Politik

Papst-Rücktritt: Hatte Osama Bin Laden ein Konto bei der Vatikan-Bank?

Lesezeit: 3 min
23.02.2013 00:13
Machtkampf im Vatikan: Im Finanz-Skandal um die Vatikan-Bank hat Papst Benedikt XVI. am Freitag überraschend eine der Schlüssel-Figuren nach Kolumbien versetzt. Ein Geheim-Bericht spricht angeblich von homosexuellen Ausschweifungen und Erpressungs-Geldern. Es geht um viel Geld, sagt ein Kardinal. Immer klar wird: Die massive Wirtschafts-Kriminalität hat Joseph Ratzinger zu seinem spektakulären Rücktritt veranlasst.
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Nachdem die italienische Zeitung „La Repubblica“ am Freitag Details aus einem Geheim-Bericht von drei Kardinälen über Korruption, Unzucht und Kriminalität enthüllt hatte, reagierte Papst Benedikt XVI. mit einer überraschenden Personalie: Er griff noch einmal in den mit aller Härte geführten Machtkampf der Kirchenfürsten ein und versetzte die rechte Hand des mächtigsten Mannes im Vatikan-Stadt, des Kardinal-Staatssekretärs Tarcisio Bertone: Ettore Balestrero muss als Nuntius nach Bogotà gehen.

Balestrero war der Beauftragte des Vatikan für die Beziehungen zur berüchtigten Vatikan-Bank, dem „Istituto per le opere di Religione“ (IOR). Er wusste alles über die Konto-Bewegungen der Bank. Und er wusste vermutlich viel über die Machenschaften, die den Papst aus Deutschland in die Resignation gezwungen haben. Balestrero ist ein enger Vertrauter von Silvio Berlusconi. Berlusconi machte gute Geschäfte mit dem Vatikan – bis er als Regierungschef stürzte. Erst als sein Sturz unvermeidlich wurde, bequemte sich der Vatikan, Berlusconis Affäre mit einer Minderjährigen als bedenklich zu klassifizieren. Berlusconi hat der Kirche ihre Kehrtwende bis heute nicht verziehen.

Die Vatikan-Bank funktioniert auf einmalige Weise. Eigentlich dürfen nur Priester und Ordensleute dort Konten unterhalten. Zugriff zu den Konten haben jedoch nur Geistliche aus dem Vatikan. Selbst die Bank-Manager, wie der wegen seines Beharrens auf Transparenz gefeuerte Ettore Gotti-Tedeschi, haben keine Ahnung, wer Geld auf der Bank deponiert. „Eine große Waschmaschine“ sei die Bank, schreibt La Repubblica. Und sie zitiert einen Kardinal mit den Worten: „Selbst Osama Bin Laden oder Salvatore Riina, der Chef der Cosa Nostra, hätten ein Konto auf der Bank haben können, und niemand hätte es erfahren.“ Ein bemerkenswertes Urteil eines Insiders, fasst es doch die Hauptvorwürfe gegen das IOR zusammen: Von der Mafia bis zu den internationalen Terroristen sollen die Kunden der Bank der Katholischen Kirche gereicht haben.

Joseph Ratzinger soll über den in rotem Leder gebundenen Bericht so schockiert gewesen sein, dass er seinen Rücktritts-Entschluss nach der ersten Lektüre bereits im Dezember gefasst habe, berichtet ein Kardinal.

Auch bei einem angeblichen Homosexuellen-Ring soll es um Geld gegangen sein. Kein Wunder: Besuche in einschlägigen Schwulen-Bars, Massage-Salons und andere diskrete Aktionen wollten finanziert werden. Da werden keine Belege aufbewahrt, mit denen das deutsche Finanzamt zufrieden gewesen wäre.

Noch wahrscheinlicher sind Erpressungsversuche und Schutzgelder: Denn wer im Vatikan als homosexuell geoutet wird, bekommt ein Riesen-Problem.

Hinzu kommen Millionen-Beträge, die für die Stützung von religiösen Einrichtungen verwendet wurden, deren Leitungspersonal zum inneren Kreis der Macht gehören. Das IOR soll über 3 Milliarden Euro Spielgeld verfügen. Bertone hatte stets versucht, die wirtschaftliche Potenz strategisch einzusetzen. So wollte er das bankrotte San Raffele Krankenhaus in Mailand retten. Wer sich ihm entgegenstellte, wurde gefeuert.

Zu den in die Wüste Geschickten gehörte der Chef der Bank, Gotti Tedeschi, und der Chef der Finanzaufsicht. Oder der Kämmerer des Vatikan, Kardinal Carlo Maria Viganò. Er wurde entlassen, nachdem er versucht hatte, die Wirtschaft im Kirchenstaat in Ordnung zu bringen. Der Journalist Gianluigi Nuzzi berichtet in seinem Buch „Seine Heiligkeit“ von abenteuerlichen Zuständen: Über Jahrzehnte waren immer dieselben Dienstleister beauftragt worden, zu Preisen, die teilweise doppelt so hoch waren wie die üblichen Marktpreise. Auch Siemens gehörte zu den treuen Dienern der Herren im Vatikan. Siemens hat gewisse Erfahrungen mit Schmiergeldern.

Auch in die aktuellen italienischen Mega-Skandale um den Rüstungskonzern Finmeccanica und die Banca Monte dei Paschi di Siena ist die Vatikan-Bank verwickelt (über die Ermittlungen gegen die Bank - hier). Papst Benedikt XVI. hatte kurz vor seinem spektakulären Rücktritt davor gewarnt, die Sünde zur „Struktur der Sünde“ zu machen. Beobachter in Rom sind sich darüber einig, dass Ratzinger damit die Vatikan-Bank gemeint hat.

Als zum Jahreswechsel die Bankomaten und Kreditkarten-Zahlungen wegen der anhaltenden Geldwäsche-Vorwürfe gesperrt wurden, sei dem Papst klargeworden, dass er mit seinem Rücktritt nicht mehr warten könne: Die Gründe für die drastischen Maßnahmen der italienischen Finanzbehörden seien dieselben gewesen, die den Papst aus Oberbayern zu seinem Entschluss gebracht hätten, sagte ein Kardinal, der wegen seines hohen Alters nicht mehr an der Wahl des Ratzinger-Papstes teilnehmen darf.

Ratzinger selbst hatte in einem öffentlichen Gebet um die Kraft gebetet, „kämpfen“ zu können. Es ist ein einsamer Kampf eines isolierten Kirchenmannes. Alles deutet darauf hin, dass der Kampf erst jetzt richtig begonnen hat.

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