Die Nato will binnen zwei Wochen Schiffe und Flugzeuge ins Mittelmeer entsenden, um die EU-Marine-Mission „Sophia“ mit Lageinformationen und logistisch zu unterstützen, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag in Brüssel. Unklar ist dagegen, ob die gleichfalls wegen der Flüchtlingskrise geschaffene Nato-Mission in der Ägäis über das Jahresende hinaus verlängert wird. „Sophia“ und der Nato-Mittelmeereinsatz „Sea Guardian“ könnten sich gut ergänzen, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim Treffen mit ihren Nato-Kollegen in Brüssel. Ein gutes Lagebild sei „ein Riesenvorteil“ bei der Bekämpfung von Schleusernetzen und Waffenschmuggel.
Im Logistik-Bereich geht es insbesondere um die Versorgung der EU-Schiffe mit Treibstoff durch die Nato auf hoher See. Offen ist noch die Frage, ob die Militärallianz auch die Eskortierung von aufgebrachten Schiffen von Waffenschmugglern in EU-Häfen übernimmt, wo sie durchsucht werden sollen. Diese Entscheidung werde in den kommenden Wochen fallen, hieß es aus Nato-Kreisen. Die EU hatte die Ausweitung des „Sophia“-Einsatzes im Juni beschlossen. Nach der Rettung von Flüchtlingen aus Seenot und dem Vorgehen gegen Schleuserbanden bekam sie einerseits den Auftrag, Waffenschmuggler aufzuspüren. Ziel ist es, Lieferungen an die Terror-Miliz ISIS und andere Gruppen zu stoppen, die gegen die libysche Einheitsregierung kämpfen. Stoltenberg sagte, die Nato plane, Libyens Regierung in Zukunft beim Aufbau von Sicherheitsstrukturen zu unterstützen. Frankreich kämpft in Libyen bereits mit eigenen Truppen.
Der Vorstoß der Nato kommt zu einem Zeitpunkt, da sich die EU um den Aufbau einer eigenen Armee bemüht. Der Brexit-Beauftragte der EU-Kommission, Michel Barnier, erklärte im September in einem Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass die EU ihre Verteidigung nicht mehr den USA überlassen wolle. Das Vorgehen sei jedoch nicht gegen die Nato gerichtet.
Der zweite neue „Sophia“-Auftrag bezieht sich auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache, deren Start die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nun bekannt gab. Demnach werden in einem ersten Lehrgang 78 Libyer auf zwei EU-Schiffen geschult. Die EU erhofft sich durch den Wiederaufbau von Libyens Küstenwache mittelfristig eine deutliche Entspannung auf der Flüchtlingsroute über das Mittelmeer nach Italien. Anders als vor Libyen ist die Zukunft der Zusammenarbeit von EU und Nato in der Ägäis unsicher. Zwar ist der Einsatz zum Aufspüren von Schleuserbanden zwischen der Türkei und Griechenland laut von der Leyen nun „bis Ende des Jahres auf jeden Fall gesichert“.
Die Türkei machte Diplomaten zufolge klar, dass sie eine Verlängerung ins kommende Jahr bisher nicht für notwendig hält. Die Nato-Schiffe sammeln seit Februar angeblich Informationen über Schleusernetzwerke an der türkischen Küste. Das Bündnis gibt die Informationen dann an die griechische und türkische Küstenwache sowie die EU-Grenzbehörde Frontex weiter. Selbst geht die Nato nicht gegen die Schlepper vor. Von der Leyen warb für die Fortsetzung. Die Nato-Mission habe die Ankunftszahlen von Flüchtlingen in Griechenland von durchschnittlich 45.000 pro Monat zu Jahresbeginn auf zuletzt monatlich nur noch 2500 zurückgehen lassen, sagte sie. Türkische Vertreter argumentieren dem Vernehmen nach dagegen gerade mit diesem Erfolg und meinen, dass die Mission nun auslaufen könne. Der Einsatz galt von Anfang an als politisch schwierig. Dies liegt einerseits an dem traditionellen Misstrauen zwischen den Nato-Mitgliedern Türkei und Griechenland. Andererseits sieht sich Ankara auch einer kontinuierlichen Überwachung seiner Küste durch das Bündnis ausgesetzt
Währenddessen befinden sich auch weitere russische auf dem Weg ins Mittelmeer. Bei den Schiffen handele es sich unter anderem um den Flugzeugträger Admiral Kuznetsov, den Schlachtkreuzer Pjotr Velikij, das Anti-U-Boot-Kriegsschiff Severomorsk und den Zerstörer Vize-Admiral Kulakov. Sie alle wollen im östlichen Mittelmeer und vor der Küste Syriens anlegen.