Politik

Hohe Arbeitslosigkeit: Schweden ist kein EU-Musterland mehr

Lesezeit: 2 min
16.09.2014 00:33
Die Schweden gehören nach wie vor zu den reichsten Europäern. Allerdings schwächelte das Wirtschaftswachstum zuletzt und auch die Arbeitslosigkeit ist relativ hoch. Der Wahlsieger vom Sonntag und wohl nächste Premier Schwedens, der Sozialdemokrat Stefan Löfven, muss die Probleme nun anpacken. Auch die Einwanderung rückt durch das gute Abschneiden der nationalistischen Schwedendemokraten bei den Wahlen ins Blickfeld.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Stefan Löfven von den Sozialdemokraten will Sondierungsgespräche über die Bildung einer Regierung beginnen. Hauptgesprächspartner werden die schwedischen Grünen und die schwedischen Linken sein. Die drei linken Parteien haben nach den Wahlen vom Sonntag die bisher regierende bürgerlich-konservative Koalition überholt. Mit 43,7 Prozent können sie allerdings nur eine Minderheitsregierung bilden und sind bei Gesetzesvorhaben im Parlament auf die Unterstützung einer weiteren Fraktion angewiesen.

Wird Löfven Ministerpräsident, wird er sich auch mit wirtschaftlichen Problemen beschäftigen müssen. Das schwedische Wirtschaftswachstum gehört der Vergangenheit an. Im ersten Quartal 2014 schrumpfte die Wirtschaft sogar leicht um 0,1 Prozent.

Dabei konnte sich die schwedische Wirtschaft nach dem schweren Einbruch durch die Finanz- und Wirtschaftskrise zunächst rasch erholen und wuchs 2010 um 6,6 Prozent. Hilfreich war dabei, dass Schweden nicht zur Eurozone gehört, und seine Exporte durch eine Abwertung billiger machen konnte. So stieg der Euro zwischen August 2008 und März 2009 von 9,34 Kronen pro Euro auf 11,69 Kronen pro Euro. Auch 2011 bis 2013 lag das schwedische Wachstum stets über dem EU-Durchschnitt und war insgesamt auch höher als in Deutschland. Zudem weist Schweden stetig hohe Leistungsbilanzüberschüsse auf.

So gehören die Schweden nach wie vor zu den reichsten Europäern. Das BIP pro Kopf lag 2013 bei 43.800 Euro. Das war nach Luxemburg und Dänemark Platz 3 in der EU und erheblich mehr als in Deutschland, das 33.300 Euro pro Kopf erwirtschaftete. Berücksichtigt man allerdings das hohe Preisniveau in Schweden verschwindet der Unterschied zu Deutschland bis auf wenige Hundert Euro.

Nicht wirklich befriedigend ist die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Schweden. Im August waren (selbst nach den engen internationalen Definitionen) 388.000 Personen arbeitslos. Das waren fast genauso viele wie im August des Krisenjahres 2009. Die lange Zeit gute wirtschaftliche Entwicklung hatte also kaum Einfluss auf den Arbeitsmarkt.

Das lässt sich auch an der Arbeitslosenquote festmachen. Die lag im August bei 7,4 Prozent und damit ungefähr genauso hoch wie im August der beiden Vorjahre. Im EU-Vergleich liegt Schweden lediglich auf Platz 11. Und auch wenn die Arbeitslosigkeit längst nicht so hoch ist wie in Südeuropa, mag sie mit ein Grund für die Abwahl der bisherigen bürgerlichen Regierung gewesen sein. Mancher Schwede fragt sich, wie es erst wird, wenn die fetten Jahre nun vorbei sind.

Ein Problem vieler europäischer Staaten kennen die Schweden allerdings nicht. Mit 1,9 Geburten pro Frau zeigen sich die Schweden relativ kinderfreundlich. Die Geburtenrate reicht gegenwärtig aus, um die Bevölkerung auch ohne Einwanderung leicht wachsen zu lassen. Einwanderung gibt es aber trotzdem und sie erreichte 2013 sogar einen neuen Höchststand. Der Einwanderungssaldo (Einwanderung minus Auswanderung) betrug 66.000 Personen. Rechnet man das prozentual auf die Bevölkerung um, sind dies 0,7 Prozent. Das ist mehr als in Deutschland.

Eine liberale Einwanderungspolitik hat allerdings in Schweden Tradition. Man muss bis zum Jahr 2001 zurückgehen, um ein Jahr zu finden, in dem der Einwanderungssaldo in Schweden niedriger war als in Deutschland. Und auch der Sozialdemokrat Löfven wird daran wohl nicht rütteln.

Dass die Einwanderung allerdings zu Problemen führt, zeigten die Gewaltausbrüche junger Migranten letztes Jahr im Großraum Stockholm. Und das sehr gute Abschneiden der nationalistischen Schwedendemokraten bei der Wahl vom Sonntag macht deutlich, dass immer mehr Schweden über die Einwanderung besorgt sind.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...