Finanzen

USA gegen Europa: Verteilungskampf um die Renten hat begonnen

Lesezeit: 2 min
19.04.2016 02:04
Die Finanzierungslücke im amerikanischen Rentensystem ist einer Studie zufolge rund drei Mal größer als bislang gedacht. Die Situation ist gefährlich für das US-Establishment, weil wirtschaftliche Verwerfungen die Chancen der Außenseiter Donald Trump und Bernie Sanders erhöhen.
USA gegen Europa: Verteilungskampf um die Renten hat begonnen

Mehr zum Thema:  
Steuern > Rente > USA >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Steuern  
Rente  
USA  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der gesamte finanzielle Fehlbetrag im amerikanischen Rentensystem könnte mit rund 3,4 Billionen Dollar weitaus größer sein, als bislang von staatlichen Stellen zugegeben, wie Financial Times berichtet. Der FT zufolge weisen offizielle Statistiken „nur“ einen Fehlbetrag von über einer Billion Dollar aus. „Die Rentenprobleme drohen, die Budgets von Staaten und Gemeinden aufzubrauchen, wenn es zu keinen großen Änderungen kommt“, sagte der Verfasser der Studie, ein Professor an der Stanford Graduate School of Business.

Der Fehlbetrag birgt enorme Sprengkraft für die USA, weil er zu einer großen Anzahl an Insolvenzen von Gemeinden, Städten und Bundesstaaten führen und letztendlich auch die US-Regierung auf den Plan rufen könnte. Hohe Ausfälle im Rentensystem hatten bereits zur Insolvenz verschiedener Städte geführt – darunter auch die einst wohlhabende Industriestadt Detroit. „Wenn diese Pensionsfonds insolvent werden, werden sie Probleme von solch gravierenden Ausmaßen darstellen, dass die Bundesregierung sie retten muss“, sagt der Kongressabgeordnete.

Genau dies muss aus Sicht des US-Establishment unbedingt verhindert werden, weil eine Verschärfung der wirtschaftlichen Situation die alternativen Präsidentschafts-Bewerber Donald Trump und Bernie Sanders stärken würde. Trump und Sanders vertreten Ansichten, die den Interessen der amerikanischen Eliten zuwiderlaufen. Bis zu den Wahlen im November darf es aus ihrer Sicht deshalb zu keiner Entwicklung kommen, der das ohnehin hohe Protestpotential in der Bevölkerung weiter anfacht. So eine Entwicklung wäre die Erkenntnis vieler (künftiger) Rentner, dass die Auszahlung ihrer Renten fraglich ist.

In globaler Hinsicht herrscht zudem ein Interessenkonflikt zwischen amerikanischen und europäischen Pensionsfonds. Die Amerikaner haben das Geld ihrer Kunden größtenteils in die Aktienmärkte investiert, während europäische Fonds dazu neigen, Staatsanleihen zu kaufen. Für die amerikanische Seite stellen Negativzinsen deswegen kein Problem dar - im Gegenteil, diese dürften den Aktienmärkten neue Impulse bescheren, weil institutionelle Anleger wie Pensionsfonds so wenig Cash wie möglich halten werden.

Dagegen wächst in Europa die Kritik an niedrigen und negativen Zinsen, weil das gesamte Renditeniveau bei der Geldanlage gedrückt wird. Rentenfonds wird es in diesem Umfeld schwierig gemacht, Erträge zu erzielen. Das außergewöhnliche Treffen zwischen Präsident Obama und Fed-Chefin Yellen könnte vor diesem Hintergrund auch dem Zweck gedient haben, die Zentralbank von einer Anhebung der Zinsen im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen abzuhalten, um die Aktienmärkte und damit die amerikanischen Rentensysteme nicht weiter zu destabilisieren.

Der Studie zufolge haben Chicago, Dallas und Houston die größten Finanzierungslücken. Bei den Bundesstaaten seien dies Illinois, Arizona, Ohio und Nevada. Berechnet wurde außerdem, welcher durchschnittliche Prozentsatz an den öffentlichen Einnahmen ausgegeben werden müsste, um die Finanzierungslücken nicht noch weiter ansteigen zu lassen. Die Autoren der Studie gehen von rund 17,5 Prozent aus – derzeit geben Gemeinden, Städte und Bundesstaaten in den USA rund 7,3 Prozent in die Rentenprogramme ab.

Das besorgniserregende Ausmaß der Rentenlücken sei zustande gekommen, weil viele Rentenversicherungen und Fonds ihre Finanzbuchhaltung auf der Annahme gründen, dass sie jährlich zwischen 7 und 8 Prozent Rendite mit ihren Investitionen erwirtschaften – was angesichts des Niedrigzinsumfeldes illusorisch ist. Dadurch wächst der Zwang, Mehreinnahmen über Steuererhöhungen oder sonstige Abgaben zu generieren. Dies lässt sich politisch aber nur schwer durchsetzen, weil sich breite Schichten der amerikanischen Bevölkerung ohnehin schon in prekären Lebens- und Arbeitsverhältnissen befinden.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***


Mehr zum Thema:  
Steuern > Rente > USA >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - es fällt schwer, in deutschen Großstädten beim Angebot der Essenskuriere den Überblick zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...

DWN
Finanzen
Finanzen So wählt Warren Buffett seine Investments aus
25.04.2024

Warren Buffett, auch als „Orakel von Omaha“ bekannt, ist eine Ikone der Investment-Welt. Doch worauf basiert seine Investmentstrategie,...

DWN
Technologie
Technologie KI-Chips trotz Exportbeschränkungen: China sichert sich US-Technologie durch die Hintertür
25.04.2024

Trotz der US-Exportbeschränkungen für Hochleistungsprozessoren scheint China einen Weg gefunden zu haben, sich dennoch mit den neuesten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands Kriegswirtschaft: Putin geht das Geld nicht aus
25.04.2024

Russlands Wirtschaft wächst weiterhin, ist aber stark von der der Kriegsproduktion abhängig. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...