Deutschland

Bankhaus Metzler warnt vor deutlichem Anstieg von Zombie-Unternehmen in Deutschland

Lesezeit: 2 min
08.11.2019 09:00
Die niedrigen Zinsen haben zur Folge, dass eine wachsende Zahl unproduktiver Unternehmen nur noch künstlich mithilfe von Neuschulden am Leben gehalten wird, warnt das Bankhaus Metzler.
Bankhaus Metzler warnt vor deutlichem Anstieg von Zombie-Unternehmen in Deutschland
Seifenblasen. (Foto: dpa)
Foto: Frank Rumpenhorst

Benachrichtigung über neue Artikel:  

"Die globalen Rezessionsrisiken sind gestiegen", sagt Emmerich Müller, persönlich haftender Gesellschafter des seit 1674 bestehenden Bankhauses Metzler und dort verantwortlich für das Private Banking, in der aktuellen Investment-Strategie des Bankhauses. Die durch US-Präsident Donald Trump verursachten Handelskonflikte würden die Planungssicherheit und die Investitionen der Unternehmen stark einschränken. Und je länger die politischen und ökonomischen Unsicherheiten anhalten, desto größer sei die Gefahr einer weltweiten Rezession.

Es stelle sich die Frage, ob die Notenbanken noch über ausreichend Mittel verfügen, um im Krisenfall gegensteuern zu können, so Müller. So stoße die Europäische Zentralbank mit ihrer lockeren Geldpolitik zunehmend an Grenzen. Denn sie könne den Leitzins nicht mehr viel weiter senken, da die Belastungen für das Bankensystem dadurch immer größer würden. Ab einem bestimmten Punkt wirke die Geldpolitik dann nicht mehr expansiv, sondern restriktiv.

"Auch eine stärkere Fokussierung der EZB auf die Anleihekäufe bleibt nicht ohne Nebenwirkungen", ergänzt Carolin Schulze Palstring, Leiterin Kapitalmarktanalyse im Private Banking von Metzler. Denn sinkende Refinanzierungszinsen nähmen jeglichen Druck von den Regierungen hochverschuldeter Staaten, Strukturreformen einzuleiten und Haushaltsdisziplin zu zeigen. Dies dämpfe langfristig das Wirtschaftswachstum.

"Die Politik hat sich zu lange darauf ausgeruht, dass die Notenbanken es schon richten werden", so Schulze Palstring weiter. Nun werde es höchste Zeit, dass auch die Regierungen ihren Beitrag leisten. Insbesondere in Deutschland sei der Investitionsbedarf hoch. Zudem habe die Bundesregierung dafür den nötigen finanziellen Spielraum. Ganz Europa könnte davon profitieren, wenn Deutschland seine Investitionen steigert.

Die Renditen am Anleihemarkt seien in diesem Jahr vielerorts auf historische Tiefststände gefallen. Derzeit seien deutsche Staatsanleihen über fast alle Laufzeiten negativ verzinst. Sogar bonitätsschwächere Länder der Europäischen Währungsunion könnten sich mittlerweile zu Minuszinsen verschulden, darunter zuletzt sogar Griechenland.

Doch nicht nur bei Staatsanleihen, sondern auch bei Unternehmensanleihen haben die Renditen auf historische Tiefstände erreicht. In diesem Jahr würden sogar Non-Investmentgrade-Anleihen erstmals unter null rentieren. Investoren bliebe daher nur die Möglichkeit, ein höheres Laufzeitenrisiko einzugehen, Abstriche bei der Bonität zu machen oder Fremdwährungsanleihen in den Portfolios stärker zu gewichten.

Der Aktienmarkt hingegen profitiere von der lockeren Geldpolitik, denn ein sinkendes Zinsniveau bedeute günstigere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen. Doch Frank Endres, Leiter des Portfoliomanagements bei Metzler Private Banking, rät zu Vorsicht bei der Titelauswahl. Denn mit fehlendem finanziellen Druck sinke der Anreiz, Unternehmen effizient zu managen.

Die anhaltend günstigen Finanzierungsbedingungen würden einige unproduktive Unternehmen nur noch künstlich am Leben halten, darunter die sogenannten Zombie-Unternehmen. Das sind Unternehmen, die laut Bilanz drei Jahre in Folge keinen oder nur einen ganz kleinen Gewinn erzielt haben, weil sie mit ihren operativen Erträgen die Zinskosten nicht decken können.

Nach Angaben des Bankhauses Metzler sind heute mehr als 12 Prozent aller börsennotierten Unternehmen sogenannte Zombie-Firmen. Vor knapp 30 Jahren lag dieser Anteil bei nur 2 Prozent. Auch in Deutschland gibt es heute deutlich mehr Zombie-Firmen, laut Schätzungen von Creditreform sind es derzeit knapp 180.000, wie die ARD berichtet.

"Auf der Jagd nach einer möglichst hohen Rendite legen viele Anleger deshalb den Fokus verstärkt auf jüngere, innovative Firmen, lassen dabei jedoch mögliche Anlagerisiken außer Acht", warnt Endres. So habe der Anteil unprofitabler US-Börsengänger im vergangenen Jahr bei rund 75 Prozent gelegen - so hoch wie seit der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende nicht mehr. Metzler rät, sich an den Fundamentaldaten zu orientieren. Langfristig hätten sich vor allem Bilanz- und Ertragsqualität sowie Bewertung als Erfolgsfaktoren erwiesen.



Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch verhandelt über Stellenabbau: Fokus auf Alternativen und Standortsicherung
18.04.2024

Bosch will massiv Stellen streichen, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dagegen gingen zuletzt Tausende...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldvermögen privater Haushalte hat einen neuen Höchststand erreicht
18.04.2024

Die gestiegenen Kurse an den Aktienmärkten und die erhöhten Sparzinsen haben zusammen dazu geführt, dass das Geldvermögen der deutschen...