Politik

Österreich: Grüner Van der Bellen wird neuer Bundespräsident

Lesezeit: 3 min
23.05.2016 17:03
Der frühere Parteichef der Grünen Alexander Van der Bellen wird neuer Bundespräsident in Österreich. Er schlug den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer denkbar knapp. Für die FPÖ ist die Wahl dennoch ein Meilenstein. Hofer könnte mit dem Erfolg der nächste Kanzlerkandidat der Freiheitlichen werden.
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Der frühere Parteichef der Grünen, Kandidat Alexander Van der Bellen, hat die Stichwahl zum Bundespräsidenten in Österreich gewonnen. Innenminister Wolfgang Sobotka teilte am Montag in Wien mit, nach Auszählung der Briefwahlstimmen habe der Ex-Chef der Grünen 50,3 Prozent der Stimmen gewonnen. Auf den Gegenkandidaten Norbert Hofer von der FPÖ entfielen demnach 49,7 Prozent. Ausschlaggebend für das Wahlergebnis waren die rund 700.000 Briefwahlstimmen. Den ersten Wahldurchgang hatte Hofer mit gut 35 Prozent der Stimmen gewonnen, Van der Bellen lag 14 Prozentpunkte hinter Hofer.

Van der Bellen war als unabhängiger Kandidat angetreten und nach dem überraschend klaren Erfolg Hofers in der ersten Runde eigentlich Außenseiter. Doch die DWN hatten bereits am Samstag prognostiziert, dass Van der Bellen gewinnen werde. Denn tatsächlich hatte sich in der letzten Phase des Wahlkampfs viele Indizien herauskristallisiert, die einen Sieg Van der Bellens wahrscheinlich erschienen ließen.

Der neue österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen will für eine anderen Umgang und eine neue Gesprächskultur in der Politik werben. So wie es jetzt sei, fühlten sich offenbar viele Menschen „nicht ausreichend gesehen oder gehört oder beides“, sagte der 72-jährige Wirtschaftsprofessor am Montagabend in seiner ersten Erklärung vor der Presse. „Wir werden eine andere Kultur brauchen“, meinte Van der Bellen. Die Politik dürfe sich nicht mehr so sehr mit sich selbst oder den Medien beschäftigen, sondern müsse sich den realen Sorgen und Nöten der Menschen zuwenden.

Er wolle in seiner sechsjährigen Amtszeit auch die Wähler seines Kontrahenten Norbert Hofer von der rechten FPÖ gewinnen. Statt von einem Graben, der Österreich trennt, spreche er lieber von zwei Hälften, die beide zu Österreich gehörten. „Die eine Hälfte ist so wichtig wie die andere“, sagte Van der Bellen mit Blick auf das knappe Wahlergebnis. 50,3 Prozent der Österreicher hatten für den Ex-Grünen-Chef gestimmt. Er werde als Zeichen seiner Überparteilichkeit von sofort an seine Mitgliedschaft bei den Grünen ruhend stellen, kündigte Van der Bellen an. Er wird am 8. Juli Nachfolger von Amtsinhaber Heinz Fischer.

Norbert Hofer hat auf Facebook seine Niederlage eingeräumt. Er schreibt:

„Liebe Freunde!

Ich bedanke mich für Eure großartige Unterstützung. Natürlich bin ich heute traurig. Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst. Ich werde Euch treu bleiben und meinen Beitrag für eine positive Zukunft Österreichs leisten.

Bitte seid nicht verzagt. Der Einsatz für diesen Wahlkampf ist nicht verloren, sondern eine Investition in die Zukunft.

Euer Norbert Hofer.“

Für die FPÖ ist das knappe Ergebnis dennoch ein großer Erfolg: Noch nie war ein FPÖ-Kandidat bei einer bundesweiten Wahl derart knapp an die 50-Prozent-Marke gekommen. Der Erfolg Hofers könnte auch dazu führen, dass die Position von Parteichef Heinz-Christian Strache in der FPÖ diskutiert wird. Es ist durchaus denkbar, dass die FPÖ bei den nächsten Nationalratswahl Hofer als Kanzlerkandidaten ins Rennen schickt. Hofer war vor der Wahl so gut wie unbekannt, die FPÖ galt stets als eine One-Man-Show des scharfen Strache, der mit seiner oft überzogenen Art allerdings auch viele Wähler verschreckt.

Mit dem gemäßigten Hofer könnte der Partei ein Kandidat zur Verfügung stehen, der weit in konservative und bürgerliche Kreise attraktiv ist. Dies könnte sich vor allem als Problem für die ÖVP erweisen, die mit ihrer Verhaftung in den Bünden und der ungebrochenen Macht des Landeshauptleute (Ministerpräsidenten) als Klientel-Partei wahrgenommen wird. Ihr erst kürzlich inthronisierter Spitzenmann Reinhold Mitterlehner hat nach einem guten Start viel an Ausstrahlung verloren und wirkt zeitweise zermürbt wegen der anhaltenden Grabenkämpfe in seiner Partei.

Auch für die Grünen könnte der Wahlsieg von Van der Bellen richtungsweisend sein: Van der Bellen hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Er ist undogmatisch und strahlt auf eine sehr spezielle Art eine gewisse Lockerheit aus. Dazu zählt auch, dass er sich bis zuletzt der politischen Fachsprache verweigerte. Seine Positionen sind allerdings eher synkretistisch, weshalb er in dieser Hinsicht nicht zur Schärfung des grünen Profils beitragen dürfte. Allerdings verkörpert er einen Politiker-Typ, der von Parteien unabhängig ist – auch, wenn er die Grünen viele Jahre geführt hat. In seiner frühen Jugend war er einmal bei der KPÖ und trat später den Freimaurern bei. Er sagte bei einer TV-Diskussion, dass er nicht mehr wisse, ob er noch bei den Freimaurern Mitglied sei. Auch diese Nonchalance verschaffte ihm Sympathien – und half ihm letztlich zu seinem historischen Wahlerfolg.


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