Führende Vertreter des Europäischen Parlaments sehen in einer gemeinsamen europäischen Identität den einzigen Weg für den weiteren Bestand der EU: „Wenn wir eine beständige Union der Solidarität wollen, müssen wir auch in eine europäische Identität investieren. Wir müssen die Geschichte als europäische Geschichte und nicht als eine Zusammenstellung nationaler Geschichten verstehen“, sagte Klaus Welle der Generalsekretär des EU-Parlaments, diese Woche bei einem Vortrag vor einem Think Tank in Brüssel.
Welle, gebürtiger Deutscher, nahm das Beispiel Deutschlands und sagte, in Deutschland rede man wie selbstverständlich von einem Nationalstaat, obwohl es ein solcher erst seit 1871 ist. Welle sagte: „1871 liegt nicht lange zurück. Wir haben unsere Geschichte so rekonstruiert, als seien wir immer ein Nationalstaat gewesen, was komplett falsch und unwahr ist. Um unsere Identität zu stabilsieren, haben wir nationale Museen errichtet und unsere eigene nationale Geschichte rekonstruiert."
Dasselbe möchte die EU nun tun - und stößt damit auf Irritation bei einigen Mitgliedsstaaten. Denn die EU-Kommission kann zwar Verordnungen erlassen, die Bildungspolitik ist bisher ausschließlich in die Kompetenz der Nationalstaaten gefallen.
Bisher haben sich die europäischen Staaten geweigert, die Wünsche der EU nach Mitwirkung an der Bildungspolitik zu verwirklichen. Die Forderung europäische Inhalte besser in den Lehrplänen der Mitgliedsstaaten zu verankern, wurde bisher nicht umgesetzt.
[caption id="" align="alignleft" width="640" caption="Die Krönung von Wilhem I. zum deutschen Kaiser 1871 erfolgte im Spiegelsaal von Versailles - und hatte somit damals schon eine europäische Komponente aufzuweisen. (Foto: DMN)"][/caption]
Mit einem kürzlich eröffneten Besucherzentrum und einem geplanten „Haus der Geschichte“ will das Parlament nun die Initiative ergreifen und die Bildung einer solchen gemeinsamen Identität unterstützen.
Ein Problem, auf das bei der Selbstüberprüfung des EU-Parlaments aufmerksam gemacht wird, ist dass sich die Bürger bei Gesetzen, die in Brüssel beschlossen werden, übergangen fühlen. Dies habe eine abschreckende Wirkung: Nur 43 Prozent sind noch an den demokratischen Vorgängen in Union interessiert – in manchen Ländern sind es weniger als 20 Prozent. Das ist zum Teil doch zu wenig, um identitätsstiftend zu wirken.