Finanzen

Boston Consulting: Internationale Finanzwelt ist ein Schneeball-System

Lesezeit: 2 min
27.12.2012 02:17
Um die globale Wirtschaft am Laufen zu halten, würden weltweit immer mehr Schulden aufgenommen. Dieses Vorgehen gleiche einem Schneeball-System, das plötzlich zusammenbrechen könne, meint Boston Consulting. Selbst wenn die Regierungen sich endlich der Realität stellen: Der Ausstieg aus dem aufgeblasenen System wird massive Verluste nach sich ziehen.
Boston Consulting: Internationale Finanzwelt ist ein Schneeball-System

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Bisher war die Bezeichnung der internationalen Finanzsystem als Schneeball-System vom Establishment ins Reich der Verschwörungstheorien verwiesen worden. Von einem Schneeball-System spricht man, wenn immer neue Gelder in eine Unternehmung gepumpt werden, um Altgläubiger oder Investoren zu befriedigen, ohne dass dafür an irgendeiner Stelle eine echte Leistung erbracht wird (ein Produkt, Wachstum etc.). In den USA spricht man auch von einem Ponzi-Scheme - benannt nach dem Italiener Carlo Ponzi, der in den 1920er-Jahren mit dieser Art der Schein-Wirtschaft begonnen hatte.

Nun hat erstmals eine etablierte Berater-Gruppe den gefürchteten Begriff in den Mund genommen - und die Begründung für diese Einschätzung mit einer Studie untermauert. Die wirtschaftlichen Probleme in der Finanzbranche gleichen einem Schneeball-System, lautet die Hauptthese einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group (BCG). Politiker und Zentralbanker hätten „selbstgefällig“ die Probleme immer weiter aufgeschoben und sie damit verschlimmert. Sie hätten es vermieden, der Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen: Die angehäuften Schulden können niemals voll zurückgezahlt werden.

Es liege in der Natur eines Schneeball-Systems, dass es plötzlich und ohne Warnung zusammenbricht, so BCG. Niemand könne wissen, welches Ereignis den Zusammenbruch auslösen werde. Doch selbst wenn die Entscheidungsträger weltweit endlich beginnen, verantwortungsvoll zu handeln, werde es harte Opfer auf allen Seiten geben: Höhere Steuern, Schuldenschnitte, längere Arbeitszeiten und geringere Sozialleistungen.

Die Ursache des weltweiten Schneeballsystems seien die Rekordschulden, sowohl öffentliche als auch private. Die Summe aller öffentlichen und privaten Schulden in den 18 Kernländern der OECD habe 1980 noch 160 Prozent des gesamten BIP betragen. Im Jahr 2011 sei diese Quote auf 321 Prozent angestiegen. Inflationsbereinigt hätten Regierungen heute mehr als viermal so viele Schulden wie 1980, private Haushalte hätten mehr als sechsmal so viele Schulden wie 1980 und Nicht-Finanz-Unternehmen hätten heute mehr als dreimal so viele Schulden wie 1980.

An sich seien Schulden nichts Schlechtes, etwa wenn sie aufgenommen würden, damit die Wirtschaft wachse. In den letzten Jahrzehnten jedoch sei ein Großteil der Schulden nur aufgenommen worden, um zu konsumieren, um zu spekulieren und um alte Schulden abzuzahlen. Und immer weniger führten aufgenommene Schulden tatsächlich zu Wachstum. Sie sind immer mehr allein dazu nötig, ein Auseinanderbrechen des Systems zu verhindern.

Diese massiven Schuldenprobleme seien allerdings „nur ein Teil des Problems“, so BCG. Verschlimmert werde die Lage durch „versteckte ungedeckte Verbindlichkeiten“ von Regierungen und Unternehmen, vor allem bei der Alters- und Gesundheitsvorsorge. Die entsprechenden Programme seien auf den demografischen Wandel schlicht nicht eingestellt und könnten ihre Versprechungen nicht halten.

Zur Lösung des globalen Schuldenproblems macht BCG zehn Vorschläge. Erstens müsse eingestanden werden, dass die Schulden nicht zurückgezahlt werden können. Etliche Staaten und Unternehmen müssten sich für zahlungsunfähig erklären, auch wenn dies „kurzfristig schmerzvoll“ sei. Die übrigen Vorschläge zielen auf verschiedene staatliche Maßnahmen hin, unter anderem die Stabilisierung der Sozialsysteme und Verringerung der Staatsausgaben. Darin liegt auch das fundamentale Problem der Finanzkrise: BCG verlangt, dass die Lösung der Probleme gerade von denjenigen gebracht wird, die für die aktuelle Situation verantwortlich sind.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handel warnt vor „Geisterstädten“ - tausende Geschäftsschließungen
23.04.2024

Seit Jahren sinkt die Zahl der Geschäfte in Deutschlands Innenstädten - auch weitere Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen bald...

DWN
Technologie
Technologie Ocean Cleanup fischt 10 000 Tonnen Plastikmüll aus Ozeanen und Flüssen
23.04.2024

Ein Projekt fischt Tausende Tonnen Plastik aus dem Meer und aus Flüssen. Eine winzige Menge, weltweit betrachtet. Doch es gibt global...

DWN
Technologie
Technologie Astronaut Alexander Gerst rechnet mit permanenter Station auf dem Mond
23.04.2024

Eine feste Basis auf dem Mond - das klingt für viele noch nach Science Fiction, soll aber schon bald Realität werden. Für Astronaut...

DWN
Politik
Politik Zeitungsverlage mahnen von Politik zugesagte Hilfe an
22.04.2024

Der Medienwandel kostet Zeitungshäuser viel Kraft und Geld. Von der Politik fühlen sie sich dabei im Stich gelassen. Sie erinnern die...

DWN
Immobilien
Immobilien Stabilere Aussichten für deutschen Gewerbeimmobilienmarkt nach Volatilität
22.04.2024

Die Nachfrage insbesondere nach Büros im deutschen Gewerbeimmobiliensektor war verhalten im Jahr 2023. Das Segment ist stärker als andere...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Konflikt: Israels mutmaßlicher Angriff und Teherans Machtspiele
22.04.2024

Ein möglicher israelischer Luftangriff gegen den Iran kennzeichnet die bisherige Spitze der Eskalation im Nahostkonflikt. Dennoch bleibt...

DWN
Politik
Politik Steinmeier reist mit Dönerspieß und Imbissbesitzer in die Türkei
22.04.2024

Zehn Jahre ist es her, dass ein Bundespräsident der Türkei einen Besuch abgestattet hat. Jetzt reist Frank-Walter Steinmeier an den...

DWN
Technologie
Technologie Auftakt der Hannover Messe: Industrie mahnt Reformen an
22.04.2024

In Hannover hat wieder die traditionelles Messe für Maschinenbau und Elektrotechnik begonnen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eröffnete...