Politik

EU: Brüssel will Kontrolle über die Telekom-Industrie

Lesezeit: 2 min
09.01.2013 11:50
Die EU will die still und leise die nationalen Telekom-Regulierer entmachten. Dazu schlägt sie vor, die europäischen Telekommunikations-Unternehmen sollten eine Schulden-Union bilden. Dadurch könnte die Telefon-Infrastruktur als Sicherheit für Spekulationsgeschäfte genutzt werden. Der Steuerzahler darf für die Erhaltung der unbeliebten Netze aufkommen.
EU: Brüssel will Kontrolle über die Telekom-Industrie

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Aktuell

Rösler verplappert sich: Deutschlands Wirtschaft schrumpft

Die EU will die Kompetenzen der nationalen Telekommunikations-Regulierer drastisch beschneiden. So sagt die EU das natürlich nicht. Der Vorstoß kommt im Gewande von Wettbewerbs- und Konsumenten-Freundlichkeit daher.

Deshalb hat die EU nun von den großen Unternehmen der Branche und dem EU-Wettbewerbskommissar zunächst verlangt, radikalere Lösungen für den zersplitterten Telekommunikationsmarkt in Europa zu finden, berichtet die FT. Bei einem Treffen zwischen dem spanischen Bailout-Experten Wettbewerbs-Kommissar Joaquín Almunia und den Chefs der größten Telekommunikationsunternehmen – darunter die Deutsche Telekom, France Telecom und die Telecom Italia – wurde nun über entsprechende Möglichkeiten diskutiert. Ziel ist der den Aufbau eines gemeinsamen, paneuropäischen Netzes. Die Telekoms hatten bei dem Treffen darüber geklagt, dass sie nicht genug Profit machen und ihre Bereitschaft signalisiert, den Markt gemeinsam neu zu ordnen.

Hier muss man nun hellhörig werden, denn von der EU angestoßene Markt-Neuordnungen sind immer gefährlich. Für den Telekommunikations-Markt wird nun über ein paneuropäisches Netz nachgedacht, bei dem im Grunde wie bei der Eisenbahn die Schiene vom Zug getrennt wird. So sollen die Schulden und die Vermögenswerte  der Telekommunikationsunternehmen in eigene Gesellschaften eingebracht werden. Dies, so eine nicht genannte Quelle der FT, würde einen besseren Zugang zu Fonds und somit zu öffentlichen und privaten Finanzmitteln ermöglichen.

Im Klartext: Die Industrie konsolidiert den profitablen Bereich der Gebühren, die öffentliche Hand übernimmt unter EU-Leitung die teure und ungeliebte Infrastruktur. Es soll eine Schuldenunion geben, bei der eine Art Bad Bank für die Infrastruktur der Telekommunikation entsteht. Diese Bad Bank kann Anleihen begeben, und Banken können die Schuldtitel als Sicherheit bei der EZB hinterlegen, um sich reales Spielgeld für das globale Finanz-Monopoly zu leihen. Der Vorteil dieser Lösung: Anders als bei Derivaten handelt es sich bei der Telekommunikations-Struktur um reale Assets, die sich hervorragend als Pfand eignen - im Unterschied zu den Derivaten gibt es die Masten und Kabel nämlich auch real.

Hier muss man zur Verteidigung von Industrie und Banken sagen: Das Schneeball-System im Bereich Telekommunikation funktioniert immer unter aktiver Beteiligung der Staaten: Noch vor einigen Jahren hatte zum Beispiel die Bundesregierung die Telekom-Industrie mit den legendären UMTS-Lizenzen abgezockt – ein Irrsinn, den einige große europäische Player nicht überlebt haben. Viele Telekom-Unternehmen sind darüber hinaus immer nur teil-staatlich, weshalb Management-Entscheidungen immer auch politisch beeinflusst werden.

Dies schafft aber, wie beim Schienennetz der Eisenbahnen, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, bei der am Ende die öffentliche Hand die Schulden der Unternehmen übernehmen soll oder aber bei der die Zuständigkeit für die nichtrentablen Bereiche wieder beim Steuerzahler landet. Auch diesem Weg wäre eine solche Bündelung der unprofitablen Bereiche die Vorstufe zu einem Bailout der europäischen Telekommunikations-Branche.

Vordergründig ist das Ziel der EU, den zersplitterten Markt in Europa zusammenzuführen sowie die Branche vor der wachsenden Konkurrenz durch weltweit agierende Technologiekonzerne wie Google zu schützen. Grenzüberschreitende Dienstleistungen und höhere Investitionen in digitale Technologien sollen ermöglicht werden.

Tatsächlich entsteht dadurch jedoch nur ein neues Kartell, das aufgrund fehlender Konkurrenz sehr einfach die Preise für Konsumenten diktieren kann. Die FT schätzt, dass am Ende eines solchen Konsolidierungs-Prozesses nur noch zwei oder drei große Player übrigbleiben. Dies hätte aus EU-Sicht allerdings den unschätzbaren Vorteil, dass man auch die Telekommunikations-Konzerne im Hinblick auf die Einschränkung der Bürgerrechte den Kampf gegen den Terrorismus gut unter Kontrolle hätte.

Einwände bezüglich der Schaffung dieses paneuropäischen Netzwerkes werden daher vor allem von den nationalen Aufsichtsbehörden kommen. Denn eine Zentralisierung der Telekommunikations-Regulierung wäre ein weiterer wichtiger Schritt für Brüssel, die nationalen Instanzen auszuhebeln und nach dem Vorbild der geplanten Bankenunion eine weitere zentralistische Super-Behörde zu etablieren.

Weitere Themen

Berliner Haushalt gerät durch Flughafen-Desaster komplett aus den Fugen

Veraltete US-Bankomaten sind Risiko für europäische Kunden-Daten

Spielschulden: Land NRW verspekuliert Millionen im Kasino


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - es fällt schwer, in deutschen Großstädten beim Angebot der Essenskuriere den Überblick zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...

DWN
Finanzen
Finanzen So wählt Warren Buffett seine Investments aus
25.04.2024

Warren Buffett, auch als „Orakel von Omaha“ bekannt, ist eine Ikone der Investment-Welt. Doch worauf basiert seine Investmentstrategie,...

DWN
Technologie
Technologie KI-Chips trotz Exportbeschränkungen: China sichert sich US-Technologie durch die Hintertür
25.04.2024

Trotz der US-Exportbeschränkungen für Hochleistungsprozessoren scheint China einen Weg gefunden zu haben, sich dennoch mit den neuesten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands Kriegswirtschaft: Putin geht das Geld nicht aus
25.04.2024

Russlands Wirtschaft wächst weiterhin, ist aber stark von der der Kriegsproduktion abhängig. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...