Politik

Die deutsche Rüstungsindustrie ist längst nicht so gefährlich wie ihr Ruf

Lesezeit: 4 min
25.08.2019 17:50
Grundsätzlich gilt die deutsche Rüstungsindustrie als groß und gefährlich. Eine genauere Analyse der Exporte aber zeigt, dass das so nicht stimmt. Die Debatte darum ist eine politische und moralische Diskussion. Sogar Polen, das aus historischen Gründen gegenüber Deutschland immer sehr skeptisch war, hat davor keine Angst mehr.
Die deutsche Rüstungsindustrie ist längst nicht so gefährlich wie ihr Ruf
Ein Kampfpanzer des Typ "Leopard2" von Krauss-Maffei Wegmann, der als erfolgreiches Produkt gilt. Foto: dpa

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

„Weil die Bundesregierung nicht handelt, kann die deutsche Rüstungsindustrie weiter kräftig Profit machen mit dem verbrecherischen Krieg im Jemen sowie der aggressiven Außenpolitik Erdoğans“, hat die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Linken, Sevim Dağdelen, zu Jahresanfang dem ZDF gesagt.

Dann forderte die Politikerin die Bundesregierung auf, den weiteren Export von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien und die Türkei zu unterbinden. Und Angela Merkel reagierte auch prompt und ordnete die Verschärfung der Richtlinien für den Waffenexport an, die im Juni 2019 dann vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlicht wurden. Denn grundsätzlich gelten Geschäfte, die deutsche Unternehmen mit diesen beiden Ländern machen, als schwierig, weil Saudi-Arabien und die Türkei aus westlicher Sicht demokratische Prinzipien verletzen.

Hintergrund: Dieser Konflikt ist nur einer von vielen, den es um die deutschen Rüstungsexporte gibt. Und er steht stellvertretend für andere, die schon immer zuhauf die Zeitungen und Agenturen gefüllt haben. Grundsätzlich haben Deutschland und seine Militärindustrie ein sehr schlechtes Image – und das schon seit Jahrzehnten. Das Land gilt als „aggressiver Waffenexporteur“, dessen Industrie „großen Profit“ erwirtschaftet. Aus moralischen und politischen Gründen müsse man dessen Geschäfte unbedingt eindämmen, so der Ton in der Debatte.

Doch wenn man genauer in die Statistiken schaut, dann wird klar, dass diese Industrie doch keine so große Bedeutung hat, wie viele Politiker oder Bürgeraktivisten immer wiederholen – weder für die deutsche Wirtschaft noch für die weltweite Waffenindustrie.

So betrug der Wert der militärischen Güter, die Deutschland im vergangenen Jahr an Saudi-Arabien geliefert hat, zwar 147 Millionen Euro. Und das war auch mit Abstand der größten Posten unter allen Lieferungen, die in Länder exportiert wurden, die nicht zur EU oder zur NATO gehören.

Exporte in autoritäre Staaten sehr gering

Diese Ausfuhren gelten immer als besonders sensibel, weil sich darunter auch autokratische Systeme befinden, die politisch umstritten sind. Allerdings ist der Anteil der Exporte in diese Staaten an den gesamten Rüstungsausgaben, die im vergangenen Jahr bei 4,8 Milliarden Euro gelegen haben, sehr gering.

Wie sich aus dem aktuellen Bericht der Bundesregierung zu den Rüstungsexporten 2018 errechnen lässt, lag er damit gerade einmal bei einem Prozent. Die politischen Auseinandersetzungen um die Waffenlieferung an Saudi-Arabien sind somit ein reines Politikum, das geschäftlich keine sonderlich große Grundlage hat. Dass die Diskussion um die Waffenexporte grundsätzlich einen politischen Hintergrund hat, wird auch daran deutlich, dass die Rüstungsausfuhren in den vergangenen Jahren generell zurückgegangen sind.

Rüstungsexporte um ein Fünftel geschrumpft

So sind die Exporten 2018 gegenüber dem Vorjahr um fast ein Fünftel geschrumpft. Doch das war noch nicht alles: Zwölf Monate zuvor hatten die Volumina noch einmal fast neun Prozent mehr betragen. Grundsätzlich haben sich die Ausfuhren in den vergangenen zehn Jahren um satte 17 Prozent verringert.

Und wenn man sich den Umfang der einzelnen Waffengattungen anschaut, die deutsche Firmen geliefert haben, dann kann man auch nicht sagen, dass von deutschem Boden eine riesige Gefahr ausgegangen ist: So hat Deutschland 2018 gerade einmal 45 Panzer exportiert – und zwar nach Singapur, Katar und Jordanien.

Die Zahl der insgesamt gelieferten Tanks war so gering, dass damit gerade einmal Botsuana und Simbabwe ihre Fuhrparks erneuern könnten, die derzeit über 52 bzw. 42 Panzer verfügen. Beide afrikanischen Länder sind nun wirklich keine Militärnationen, ohne ihren Regierungen zu nahe zu treten. Zum Vergleich: Die größte Zahl an Fahrzeugen haben Russland (21.900), China (knapp 13.000) und die USA (etwa 6.300). Die Bundeswehr schickt 900 solcher militärischen Fahrzeuge in die Manöver und in die militärischen Aktionen.

Schwierige Analyse von Dual-Use-Gütern

Etwas schwieriger ist die Analyse der Güter, die einen sogenannten Dual-Use-Zweck haben – also von Produkten, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. Hier ist es schwieriger, Statistiken zu finden.

Die Redaktionen der MADSACK-Gruppe haben eine Liste veröffentlicht, die das Bundeswirtschaftsministerium dem Wirtschaftsausschuss im Bundestag hat zukommen lassen. Darin steht, dass die Ausfuhren in sogenannte Drittstaaten 2018 bei 4,9 Milliarden Euro gelegen haben.

In dieser Zahl sind nicht die Exporte enthalten, die in die Länder der NATO und der EU gegangen sind. Das bedeutet, dass die Gesamtausfuhren von Dual-Use-Gütern wesentlich größer gewesen sein müssen.

Relativ kleine Rüstungsexporte

Selbst wenn man dies mitberücksichtigt, dürfte das gesamte Volumen kaum mehr als im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich gelegen haben. Addiert man die direkten Rüstungsexporte dazu, die 2018 bei 4,8 Milliarden Euro gelegen haben, ergibt sich eine Gesamtsumme zwischen zehn bis vielleicht maximal 20 Milliarden Euro, die militärisch genutzt werden können.

Dieses Volumen ist verhältnismäßig gering, wenn man sich den Gesamtwert der deutschen Exportgüter pro Jahr anschaut, der bis zu 1,3 Billionen Euro im Jahr erreicht. Das bedeutet, dass die Rüstungsgüter inklusive der Dual-Use-Waren maximal 1,5 Prozent an den Gesamtausfuhren ausmachen.

Dass die deutschen Waffenproduzenten bei weitem nicht so bedeutend sind, wie sie immer dargestellt werden, lässt sich auch an der Liste der 100 größten Waffenproduzenten ablesen, die das internationale Institut für Friedensforschung SIPRI für das Jahr 2017 veröffentlicht hat. Unter den zehn größten Herstellern gibt es kein einziges deutsches Unternehmen, sondern nur überwiegend US-amerikanische Firmen. Die USA nehmen die ersten drei Plätze ein und stellen allein fünf Produzenten unter den Top Ten.

Bester deutscher Hersteller nur auf dem 25. Platz

Derjenige deutsche Konzern, der sich im Ranking am höchsten befindet, ist Rheinmetall. Das Unternehmen, das unter anderem gepanzerte Kettenfahrzeuge herstellt, liegt auf dem 25. Platz. Wichtig: Der Herstellung militärischer Produkte macht nur knapp die Hälfte seiner Erlöse aus – folglich ist Rheinmetall nicht einmal ein reiner Waffenproduzent.

Ähnlich sieht es bei ThyssenKrupp aus. Das Unternehmen aus dem Ruhrgebiet, das unter anderem U-Boote und Marineschiffe herstellt, nimmt auf der Liste lediglich den 53. Platz ein. Ganze vier Prozent der Gesamtgeschäfte wird mit dem Rüstungs-Business erzielt, so dass man wirklich nicht von einem Rüstungsunternehmen reden kann.

Darüber hinaus entwickelt sich der Konzern, der einstmals ein Vorzeige-Unternehmen der deutschen Industrie gewesen ist, derzeit dermaßen schlecht, dass die Kritiker der Rüstungsexporte bestimmt keine Angst vor dem Produzenten haben müssen. Danach folgt aus deutscher Sicht der Panzer-Hersteller Krauss-Maffei Wegmann, der auf dem 56. Rang liegt. Auch dieser Hersteller nimmt keinen der vorderen Plätze in der Tabelle ein.

Dass die Deutschen mit ihrer Waffenindustrie nun wirklich nicht mehr so schrecklich sind, wie die Kritiker immer wieder behaupten, wird auch an einem anderen interessanten Fakt deutlich: So hat der polnische Premier Mateusz Morawiecki gerade Deutschland aufgefordert, die Rüstungsausgaben zu erhöhen.

"Ich würde nicht sagen, dass Deutschland ein Trittbrettfahrer ist, aber seine Beiträge entsprechen nicht den Verpflichtungen", sagte der polnische Premier. "Deutschland sollte seine Verteidigungsausgaben schneller erhöhen", erklärte Morawiecki den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die NATO-Staaten haben sich verpflichtet, dass die Rüstungsausgaben bis 2024 zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) betragen. Deutschland will hingegen in den kommenden fünf Jahren lediglich 1,5 Prozent erreichen. Diese Aussagen ist deswegen besonders interessant, weil Polen grundsätzlich historische Bedenken gegenüber dem westlichen Nachbarn hat. Morawiecki zeigte damit jedenfalls direkt, dass sein Land die Deutschen militärisch nicht mehr besonders fürchtet.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...