Politik

Merkel will Flüchtlings-Deals mit anderen EU-Staaten schließen

Lesezeit: 2 min
18.06.2018 15:32
Bundeskanzlerin Merkel will versuchen, mit anderen EU-Staaten Deals über den Zuzug von Migranten und Flüchtlingen nach Deutschland zu schließen.
Merkel will Flüchtlings-Deals mit anderen EU-Staaten schließen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Bundeskanzlerin Angela Merkel will mit anderen EU-Staaten Deals abschließen, um die Zahl der nach Deutschland strebenden Migranten und Flüchtlinge zu reduzieren. Merkel sagte am Montag nach einer Sitzung von CDU-Präsidium und -Vorstand, sie habe "ein starkes Verhandlungsmandat" von ihrer Partei bekommen, bilateral mit anderen EU-Ländern Verhandlungen zu führen, wie mit über diese Länder zugewanderten Flüchtlingen umgegangen werden soll: "Nicht unilateral, nicht unabgesprochen und nicht zulasten Dritter."

Diese Position ist insoweit neu, als Merkel bisher immer von einer "europäischen Lösung" gesprochen hatte. Auch wenn das Wort europäisch in diesem Zusammenhang unscharf ist, so kann davon ausgegangen werden, dass Merkel die EU gemeint hat. In der EU war allerdings bisher nicht in Ansätzen eine Perspektive für ein gemeinsames Vorgehen gegeben. Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei haben die EU-Quote abgelehnt. Mittlerweile sind in Österreich und Italien neue Regierungen gewählt, die sich ebenfalls für eine umfassende Schließung der Grenzen aussprechen.

Diese Länder stellen sich nun vermutlich gemeinsam gegen Merkels erklärte Politik der offenen Grenzen: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hatte vor einigen die Sperrung italienischer Häfen für das Rettungsschiff "Aquarius" mit mehr als 600 Flüchtlingen an Bord ausdrücklich begrüßt. "Italien hat zu seiner Willenskraft zurückgefunden", sagte Orban am Dienstag auf einer Pressekonferenz mit seinem slowakischen Amtskollegen Peter Pellegrini in Budapest. "Das ist ein großer Wandel. Ich wünsche viel Erfolg, Italien hat unsere volle Unterstützung." Pellegrini sagte laut dpa: "Dies ist nur der Anfang». Dies wird die anderen Länder dazu zwingen, für einen wirksamen Schutz der (EU-)Außengrenzen zu sorgen und nicht bloß in Kategorien teurer Rettungsaktionen zu denken."

Merkel hat sich am Montag mit ihrem Gegenspieler, Bundesinnenminister Horst Seehofer, auf eine neue Frist für eine Lösung geeinigt. So sollen Deals bis zum EU-Gipfel Ende Juni stehen. Merkel strebt nach eigenem Bekunden Deals mit Italien, Österreich und Griechenland an.

Es ist unklar, ob diese Deals finanzielle Verpflichtungen Deutschlands im Gegenzug zur Abhaltung von Migranten an der Wanderung nach Deutschland umfasst. Diese Struktur hatte der sogenannte "Türkei-Deal", mit dem sich die EU auf Initiative Merkels verpflichtete, der Türkei drei Milliarden Euro zu bezahlen, wenn diese Migranten und Flüchtlinge an der Einreise in die EU hindert. Merkel hat diesen Deal stets als ein Modell präsentiert, das auch mit anderen Staaten als der Türkei funktionieren könne. Merkel hatte dabei zunächst allerdings eher die nordafrikanischen Länder im Blick und nicht andere EU-Staaten.

Der Ansatz könnte allerdings der Tatsache geschuldet sein, dass eine gemeinsame EU-Asylpolitik aktuell kaum vorstellbar ist. EU-Präsident Jean-Claude Juncker sagte am Montag laut dpa: "Wir sind aktiv beteiligt, um eine europäische Vereinbarung zustande zu bekommen." Juncker "selbst ist mit allen unseren europäischen Partnern im Kontakt, um den Boden für europäische Entscheidungen zu bereiten, die alle zusammenbringen, die von so vielen Mitgliedstaaten wie möglich mitgetragen werden".

Neben Juncker hat sich auch Ratspräsident Donald Tusk für die nächsten Tage einen Gesprächsmarathon vorgenommen, um beim Gipfel am 28. und 29. Juni einen Kompromiss zu ereichen. So wird er nach Schweden, Spanien, Italien, Österreich, Ungarn, Deutschland und Frankreich reisen.

Vorerst haben sich Merkel und Seehofer auf eine Art Burgfrieden geeinigt. Doch nach dem Gipfel könnte der Konflikt erneut aufbrechen: Am Montag gaben Merkel und Seehofer eineander ausschließende Perspektiven über das Vorgehen nach dem Gipfel. Seehofer ließ verlauten, dass er Merkel nur noch bis nach dem Gipfel Zeit gäbe. Sollte es bis dahin keine Lösung geben, werde er als Innenminister die Zurückweisung von Eurodac-Personen an den deutschen Grenzen verfügen. Merkel wiederum sagte bei einer Pressekonferenz in Berlin, dass die Entscheidung über die Zurückweisung gemäß der Richtlinienkompetenz nur auf ihre Anweisung möglich sei.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Ukraines Präsident, Wolodymyr Selenskyj, dankt Deutschland für die Unterstützung. Die Außenminister beider Länder, Baerbock und...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
19.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Technologie
Technologie Turbulenzen bei Tesla: Stellenabbau und düstere Prognosen für 2024
19.04.2024

Nach einem Stellenabbau bei Tesla prognostizieren Experten ein „Durchhänger-Jahr“ für Elektromobilität 2024, während Tesla auf...