Politik

Ausverkauf unter Tsipras: Griechenland stimmt Renten-Kürzung zu

Lesezeit: 3 min
09.05.2016 00:11
Das griechische Parlament hat einer Rentenkürzung und höheren Steuern zugestimmt. Damit kann die EU am Montag den nächsten Kredit für das Land freigeben. Interessant: Weil die Preise wegen der jahrelangen Krise verfallen sind, interessieren sich seit neuestem wieder die Hedge-Fonds für griechische Werte.
Ausverkauf unter Tsipras: Griechenland stimmt Renten-Kürzung zu

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das griechische Parlament hat in der Nacht zum Montag ein neues Austeritäts-Programm beschlossen, das dem Land den Weg für weitere internationale Kredite ebnen soll. Nach einer zweitägigen hitzigen Debatte sicherte sich die Koalition von Ministerpräsident Alexis Tsipras ausreichend Stimmen für eine Annahme der umstrittenen Pläne, die Rentenkürzungen und Steuererhöhungen umfassen.

Tsipras verfügt im Parlament über eine knappe Mehrheit von 153 der 300 Abgeordneten. Alle Abgeordneten der links-geführten Koalition stimmten für das Sparpaket. Die Opposition griff die Regierung scharf an. Der Regierungschef habe "Hoffnung zu Verzweiflung" werden lassen, sagte ein Vertreter der sozialdemokratischen Pasok. Tsipras war im September mit dem Versprechen wiedergewählt worden, die Last der Sparanstrengungen für die Armen zu mildern und die Rentner zu schonen. Der Chef der konservativen Nea Dimokratia, Kyriakos Mitsotakis, sagte: "Die Maßnahmen werden ein Grabstein für die Wachstumsaussichten sein". Vor dem Parlament kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern des Sparprogramms und der Polizei.

Finanzminister Euklid Tsakalotos verteidigte das Vorhaben. Die Rentenreform werde die Reichen und nicht die Armen belasten. Das Programm sieht unter anderem eine nationale Rente in Höhe von 384 Euro pro Monat und eine Erhöhung der sogenannten Solidaritätssteuer vor. "Wir haben unser Versprechen gehalten, nun müssen der IWF und Deutschland eine tragbare Lösung finden, eine Lösung für die Schulden, die Investoren eine klare Zukunftsperspektive eröffnet", sagte Tsakalotos.

Am Montag wollen die Finanzminister der Eurozone in Brüssel darüber entscheiden, ob sie grünes Licht für weitere Kredite an Griechenland geben. Die Kredite sind notwendig, damit Griechenland seine Schulden bedienen kann. Eine Studie hat ergeben, dass nicht einmal 10 Prozent aller Kredite in den griechischen Haushalt geflossen sind.

Die Entwicklung hat aber nicht nur den Banken, dem IWF und der EZB genutzt: Seit einiger Zeit interessieren sich Spekulanten vermehrt für Griechenland.

"Es überrascht mich nicht, dass es wohl ein größeres Interesse an Griechenland gibt", sagt Zoeb Sachee, der bei der US-Großbank Citi den Handel mit europäischen Staatsanleihen leitet. "Seit dem Höhepunkt der Krise im vergangenen Sommer scheint sich die Lage dort stabilisiert zu haben." Vor einem Jahr drohte dem Land noch ein Austritt aus der Euro-Zone. Aktuell ist eine ähnliche Zuspitzung nicht absehbar, obwohl sich die Verhandlungen mit den Geldgebern über weitere Finanzspritzen erneut in die Länge ziehen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble äußerte sich jüngst optimistisch zu den Einigungschancen: In diesem Jahr werde es keine große Griechenland-Krise geben, sagte er voraus.

Einige Investoren gehen sogar davon aus, dass das Land nach sieben Jahren der Krise vor einer Erholung steht. Aus ihrer Sicht sind wichtige Grundlagen geschaffen. So hätten die griechischen Banken mittlerweile bessere Möglichkeiten, ihre faulen Kredite loszuwerden. Dafür sorgten die Rekapitalisierung der Geldhäuser im vergangenen Jahr sowie neue Insolvenzregeln.

"Es kommen zur rechten Zeit mehrere Dinge zusammen", erläutert Rudolf Bohli. Er ist Gründer und Chefstratege des Hedgefonds RBR Capital, der zuletzt einen Griechenland-Fonds aufgelegt und bereits mit dem Kauf von Aktien örtlicher Unternehmen begonnen hat. Erfolge mit einem derartigen Vorgehen kann RBR bereits vorweisen. Im Jahr 2012 hatte die Gesellschaft 30 Prozent Rendite eingefahren mit Wetten auf eine Konjunkturbelebung in Spanien.

Griechische Aktien sind mitunter zu historisch günstigen Preisen zu bekommen. Die Börse in Athen war im Februar auf ein Rekordtief gefallen. Dieses lag 85 Prozent unter dem 2007 erreichten Spitzeniveau. Andere Einstiegsgelegenheiten werden im Geschäft mit faulen Krediten gesehen, die in Griechenland rund 40 Prozent aller ausstehenden Darlehen ausmachen. Normalerweise sind Anleger hier zu Käufen zu bewegen, wenn sich der Preis auf lediglich 20 Prozent des Originalwerts beläuft. Der Hedgefonds PVE Capital will in diesem Jahr risikobehaftete Kredite in Griechenland erwerben, nachdem er dies schon in Italien getan hat. PVE-Gründer Gennaro Pucci setzt nach eigenen Worten insbesondere auf eine Bereinigung der Bankenbilanzen.

Auch die Hedgefonds Worldview Capital Management, VR Capital Group und Jabre Capital wollen von einer ökonomischen Genesung Griechenlands profitieren. Worldview plant dazu einen Spezialfonds, der in angeschlagene Unternehmen investiert. VR kauft Bankaktien. Und Jabre hat einen Fonds für "European Credit Opportunities" aufgelegt. "Die Preise für viele griechische Vermögenswerte befinden sich weiter auf dem Niveau zu Krisenzeiten und könnten deutlich nach oben gehen", sagt Jabre-Fondsmanager Farid Gargour.

Doch es bleiben Risiken. Die politische Situation ist angespannt. Die Reformpläne, die die Geldgeber der Regierung als Bedingung für die nächste Hilfszahlung über fünf Milliarden Euro auferlegten, sorgen für massive Proteste. Athen braucht das Geld, um im Juli Kredite abzahlen zu können und die zunehmenden Zahlungsrückstände des Staates zu begleichen. Hinzu kommt die Flüchtlingskrise.

Die seit langem erhoffte Wirtschaftserholung ist nicht ausgemacht. Der Milliardär und Hedgefonds-Manager John Paulson hatte bereits für 2013 den Tiefpunkt der Rezession vorausgesagt - und sich getäuscht, auch weil die Regierung mit den Gläubigern heftig zusammenrasselte. Mainstream-Investoren dürften daher weiterhin einen Bogen um Griechenland machen. "Auch wenn es dort ein großes Aufschwungspotenzial geben kann, bereiten uns die Gefahren eines weiteren Niedergangs immer noch Sorgen", sagte der führende Anlagestratege eines europäischen Pensionsfonds. "Wir haben andere Investitionsstandorte gefunden."

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Warum Kürzungen in der Flüchtlingspolitik nicht hilfreich sind
18.04.2024

Immer mehr Politiker und Wirtschaftsexperten fordern eine Neuanpassung der Asylpolitik. Aktuell finden kontroverse Maßnahmen wie...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Israel-Konflikt: Führt das Krisentreffen in Israel mit Baerbock und Cameron zur Deeskalation?
17.04.2024

Bei Gesprächen mit israelischen Politikern bemühen sich Annalena Baerbock und David Cameron, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den...

DWN
Politik
Politik Günstlingswirtschaft und Gefälligkeiten: Stephan Weil in Niedersachsen am Pranger
17.04.2024

In Berlin steht Kai Wegner (CDU) unter Verdacht, seine Geliebte mit einem Senatorenposten bedacht zu haben. Ursula von der Leyen (CDU)...

DWN
Technologie
Technologie Fluch oder Segen? – Was man aus Müll alles machen kann
17.04.2024

Die Welt ist voller Müll. In den Ländern des globalen Südens gibt es teilweise so viel davon, dass Menschen auf Abfallbergen ihr Dasein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen
17.04.2024

Deutsche Unternehmen klagen aktuell viel über die Umstände – und die Unternehmensinsolvenzen sind auch auf Rekordniveau. Ein Grund...

DWN
Politik
Politik Vor G7-Treffen: Baerbock warnt vor Eskalationsspirale im Nahen Osten
17.04.2024

Die Grünen-Politikerin hat vor einem Treffen der Gruppe sieben großer Industrienationen (G7) zu "maximaler Zurückhaltung" aufgerufen in...

DWN
Politik
Politik Die Zukunft der EU als Wirtschaftsstandort: DIHK-Befragung zeigt Stimmungstief
17.04.2024

Wie beurteilen Unternehmen die Lage der Europäischen Union? Eine Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Studie: Immer mehr Menschen heben Geld im Supermarkt ab
17.04.2024

Geldabheben beim Einkaufen wird in den Supermärken immer beliebter. Für Händler könnten die zunehmenden Bargeldauszahlungen jedoch...