Politik

Umsturz in Venezuela: Opposition plant Privatisierung von Staatsbetrieben

Lesezeit: 5 min
26.01.2019 20:15
Die venezolanische Opposition will mithilfe eines Übergangsgesetzes staatliche Unternehmen privatisieren. Ziel ist, Venezuela für den Weltmarkt zu öffnen.
Umsturz in Venezuela: Opposition plant Privatisierung von Staatsbetrieben

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Die von der Opposition kontrollierte Nationalversammlung hat ein Übergangsgesetz (“Estatuto que rige la Transición a la Democracia“) ausgearbeitet, in dem offen dargelegt wird, welche Politik die von Juan Guaido angeführte Opposition verfolgen wird.

Aus dem Übergangsgesetz geht hervor:

“Zentralisierte Kontrollen, willkürliche Enteignungsmaßnahmen und andere ähnliche Maßnahmen werden abgeschafft (...) Für diese Zwecke wird das zentralisierte Kontrollmodell der Wirtschaft durch ein auf dem Recht jedes Venezolaners auf Arbeit beruhendes Modell der Freiheit und des Marktes ersetzt - unter den Garantien der Eigentumsrechte und der Unternehmensfreiheit.”

“Staatlichen Unternehmen werden einem Umstrukturierungsprozess unterzogen, der eine effiziente und transparente Verwaltung gewährleistet, auch durch öffentlich-private Vereinbarungen.”

Daraus folgt, dass die verstaatlichten Unternehmen ihren ehemaligen privaten Eigentümern (einschließlich Telekommunikation, Elektrotechnik, SIDOR, Zement etc.) zurückgegeben werden, was enteignete Ländereien einschließt. Arbeitnehmerrechte werden in dem Übergangsgesetz nicht erwähnt.

Die wichtigsten staatlichen Unternehmen und Banken in Venezuela sind Agropatria, Alcasa, Banco Bicentenario, Banco de Venezuela, Banco del Tesoro, CANTV, Citgo, Corporación Venezolana de Guayana, Corpoelec, Pequiven, Ferrominera del Orinoco, Mission Mercal, Monte Ávila Editores, PDVAL, PDVSA, SIDOR, Venalum, VIT, C.A. Die staatlichen Medien Venezuelas umfassen Asamblea Nacional Televisión, Avila TV, Biblioteca Ayacucho, Buena Televisión, Ciudad CCS, Correo del Orinoco, Diario Vea, TeleSUR, Colombeia, TVes, Venezolana de Televisión und ViVe.

Das US-Außenministerium kritisiert in einem Factsheet: “Staatseigene Unternehmen (SOE) dominieren in verschiedenen Sektoren der venezolanischen Wirtschaft, darunter Agrarwirtschaft, Nahrungsmittel, Kohlenwasserstoffe, Medien, Bergbau, Telekommunikation und Tourismus. Privatunternehmen sind im Wettbewerb mit öffentlichen Unternehmen benachteiligt, insbesondere was den Zugang zu Fremdwährungen zum offiziellen Wechselkurs angeht. In der Vergangenheit mussten Staatsunternehmen sich nicht an die CENCOEX (Das nationale Zentrum für Außenhandel, Anm. d. Red.) oder die BCV (Notenbank von Venezuela, Anm. d. Red) wenden, um Devisen zum stärksten offiziellen Wechselkurs anzufordern, während private Unternehmen mit den Beschränkungen und Verzögerungen der offiziellen Mechanismen zu kämpfen hatten (...) Finanzanalysten glauben im Allgemeinen, dass die Staatsunternehmen in Venezuela zu makroökonomischen Ungleichgewichten beitragen und die inländische Produktion untergraben.”

Weiterhin heißt es in dem Übergangsgesetz:

“Um dem Zusammenbruch des Finanz- und Währungssystems  zu begegnen, werden Maßnahmen ergriffen, um eine rasche wirtschaftliche Erholung durch außergewöhnliche internationale Finanzhilfen durch multilateralen Organisationen, bilaterale Darlehen, internationale Spenden, die Umstrukturierung der Auslandsverschuldung und eine deutliche Steigerung der Öl-Produktion zu fördern.”

Aus diesem Passus folgt, dass Venezuela fortan offen sein wird, um Kredite beim IWF oder bei der Weltbank zu beantragen. Im vergangenen Jahr hatte der IWF Venezuela angeboten, dem Land bei seiner schweren Wirtschaftskrise zu helfen.

Am 2. Mai 2018 trat das Exekutivdirektorium des IWF zusammen, um die Frage zu prüfen, ob Venezuela zentrale makroökonomische Daten für den Fonds zur Verfügung stellt. Das Exekutivdirektorium  stellte fest, dass eine angemessene Bereitstellung von Daten ein wesentlicher erster Schritt ist, um die Wirtschaftskrise in Venezuela zu verstehen und mögliche Lösungen zu finden.

Der IWF teilt in einer Mitteilung mit: “In der Sitzung prüfte das Exekutivdirektorium einen Bericht des geschäftsführenden Direktors über die Fortschritte bei der Umsetzung der am 3. November 2017 genehmigten Hilfsmaßnahmen, wonach Venezuela dem Fonds gemäß Artikel VIII, Abschnitt 5 des Statuts keine Daten zur Verfügung gestellt hat (...) Der Fonds hat ein Misstrauensvotum gegen Venezuela ausgestellt (...) Der Fonds ist bereit, konstruktiv mit Venezuela an der Lösung seiner Wirtschaftskrise zu arbeiten, wenn das Land bereit ist, sich erneut mit dem Fonds zu beschäftigen , Dies schließt die rechtzeitige und regelmäßige Bereitstellung von Daten und die Wiederaufnahme der Konsultationen nach Artikel IV ein.”

Wirtschaft in Venezuela

Venezuela befindet sich seit 2014 in der Rezession. Allein 2017 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um fast 17 Prozent und damit so stark wie noch nie. Hauptgrund für die Misere ist der 2014 begonnene deutliche Rückgang der Ölpreise, dem wichtigsten Exportschlager des Landes. Andere Branchen gelten wegen der hohen Inflation und niedriger Produktivität als international nicht wettbewerbsfähig. Zuletzt hat sich die Misere noch verschärft: Im dritten Quartal 2018 soll die Wirtschaftsleistung nach Kongressangaben um 29,8 Prozent eingebrochen sein. Der IWF erwartet für 2019 ein Minus von zehn Prozent, so Reuters.

2018 sind die Verbraucherpreise nach Angaben der von der Opposition kontrollierten Nationalversammlung um durchschnittlich 1,7 Millionen Prozent gestiegen. Allein im vergangenen Monat stiegen die Preise demnach um täglich drei Prozent. Der IWF sagt für das laufende Jahr eine Teuerungsrate von zehn Millionen Prozent voraus. Der neue Mindestlohn von 18.000 Bolivars pro Monat - rund 6,70 Dollar - reicht gerade aus, um ein paar Basisprodukte wie einen Karton Eier und ein Kilo Rindfleisch zu kaufen. Der IWF macht das zerrüttete Wirtschaftssystem, einen ungezügelten Gelddruck durch die Notenbank und die sinkende Ölproduktion für die Misere verantwortlich. Präsident Nicolas Maduro sieht sein Land hingegen als Opfer eines von den USA angezettelten “Wirtschaftskriegs”.

Die schwere Rezession vernichtet Tausende Jobs. Die Arbeitslosenquote lag 2017 bei geschätzten 63 Prozent. Schwarzarbeit ist weit verbreitet. Viele internationale Unternehmen haben sich aus dem Krisenland zurückgezogen, darunter der Reifenhersteller Goodyear, der Hygieneartikelhersteller Kimberly-Clark sowie der Nahrungsmittelkonzern Kellogg.

Die schwierige Lage hat zu einer Massenflucht in Nachbarländer geführt. Mehr als drei Millionen Menschen sollen das Land seit 2015 verlassen haben - auch, weil es an Grundnahrungsmitteln und Medikamenten mangelt. Die UN gehen davon aus, dass in diesem Jahr zwei Millionen Einwohner ihr Land verlassen könnten. Jüngsten verfügbaren Zahlen zufolge hat das Land knapp 30 Millionen Einwohner. Präsident Maduro macht für die Misere einen von den USA angeführten Wirtschaftskrieg verantwortlich, der einen Umsturz zum Ziel habe.

Caracas beschuldigte Pompeo und Rubio

Im Jahr 2017 beschuldigte die Regierung in Caracas die CIA und US-Senator Marco Rubio, in Venezuela einen Umsturz herbeiführen zu wollen. Der venezolanische Außenminister Samuel Moncada und Carlos Ron, der der Chargé d'affaires der venezolanischen Botschaft in Washington D.C. ist, beschuldigten Rubio und den damaligen CIA-Chef Mike Pompeo an einem Plan zu arbeiten, um neue politische Führer in Venezuela für sich zu gewinnen. “Was diese Gruppe mit Venezuela zu tun versucht, ist im Wesentlichen eine Spaltung der Regierung, die Identifizierung  anderer Führer und einen Konflikt mit den Venezolanern herbeizuführen. Das ist absolut inakzeptabel”, zitiert das Blatt Miami Herald Moncada.

Die venezolanisch-amerikanische Geschäftsfrau Vanessa Neumann sagte auf dem Aspen Security Forum 2017, dass sie auf ein Regime-Change in Venezuela hoffe. anschließend richtete sie eine Frage an Pompeo: “Ich bin an Ihrer offenen Einschätzung der amerikanischen Interessen oder Bedrohungen durch Venezuela interessiert.”

Pompeo antwortete: “Amerika hat ein großes Interesse daran, dafür zu sorgen, dass es (Venezuela, Anm. d. Red.) stabil und so demokratisch wie möglich ist. Deshalb arbeiten wir hart daran. Ich bin immer vorsichtig, wenn wir über Süd- und Mittelamerika und die CIA sprechen. Es gibt viele Geschichten. Ich möchte also mit dem, was ich sage, vorsichtig sein. Aber es genügt zu sagen, wir hoffen sehr, dass es in Venezuela einen Übergang geben kann, und wir, die CIA, tun alles, um die Dynamik dort zu verstehen, damit wir mit unserem Außenministerium kommunizieren können.”

Der venezolanische Generalstab hat in den vergangenen Tagen seine Unterstützung für Maduro ausgesprochen. Allerdings teilte Rubio am 25. Januar 2019 über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: “Die Frage ist nicht, ob die führenden Militärs Maduro öffentlich unterstützen. Nach zwei Jahrzehnten des Drogenhandels und der ständigen Überwachung durch kubanische Geheimdienste sind sie alle in der Falle. Die eigentliche Frage ist, ob leidende Offiziere mittleren Rangs und Frontsoldaten ihren Befehlen folgen?”

Einen Tag zuvor hatte er über Twitter mitgeteilt, dass der Generalstab von der Korruption in Venezuela profitieren würde. Das sei ausschlaggebend für ihre Unterstützung Maduros. Doch die anderen Offiziere würden unter diesen Bedingungen leiden.

Biographie von Juan Guaido

Der 35-jährige Juan Guaido ist Absolvent der George Washington University. Der Ingenieur war Mitglied des venezolanischen Kongresses und wurde 2015 in die Nationalversammlung gewählt. Er war lange Zeit Aktivist und organisierte Demonstrationen gegen den ehemaligen Präsidenten Hugo Chavez als Teil einer von Studenten geführten Bewegung, berichtet CBC. Er nahm an den Protesten 2017 in ganz Venezuela teil, nachdem mehrere Oppositionsführer festgenommen worden waren. Guaido wurde im vergangenen Jahr Oppositionsführer und wurde als Präsident der Nationalversammlung vereidigt. Er wurde auf dem Weg zu einer politischen Kundgebung am 13. Januar festgenommen, aber nach etwa einer Stunde wieder freigelassen. Die Partei von Guaido, Voluntad Popular (Volkswille), ist eine zentristische sozialdemokratische Partei. Sie hat nur 14 der 167 Sitze der Nationalversammlung. Vorsitzender der Partei ist Leopoldo Lopez, der sich seit 2014 unter Hausarrest befindet.


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