Politik

Atombomben: Aktivisten wollen Merkel zu Widerstand gegen USA zwingen

Lesezeit: 3 min
23.09.2015 12:48
Die Friedensbewegung will sich im Kampf gegen die US-Atombomben in Deutschland neu erfinden. Ihre Aktivisten kommen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Milieus. Sie fordern das Ende Deutschlands als Drehscheibe für die globalen Kriege der Nato.
Atombomben: Aktivisten wollen Merkel zu Widerstand gegen USA zwingen
Pedram Shahyar (Foto: P. Shahyar)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die USA haben mit der Stationierung neuer Atombomben in Deutschland begonnen. Diese Maßnahme erfolgt gegen den ausdrücklichen Willen des Deutschen Bundestags. Dieser hatte 2009 beschlossen, die Regierung solle auf die USA einwirken, die Stationierung von Atombomben in Deutschland generell aufzugeben. Doch seither ist nichts geschehen.

Daher hat sich nun eine neue Initiative gefunden, die den zivilen Widerstand gegen die Entwicklung vorantreiben will. Sie will von Bundeskanzlerin Merkel und der Bundesregierung erzwingen, dass die Beschlüsse des Bundestags umgesetzt werden und zu dem Willen der Bevölkerung Rechnung getragen wird. Einer ihrer Sprecher ist Pedram Shahyar.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Deutschland wirkt aktiv an allen Nato-Kriegen mit. Welche Rolle spielt Ramstein?

Pedram Shahyar: Die Ramstein Airbase ist die wichtigste Basis der US-amerikanischen Streitkräfte außerhalb der USA. Deutschland unterstützt diese und andere Basen logistisch und finanziell. Ramstein ist die Drehscheibe der US-Army – insbesondere für ihre Operationen in Nahen Osten (Video am Anfang des Artikels). Während des Irak-Kriegs war der Flugplatz die zentrale Nachschub- und Ladestation für die US-Armee. Ramstein ist aber auch die zentrale Relais-Station der militärischen Drohnen der USA. Ohne diesen Militärposten wäre der Drohnenkrieg nicht möglich, dem bisher 5.000 bis 10.000 Zivilisten zum Opfer gefallen sind. Die Basis ist darüber hinaus noch die Koordinierungsstelle für den Raketenschirm gegen Russland und ist somit von immenser militärischer Bedeutung für die Kriege der letzten Jahre. Jeden Tag wird von deutschem Boden aus Krieg begonnen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie hat sich die Bedeutung von Ramstein verändert? Was genau geschieht in den US-Militärbasen in Deutschland?

Pedram Shahyar: Die amerikanische Militärstrategie ist in den letzten Jahren sehr viel stärker in Richtung unbemannte Kriegführung gegangen. Kampfdrohnen zeigen die Zukunft der Kriege. Es wird hierzu weiterhin massiv geforscht, Automatisierung und Autonomisierung sind die Stichwörter. Dabei ist der Drohnenkrieg auch eng mit den Geheimdiensten verkoppelt, die zusammen Ziele erarbeiten und automatisierte Vernichtung aus der Luft leiten. Der Drohnenkrieg kennt weder Recht noch Gesetz –während der menschliche Faktor in der Kriegsführung immer weiter zurückgedrängt wird.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In der Öffentlichkeit hatte man den Eindruck, die Nato verliert an Bedeutung – doch plötzlich kommen neue Atomwaffen nach Deutschland. Was ist der Hintergrund?

Pedram Shahyar: Die Nato hat überhaupt nicht an Bedeutung verloren. Sie ist ein aggressives Militärbündnis, das die globale Dominanzstrategie des Westens militärisch durchsetzen will. Dabei hat sie natürlich nichts mehr von einem Verteidigungsbündnis inne. Dass jetzt auch noch in Europa weiter atomar aufgerüstet wird, zeigt, wie brüchig die Hoffnungen auf eine neue, friedliche Weltordnung geworden sind. Die NATO sichert die Ressourcen und den Marktzugang für westliche Konzerne in aller Welt. Insbesondere die neuen wirtschaftlichen und geopolitischen Konkurrenten der USA, also China und Russland, sollen in Zaum gehalten und ihr Einfluss zurückgedrängt werden. Das geschieht in Europa mit der aggressiven Ausdehnung der NATO gen Osten – aber auch im Pazifik an der Grenze zu China mit der immer stärkeren Militärpräsenz der westlichen Alliierten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche konkreten, kriegerischen Einsätze wären ohne deutsche Beteiligung nicht möglich?

Pedram Shahyar: Die gesamten Einsätze der USA im Nahen Osten wären ohne Ramstein nicht machbar gewesen. Speziell der Irak-Krieg 2003 wäre ohne deutsche Beteiligung so nicht realisierbar gewesen, auch wenn die Regierung damals offiziell nicht teilgenommen hatte. Welche katastrophalen Folgen dieser Krieg hatte, der ja mit Lügen begründet worden war, ist inzwischen bekannt. Aber wie bereits angesprochen ist der gesamte Drohnenkrieg der USA auf Ramstein angewiesen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Der Bundestag hatte 2009 beschlossen, die Regierung solle auf die USA einwirken, um die Atomwaffen abzuziehen. Warum ist das nicht geschehen?

Pedram Shahyar: Es gab den Versuch 2009, die Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen, aber die US-Regierung ging darauf nicht ein, weswegen die Bundesregierung dieses Projekt danach wieder fallen ließ. 2014 hat der Bundestag den Beschluss relativiert und sich nur noch allgemein für die Abschaffung der Atomwaffen ausgesprochen – und nicht mehr konkret für den Abzug. Die USA sind der mächtigste Teil im westlichen Bündnis – wenn man sich gegen sie durchsetzen will, reicht kein Bundestagsbeschluss. Es braucht eine Regierung, die wirklich mit dem imperialen Projekt brechen will –und das auch gegen jegliche Widerstände. Natürlich hat es einen Preis, wenn man sich aus dem Bündnis mit der größten Militärmacht der Welt lösen möchte. Diese Kosten muss eine Regierung und die Bevölkerung bereit sein zu tragen. Frieden ist aber nicht nur ethisch begründet, eine wirklich friedliche Außenpolitik, die auf Dialog und Kooperation basiert, eröffnet auf lange Sicht ganz andere Möglichkeiten des Wohlstandes.

***

Pedram Shahyar ist Blogger (Rebellunion) und war Lehrbeauftragter an der FU Berlin. Zwischen dem 25. und 27. September gibt es mehrere Aktionen vor der US-Airbase Ramstein, wie etwa eine große Demonstration am Samstag. Weitere Infos finden Sie unter www.ramstein-kampagne.eu


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - es fällt schwer, in deutschen Großstädten beim Angebot der Essenskuriere den Überblick zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...

DWN
Finanzen
Finanzen So wählt Warren Buffett seine Investments aus
25.04.2024

Warren Buffett, auch als „Orakel von Omaha“ bekannt, ist eine Ikone der Investment-Welt. Doch worauf basiert seine Investmentstrategie,...

DWN
Technologie
Technologie KI-Chips trotz Exportbeschränkungen: China sichert sich US-Technologie durch die Hintertür
25.04.2024

Trotz der US-Exportbeschränkungen für Hochleistungsprozessoren scheint China einen Weg gefunden zu haben, sich dennoch mit den neuesten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands Kriegswirtschaft: Putin geht das Geld nicht aus
25.04.2024

Russlands Wirtschaft wächst weiterhin, ist aber stark von der der Kriegsproduktion abhängig. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...