Politik

Brasilien will hunderte Unternehmen privatisieren

Lesezeit: 2 min
12.01.2019 18:03
Die neue brasilianische Regierung will hunderte Unternehmen privatisieren. Zudem sollen die Rentenausgaben gekürzt und die Unternehmenssteuern gesenkt werden.
Brasilien will hunderte Unternehmen privatisieren

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die neue brasilianische Regierung des Präsidenten Jair Bolsonaro will zur Verringerung der Staatsschulden etwa hundert staatliche Unternehmen privatisieren oder schließen. Infrastrukturminister Tarcísio Gomes de Freitas sagte am Dienstag, viele dieser Unternehmen seien Tochterfirmen. Es handele sich deshalb nicht nur um Privatisierungen, sondern auch um Schließungen von Betrieben, die heute "keinerlei Sinn" hätten.

Diese Schließungen staatlicher Unternehmen würden dabei helfen, den Haushalt zu entlasten, sagte der Minister dem Radiosender CBN. Die Gelder würden da investiert, wo es nötiger sei.

Wirtschaftsminister Paulo Guedes, der der sogenannten Chicago School of Economy ("Chicago Boys") angehört, hat angekündigt, die von Bolsonaros Vorgänger Michel Temer begonnenen Privatisierungen im großen Stil fortzusetzen. Das soll den Angaben der Regierung zufolge dazu beitragen, Brasiliens enorme Schulden um etwa ein Fünftel zu senken. Als strategisch wichtig geltende große Staatsbetriebe wie der Energieriese Petrobras sollen allerdings von den Privatisierungen ausgenommen werden.

Der neue Vorsitzende des brasilianischen Öl-Riesen Petrobras, Roberto Castello Branco, hatte im November 2018 angekündigt, dass Assets, die nicht zum Kerngeschäft von Petrobras gehören verkauft werden sollen. Castello Branco gehört ebenfalls der Chicago School of Economics an. Dem US-Sender CNBC zufolge hatten internationale Investoren positiv auf die Ernennung von Guedes zum Wirtschaftsberater des Präsidenten und Castello Branco zum neuen Vorsitzenden von Petrobras reagiert. In einem früheren Interview mit der Zeitung O Estado de S. Paulo sagte Castello Branco, BR Distribuidora, Petrobras' Brennstoffverteiler, passe nicht zu dem Unternehmen und erwirtschafte keine Rendite. Dieses Interview führte dazu, dass die Aktien von Petrobras um sechs Prozent stiegen. Auslöser war eine Wette von Spekulanten, die davon ausgingen, dass der Staat seine 70-prozentige Beteiligung an Petrobras verkaufen könnte. Der Petrobras-Vorsitzende fügte hinzu, dass er auch den Verkauf der Flüssiggas-Vertriebsgesellschaft Liquigas in Betracht ziehe. Schließlich liege die "Kompetenz von Petrobras in der Exploration und Förderung von Erdöl", so Castello Branco.

Am 24. Dezember 2018 teilte Bolsonaro über Twitter mit: "Weniger Einmischung des Staates bedeutet bessere Lebensbedingungen für den Brasilianer."

The Brazilian Report zufolge sind vor allem Unternehmen und Investoren aus den USA, China und Frankreich interessiert an den brasilianischen Staatsunternehmen.

Bolsonaro hat vor, im aktuellen Jahr am Weltwirtschaftsforum in Davos teilzunehmen, um sein Land als als wirtschaftsfreundlich zu präsentieren, berichtet Bloomberg.

Die brasilianische Wirtschaft und Guedes

Vor einem Jahrzehnt war Brasilien eine zunehmend durchsetzungsfähige globale Macht mit einer schnell wachsenden Wirtschaft, die durch den Export von Rohstoffen wie Sojabohnen, Zucker und Öl angeheizt wurde. Der größte Kunde war China: Von 2000 bis 2013 wuchs der Handel mit China um über 4.000 Prozent. In dieser Zeit gewann Brasilien die Rechte für die Ausrichtung der Weltmeisterschaft und der Olympischen Spiele, so das Council on Foreign Relations (CFR) in einem Bericht.

2014 erlebte die brasilianische Wirtschaft jedoch eine tiefe Rezession, die sich durch das nachlassende Wachstum in China verschlechterte. Die Wirtschaft schrumpfte um mehr als sieben Prozent, bevor sie 2017 mit einer Erholung begann. Die Arbeitslosigkeit liegt immer noch bei etwa zwölf Prozent.

Guedes wünscht umfassende Änderungen, von denen er sagt, dass sie das Wachstum ankurbeln und das Defizit beseitigen werden. Guedes setzt sich vor allem für die Privatisierung der Elektrizitätsgesellschaft Electrobras und Banken wie Banco do Brasil ein.

Er will eine Rentenreform durchführen. Die Rentenausgaben sind der größte Treiber des Defizits und machen mehr als acht Prozent des brasilianischen BIP aus. Da die Bevölkerung des Landes schnell altern wird, könnte sich dies in den kommenden Jahrzehnten mehr als verdoppeln.

Guedes plant auch eine Steuerreform, um Investitionen anzuziehen. Auffällig ist auch, dass der Ökonom von der Chicago School sich für bilaterale Handelsabkommen einsetzt. Der Binnenmarkt Mercosur, der den Handel zwischen den Staaten Lateinamerikas erleichtern soll, sei hingegen ein "restriktiver regionaler Block", so Guedes.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Reiseziele: So manch Überraschung im Sommerflugplan
29.03.2024

Ab Ostern tritt an den deutschen Flughäfen der neue Sommerflugplan in Kraft. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten haben für Sie als Leser...

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betrachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...