Politik

Zu früh gefreut: Monsanto dementiert Rückzug aus Europa

Die Berichte über den vermeintlichen Monsanto-Rückzieher beim Anbau gentechnisch veränderter Sorten in Europa sind reines Wunschdenken. Tatsächlich gibt der Konzern nur zu, dass er keine Akzeptanz in der Öffentlichkeit findet. Umso energischer versucht er es nun durch die Hintertür der Bürokratie.
07.06.2013 01:15
Lesezeit: 2 min

In zahlreichen Medien wurde in den vergangenen Tagen berichtet, dass der Saatgut-Konzern Monsanto darauf verzichte, den europäischen Markt für gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) öffnen zu wollen. Was als durchschlagender Erfolg der Anti-Gentechnik-Bewegung gefeiert wird, ist in Wirklichkeit schlichtweg eine Fehlmeldung.

Die taz machte mit ihrem Abgesang auf die Gentechnik-Industrie den Anfang. Sie fiel damit auf einen simplen Trick von Monsantos Europa-Sprecher Brandon Mitchener herein. Dieser sprach in einem Interview davon, die Gen-kritischen Initiativen in Europa würden auf einem Thema herumreiten, dass längst nicht mehr aktuell sei. Die Aussage kam interessanterweise nur Tage, nachdem weltweit Millionen von Menschen bei einem Protesttag gegen Monsanto auf die Straße gingen. Eigentlich hätte man sich von der einst grün inspirierten taz etwas mehr Durchblick erwartet.

Monsanto denkt nämlich nicht an einen Rückzug.

Tatsächlich ist die Lage unverändert. Monsanto und einige andere Unternehmen haben in der EU noch immer zahlreiche Zulassungsanträge für Gentech-Pflanzen laufen. Elf Pflanzen warten auf eine Anbauzulassung für die EU-Äcker, darunter die Maissorte MON810, die zur Wiederzulassung ansteht, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Allein für genveränderte Mais-Sorten von Monsanto seien insgesamt drei Zulassungverfahren anhängig, sagte Heidemarie Porstner, Saatgut-Sprecherin von Global 2000, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Es geht aber auch um Organismen anderer Hersteller wie Syngenta.

Aber nicht nur die mit ungebrochenem Nachdruck verfolgten Zulassungs-Ansuchen widerlegen die abenteuerliche These eines Monsanto-Rückziehers. Vor allem die anstehenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA könnten neue Türen für die Einführung von Gen-Pflanzen öffnen. Dass die in Europa vergleichsweise hohen Standards für den Verbraucherschutz bei Lebensmitteln gehalten werden können, ist keineswegs gesichert. „Schon jetzt werden Bewertungen bei der Sicherheits-Überprüfung von Produkten teilweise einfach von den amerikanischen Behörden übernommen“, sagt Porstner. Mit dem Freihandelsabkommen steige nun auch die Gefahr einer automatischen gegenseitigen Anerkennung von landwirtschaftlichen Produkten. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA würde dann noch in viel stärkerem Ausmaß sich den Regelungen in den USA unterwerfen müsste.

Auch Monsanto selbst hat die Rückzugs-Meldungen inzwischen in einer Mitteilung dementiert. Der Konzern sagte, dass man dort, wo für gentechnisch „verbesserte“ Sorten ein „funktionierendes“ Zulassungssystem und breite Unterstützung auf landwirtschaftlicher und politischer Ebene für die Technologie vorhanden sei, man diese selbstverständlich weiter anbietet.

Von den EU-Ländern ist das in erster Linie Spanien, wo auf etwa einem Viertel aller Mais-Anbauflächen genveränderte Sorten zum Einsatz kommen. Nennenswerte Flächen liegen auch noch in Portugal, ansonsten spielen derzeit aber weder transgener Mais noch andere GVOs eine Rolle, geht aus einer Statistik hervor. Entsprechend gibt Monsanto in seiner Mitteilung zu, dass „Saatgut mit gentechnisch verbesserten Merkmalen derzeit keine breite Akzeptanz in Landwirtschaft und Öffentlichkeit in Deutschland und Europa findet.“ Daraus zu schließen, der Konzern würde den europäischen Markt für genveränderte Sorten gänzlich abschreiben, ist im besten Fall als naiv zu bezeichnen.

Auch ohne den direkten Anbau in der EU sind Länder wie Deutschland alles andere als Gentechnik-frei. Über den Umweg der Nutztier-Haltung kommen die genmanipulierten Pflanzen auch in die europäischen Lebensmittel. Grund ist die starke Einfuhr von Futtermitteln aus Soja und anderen stärkehaltigen Pflanzen aus Nord- und Südamerika. Und auch hier machen die Agrar-Konzerne mächtig Druck: Für 46 Pflanzen liegt ein Zulassungsantrag auf Import in die EU vor.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...