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Die Digitalsteuer: Europas spektakuläres Eigentor

Lesezeit: 5 min
11.05.2019 08:32
Europas Politiker sind fest dazu entschlossen, eine Digitalsteuer einzuführen. Doch sie helfen den europäischen Unternehmen damit nicht, im Gegenteil: Sie schädigen ihnen.
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Europas Politiker sind, mit wenigen Ausnahmen, offenbar fest entschlossen, eine Besteuerung der Digitalisierung durchzuführen. Gepriesen wird diese Idee als Beitrag zur Fairness: Die amerikanischen Internet-Giganten zahlen derzeit nämlich wenig Steuern, ein EU-Unternehmen ist hingegen mit hohen Steuern belastet. Die Digitalsteuer soll für Gerechtigkeit sorgen. Das vorgegeben Ziel, Google, Amazon und Co zu treffen, wird jedoch durch die Steuer nicht erreicht. Im Gegenteil: Tatsächlich kommt eine neue Belastung auf die europäischen Unternehmen zu.

Nur ist schon jetzt die Umsatzsteuer-Mehrwertsteuer die größte Bremse bei der Entwicklung eines funktionierenden Binnenmarktes. In jedem Land gelten andere Steuersätze und andere Bedingungen, sodass jeder Mitgliedstaat einen nationalen Markt bildet. Die Digitalsteuer wird zusammen mit der ab 2021 umgesetzten EU-Umsatzsteuer-Reform das Problem dramatisch verschärfen. Europa schießt sich ein spektakuläres Eigentor, aber die Finanzminister träumen schon von Millionen und Milliarden zusätzlicher Einnahmen.

Digitalisierung sollte man fördern und nicht bestrafen

Grundsätzlich ist schon der Gedanke, in Europa die Digitalisierung zu besteuern, absurd. Bei der Digitalisierung steht der alte Kontinent nämlich weit abgeschlagen hinter den USA und China. Also müsste man, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, die Digitalisierung durch steuerliche Begünstigungen erleichtern. Das Gebot der Stunde ist also das Gegenteil einer Digitalsteuer.

Exporteure zahlen Gewinnsteuern im Heimatland

Die immer wieder vorgebrachte Forderung, die US-Internet-Riesen sollten in Europa Steuern zahlen, geht ins Leere. Die Unternehmen liefern Waren und Dienstleistungen nach Europa. Und wenn sie keine eigenen Firmen in Europa betreiben, handelt es sich um direkte Exporte meist aus den USA, aber auch aus China und anderen Ländern, wo sie ihre Gewinne gemäß den dort geltenden Regeln versteuern. Würden europäische Staaten Gewinnsteuern auf der Basis von Lieferungen, also auf der Basis von Umsätzen kassieren, täten dies die Lieferländer in gleicher Weise mit Exporten aus Europa. Dann wären aber deutsche Autos, französische Weine oder der Stahl aus Österreich und die Millionen anderen Exporte aus der EU ebenfalls betroffen. Diesen Handels- und Steuer-Krieg wird niemand führen wollen.

Unterhalten Konzerne Firmen in der EU, dann ist eine Besteuerung möglich. Die Diskussion wird aber zur Groteske, wenn Irland und Luxemburg die großen Internet-Firmen mit Steuergeschenken zu Firmengründungen ins Land locken. Dies ist möglich, weil Gewinnbesteuerung Sache der Staaten und nicht der EU ist, auch wenn dies der EU-Kommission nicht passt.

Die angedachte Digitalsteuer soll zwei Bemessungsgrundlagen haben.

  • Die Werbeeinnahmen der Internet-Riesen will man mit einer Werbe-Steuer belegen, wobei Sätze zwischen 3 und 5 Prozent zur Debatte stehen.
  • Bei der Umsatzsteuer, die in Form der Mehrwertsteuer oder bei Importen aus Drittstaaten in Form der Einfuhrumsatzsteuer eingehoben wird, bestehen Lücken, die geschlossen werden sollen. Die Digitalsteuer ist also eine Umsatzsteuer-Ergänzung.

Eine Werbesteuer zahlen die werbetreibenden Firmen, nicht die Plattformen

Die Besteuerung der Werbeeinnahmen ist kein Schlag gegen die Marktführer, sondern gegen die zahllosen mittelständischen Unternehmen, die mit Amazon, Google und Co einen Zugang zum Weltmarkt bekommen haben, der neue Perspektiven eröffnet. Wie wird die Praxis aussehen: Eine Einschaltung kostet derzeit beispielsweise 1.000 Euro, kommt die Digitalsteuer als Werbe-Abgabe, dann wird die Rechnung an die werbende Firma bei 3% 1.030 Euro betragen und bei 5% Steuer eben 1.050,00 Euro. Die Plattformen wird das nicht beeindrucken.

Die Digitalsteuer zahlt der Käufer, nicht die Internet-Plattform

Im Mehrwertsteuer-System ist grundsätzlich verankert, dass eine Ware aus einem anderen Land im Empfängerland bei den Verkäufen der nationalen Umsatzsteuer-Mehrwertsteuer unterliegt. Genau wie eine Ware aus dem Inland. Der Käufer zahlt die Steuer zusammen mit dem Preis der Ware und der Händler führt die Steuer an das Finanzamt ab. Allerdings bestehen gesetzlich gedeckte und im Alltag praktizierte Lücken, die nun geschlossen werden sollen.

Das Ziel der Digitalsteuer ist, dass bei allen Waren, die über eine Internet-Plattform gekauft werden, Umsatzsteuer im Inland gezahlt wird. Da Unternehmen in den USA oder in China für europäische Finanzbehörden nicht greifbar sind, arbeitet man an einem ausgeklügelten System, um die Plattformen, europäische Unternehmen, Serverbetreiber, die in den Vertrieb von Waren aus Nicht-EU-Ländern eingebunden sind, als steuerpflichtige Lieferanten einzustufen, die für die Abfuhr der Umsatzsteuer haften. Diskutiert wird auch die Beseitigung der ohnehin niedrigen Schwellen-Beträge, bis zu denen Freibeträge gelten oder die Führung eines eigenen Mehrwertsteuer-Kontos für ein Land nicht erforderlich ist.

Seit 1. Jänner 2019 ist der §22f in Kraft und schottet Deutschland ab

Die einzelnen Staaten warten allerdings nicht bis diese EU-weite Diskussion abgeschlossen ist. Hier sei auf das deutsche Beispiel verwiesen:

  • Im Dezember 2018 hat Deutschland im Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet den §22f eingeführt, der am 1. Jänner 2019 in Kraft getreten ist: Der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes haftet für die korrekte Abfuhr der Mehrwertsteuer.

Und die betroffenen Firmen reagieren. Hier sei auf die nun geltende Praxis bei Amazon verwiesen. Dort heißt es seit der Novelle in einer Mitteilung an die Firmen, die über Amazon verkaufen:

  • „Wenn Sie sich in Deutschland steuerlich registrieren müssen, laden Sie Ihre deutsche Steuerbescheinigung (F22) hoch. Wenn Sie sich in Deutschland nicht steuerlich registrieren müssen, müssen Sie bestätigen, dass Sie in Deutschland keine steuerpflichtigen Verkäufe generieren. Verkäufer, die außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ansässig sind und die Anforderungen nicht erfüllen, werden nicht mehr bei Amazon.de oder an Kunden in Deutschland verkaufen können. Verkäufer, die in einem Land des Europäischen Wirtschaftsraums (einschließlich Deutschland) ansässig sind, müssen vor dem 1. Oktober 2019 Maßnahmen ergreifen.“

Das bedeutet, dass Amazon sich nicht den Schwarzen Peter von der Finanz zuspielen lässt, sondern die Unternehmen in die Pflicht nimmt. Wer also in Deutschland über Amazon verkaufen will, muss sich beim Finanzamt registrieren lassen und dann dafür sorgen, dass die Steuer an das Finanzamt überwiesen wird.

Der Katalog der Behinderungen durch das Mehrwertsteuer-System

Durch den § 22f in Deutschland und ähnliche Regelungen in den anderen EU-Ländern wird, zusammen mit der Reaktion der Plattformen, die Zerstückelung des Binnenmarkts in nationale Märkte verschärft. Denn schon jetzt ist die Mehrwertsteuer die größte Behinderung des Binnenmarktes.

  • Jedes Land hat andere Steuersätze und zusätzlich noch sonstige eigene Bestimmungen. Durch die aktuelle EU-Umsatzsteuerreform wird die Möglichkeit geschaffen, künftig noch weitere Prozent-Sätze für einzelne Warengruppen einzuführen.
  • Für eine Firma, die in einem Land nur geringe Umsätze macht, zahlt es sich nicht aus, in dem betreffenden Land als lokaler Mehrwertsteuer-Zahler zu agieren. Also werden nur Staaten beliefert, wo sich der Aufwand lohnt.
  • Die Problematik wird durch die EU-Reform verschärft: In Zukunft sollen Exporteure die im Empfängerland geltende Steuer im Voraus entrichten, weil manche Abnehmer die Umsatzsteuer nicht abliefern. Mit der Bezahlung der Rechnung durch einen korrekten Importeur würde der Exporteur die Vorauszahlung zurückbekommen. Das bedeutet einen gigantischen Zusatzaufwand.
  • Der Ausschluss mancher Länder von der Belieferung durch ein Unternehmen wird als Geoblocking bezeichnet und von der EU-Kommission auch heftig im Sinne des Binnenmarkts bekämpft. Seit Dezember 2018 gibt es eine Geoblocking-Verordnung, die in den meisten Branchen die Belieferung aller EU-Staaten erzwingt. Die Groteske: Es ist nicht eine tatsächliche Belieferung vorgeschrieben, interessierte Kunden aus einem geblockten Land können sich bei Interesse die Ware beim Anbieter im anderen Staat abholen.

Die Digitalsteuer ist eine Perfektionierung des Umsatzsteuer-Systems. Die Umsatzsteuer ist eine Steuer, die der Käufer bezahlt, und die der Verkäufer an das Finanzamt abzuführen hat. Von einer Besteuerung der Internet-Unternehmen kann also in keiner Weise die Rede sein. Es erfolgt nur die Gleichstellung der Belastung der Konsumenten: Durch die Digitalsteuer soll es gleichgültig sein, ob man beim traditionellen Einzelhandel oder im Internet kauft. Nur in diesem Bereich kann von Fairness geredet werden. Die angeprangerten Gewinne der Internet-Unternehmen werden nicht berührt.

Ein europäisches Amazon scheitert im Minenfeld der Umsatzsteuer

Zum Standard-Repertoire der Politiker gehört, mit wenigen Ausnahmen, die Verteufelung der Internet-Firmen. Somit drängt sich die Frage auf, wer denn von Amazon und Co Nach- oder Vorteile hat.

  • Nachteile hat ohne Zweifel der Handel, der zusehen muss, wie immer mehr Umsätze zu den Plattformen wandern und die traditionellen Unternehmen leiden.
  • Die Produzenten haben hingegen über die Plattformen einen Zugang zum internationalen Markt, den vor allem kleine Unternehmungen nie im Alleingang schaffen können.

Somit sollte nicht die Bekämpfung von Amazon und Co auf dem Programm stehen, sondern der Aufbau breit aufgestellter Plattformen und aus europäischer Sicht wohl die Installierung europäischer Unternehmen, die den Giganten aus den USA oder China Paroli bieten können. Das Geheimnis von Amazon besteht in dem Umstand, dass zahllose Firmen auf der Plattform anbieten und die Konsumenten somit eine geradezu unbegrenzte Auswahl haben. Derzeit installieren in Europa die einzelnen Betriebe vor allem eigene Portale, die aber nur das Sortiment der betreffenden Firma anbieten.

Man kann wohl davon ausgehen, dass Europäer genauso kreativ und tüchtig sind wie Amerikaner oder Chinesen. Allerdings ist die Zerstückelung des Marktes durch das Umsatzsteuer-System ein Hindernis, das den Aufbau eines europäischen Amazon-Konkurrenten schon bisher verhindert hat. Und die Digitalsteuer macht ein derartiges Projekt vollends unmöglich.

Zum Vergleich: Amazon hat in den USA einen Heimmarkt von 320 Millionen Menschen. In den USA gibt es auf Bundesebene keine Umsatzsteuer, nur einzelne Staaten kassieren eine meist kleine und relativ leicht zu administrierende Abgabe. In diesem Umfeld kann ein Gigant entstehen, der dann auch die wirtschaftliche Kraft hat, um in dem Minenfeld von europäischen Vorschriften zu agieren.

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