Politik

Großbritannien: Wirbel um überraschende Verlängerung der Parlamentspause

Lesezeit: 2 min
28.08.2019 17:05
In Großbritannien gibt es großen Wirbel um eine von Premierminister Johnson erlassene und von der Königin unterstützte Verlängerung der Sitzungspause des Parlaments. Es wird von einem „Putsch“ gesprochen.
Großbritannien: Wirbel um überraschende Verlängerung der Parlamentspause
24.07.2019, Großbritannien, London: Königin Elizabeth II. von Großbritannien begrüßt Boris Johnson. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Brexit >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Brexit  

Der britische Premierminister Boris Johnson kappt die Beratungszeit des Parlaments im Brexit-Streit vor dem EU-Ausstieg und löst damit Empörung im Unterhaus aus, berichtet Reuters. Parlamentspräsident John Bercow sprach am Mittwoch von einem verfassungsrechtlichen Skandal, die oppositionelle Labour-Partei von einem "Putsch gegen das Parlament".

Die gewöhnlich zweiwöchige Sitzungspause ab Mitte September solle auf rund vier Wochen bis zum 14. Oktober verlängert werden, kündigte Johnson an. Er wies Vorwürfe zurück, damit das Parlament bei seinem Vorhaben zu umgehen, den Brexit notfalls auch ohne Abkommen mit der EU am 31. Oktober durchzuziehen. Königin Elizabeth stimmte den Plänen für eine verlängerte Sitzungspause zu, die frühestens am 9. und spätestens am 12. September beginnen soll.

Die britischen Abgeordneten kehren am 3. September aus der Sommerpause zurück. Dann folgen gewöhnlich zwei Sitzungswochen, bevor es eine neue Unterbrechung gibt, um Parteitage abzuhalten. Diese Pause endet gewöhnlich Anfang Oktober. Nun verlängerte Johnson aber die Pause bis zum 14. Oktober, für den er eine Regierungserklärung von Königin Elizabeth ankündigte. Diese mit großem Pomp zelebrierte sogenannte "Queen's Speech" eröffnet eine neue Parlamentsperiode, zuvor gibt es üblicherweise eine längere Sitzungspause.

Johnson verteidigte die Terminierung der "Queen's Speech" kurz vor dem Brexit-Datum. Sie sei nach seinem Amtsantritt nötig, um die Pläne der neuen Regierung vorzulegen. Die Abgeordneten bekämen ausreichend Zeit, um sich mit dem Brexit zu befassen. Hintergrund ist, dass die Abgeordneten sich schon unter Johnsons Vorgängerin Theresa May grundsätzlich gegen einen ungeregelten EU-Ausstieg ausgesprochen haben, bei dem schwere wirtschaftliche Folgen befürchtet werden.

Zudem haben die Oppositionsparteien erst am Dienstag ein gemeinsames Vorgehen vereinbart, um einen EU-Austritt ohne Abkommen zu verhindern. Dazu könnten neuen Gesetze oder ein Misstrauensvotum genutzt werden. Labour-Chef Jeremy Corbyn drohte am Mittwoch, seine Partei werde zu gegebener Zeit ein solches Votum einbringen. US-Präsident Donald Trump twitterte, ein solches Vorhaben werde "sehr schwierig" für Corbyn: "Besonders, wenn man die Tatsache in Betracht zieht, dass Boris genau dem entspricht, was das Vereinigte Königreich gesucht hat." Auch wenn Johnson einen Misstrauensantrag nicht überstehen sollte, könnte er im Herbst durch geschicktes Taktieren einen Brexit ohne Vertrag über die Zeit retten: Beispielsweise, indem er seinen Rücktritt um einige Tage hinauszögert und eine Neuwahl für die Zeit nach dem 31. Oktober ansetzt.

Der konservative Abgeordnete Dominic Grieve, der allerdings dem pro-europäischen Lager seiner Partei angehört, kritisierte das Vorgehen Johnsons als beispiellosen Versuch, am Parlament vorbei zu regieren. Dies würde es Abgeordneten wie ihm schwerer machen, der Regierung das Vertrauen zu schenken, und ein Misstrauensvotum wäre wahrscheinlicher. Der Kurs des britischen Pfundes rutschte als Reaktion auf die Verlängerung der Parlamentspause ab.


Mehr zum Thema:  
Brexit >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Nach neuen Angriffen: USA und NATO erhöhen Unterstützung für Ukraine, während Russland seinen Machtanspruch verstärkt.

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
19.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...