. Es müssen drei Fragen geklärt werden: Wie hoch soll die Rente sein, wie lange soll die Rente ausgezahlt werden und wie hoch sollen die Beiträge sein. Das sind allesamt politische Fragen. Mit Leistungsausweitungen findet eine Umverteilung von den Arbeitenden zu den Rentnern statt. Wenn das der politische Wille ist, soll man den transparent machen.

Mit den drei Parametern lässt es sich dann relativ einfach rechnen: Aktuell beträgt die Durchschnittsrente gut 47 Prozent des Durchschnittlohns, und der Rentenversicherungsbeitrag beläuft sich auf 18,7 Prozent. Es ist vorgesehen, die Durchschnittsrente bis zum Jahr 2030 auf etwa 44 Prozent abzusenken, um den demografiebedingten Anstieg der Beiträge abzumildern; gerechnet wird hier mit gut 21 Prozent Beitrag im Jahr 2030. Wenn die Rente auf 47 Prozent des Durchschnittlohns bleiben soll, wie jüngst von der SPD gefordert, werden die Beiträge auf um die 25 Prozent steigen müssen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie wirkt sich der demografische Wandel in dieser Berechnung aus?

Oliver Holtemöller: Ab 2030 – bis dahin gehen die gängigen Berechnungen – wird es noch schlimmer. Als Berechnungsgrundlage kann man die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes bis 2060 heranziehen. Durch den demografischen Wandel ergeben sich folgende Beiträge: Wenn das Rentenniveau auf 44 Prozent gesenkt wird, dann werden etwa 30 Prozent Beiträge fällig, bei einem konstanten Rentenniveau 35 Prozent und sollten die Renten steigen, werden um die 40 Prozent des Lohns in die Rentenversicherung gehen müssen. Das ist dann natürlich nicht mehr machbar.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Auf wie viele Jahre sollte das Rentenalter angehoben werden?

Oliver Holtemöller: Das kann ich so pauschal nicht sagen. Die Menschen werden älter und viele wollen länger arbeiten. Das geht natürlich nicht in allen Berufen, da muss man Regelungen finden, aber an einer Anhebung des durchschnittlichen Rentenalters führt kein Weg vorbei.

Viele Rentner erhalten auch heute schon zu wenig ausbezahlt, um damit über die Runden zu kommen. Dagegen hilft nur eines: Qualifikation. Nur wer vernünftige Löhne erhält, kann auch genügend in die Rentenkassen einzahlen. Daher ist eine gute Ausbildung der sicherste Weg, um später einmal seinen Lebensstandard halten zu können. Hier muss man bereits im frühkindlichen Bereich anfangen, doch kein Politiker nimmt sich dieses Themas an, weil es einfach zu langwierig ist.

Oliver Holtemöller ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie Mitglied des Vorstands und Leiter der Abteilung Makroökonomik am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsch-chinesische Beziehung: So reagiert China auf Scholz’ Besuch
16.04.2024

Die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz nach China hat in den vergangenen Tagen die chinesischen Medien beschäftigt. Zum Abschluss seiner...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft IWF-Wachstumsprognose 2024: Deutschland bleibt weltweites Schlusslicht
16.04.2024

Für Deutschland hat der IWF in seiner neuen Prognose keine guten Nachrichten: Sie dürfte auch 2024 unter allen Industriestaaten am...

DWN
Politik
Politik Modernste Raketenabwehrsysteme: So schützt sich Israel gegen Luftangriffe
16.04.2024

Hunderte Raketen und Kampfdrohnen hatte der Iran am Wochenende nach Israel gefeuert. Dass dieser Angriff vergleichsweise glimpflich...

DWN
Politik
Politik Engpass bei Stromversorgung: Oranienburg zeigt Deutschland die Grenzen auf
16.04.2024

Noch ist es ein Einzelfall: Die Kleinstadt Oranienburg, nördlich von Berlin, kommt dem Bedarf ihrer Kunden nicht mehr umfänglich nach....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenabbau wegen KI: Jetzt trifft es auch die Hochqualifizierten
16.04.2024

Der zunehmende Einsatz von KI verändert viele Branchen grundlegend und wird in Zukunft eine Reihe von Berufen überflüssig machen. Davon...

DWN
Politik
Politik 365 Tage Schwarz-Rot in Berlin - weder arm noch sexy!
16.04.2024

Niemand war wohl mehr überrascht als Kai Wegner (CDU), dass er vor genau einem Jahr wie „Kai aus der Kiste" Regierender Bürgermeister...

DWN
Politik
Politik Scholz in China: Deutliche Worte bei Xi zum Ukraine-Krieg und Klimaschutz
16.04.2024

Auf der letzten Etappe seiner China-Reise traf Bundeskanzler Scholz seinen Amtskollegen Präsident Xi Jinping. Bei ihrem Treffen in Peking...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenrückgang: DAX im Korrekturmodus - Was Anleger wissen müssen
16.04.2024

Der DAX hat die Woche mit einer Erholung gestartet, doch diese wurde schnell zunichte gemacht. Die Unsicherheit an den Börsen erreicht ein...