Der Bayerische Hof fungiert auch dieses Jahr als Stätte eines halb-offiziellen globalen Gipfeltreffens. Vom 31.1. bis zum 2.2. tummeln sich hier die Teilnehmer der „Münchner Sicherheitskonferenz“.
Das deutsche Staatsoberhaupt spricht zur Eröffnung. Der UN-Generalsekretär und der EU-Kommissionspräsident werden ebenfalls anwesend sein. Dazu werden fünfzig aktive Außen- und Militärminister aus aller Herren Länder erwartet, darunter John Kerry als Vertreter der immer noch maßgeblichen Weltpolizeimacht USA. Prominente Staatsmänner im Ruhestand dürfen nicht fehlen, unter anderem sind Henry Kissinger und Helmut Schmidt angekündigt. Und Ursula von der Leyen wird hier vermutlich ihren ersten Auftritt auf internationaler Bühne haben.
Die Münchner Konferenz hat eine erstaunliche Karriere vorzuweisen. Vor fünfzig Jahren entstand sie aus einer Expertentagung für „Wehrkunde“, angeregt durch Regierungskreise der Altbundesrepublik. Damals war es noch nicht allgemein üblich, militärpolitische und rüstungsindustrielle Interessen unter den Begriff der „internationalen Sicherheit“ zu stellen, aber dieser hat zweifellos seine semantischen Vorteile.
Hochgeschätzter Chef dieses Unternehmens und Geschäftsführer der „Stiftung MSK gGmbH“ ist der ehemalige Diplomat Wolfgang Ischinger, vormals Botschafter der Bundesrepublik in den USA und in Großbritannien, ein kluger und doch systemtreuer Verfechter der „transatlantischen Partnerschaft“. Hocherfreut kündigte er für die diesjährige Konferenz „wahnsinnigen Zulauf“ an - nicht aus dem gemeinen Volke, sondern aus der internationalen Elite in Politik, Wirtschaft und Militär. Ischinger ist zugleich Generalbevollmächtigter für Regierungsbeziehungen bei der Allianz SE, dem weltweit umsatzstärksten Versicherungskonzern.
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist, was ihre Funktion und ihre Finanzierung angeht, ein Musterfall für Private-Public-Partnership, in einem speziellen, hochgewichtigen Tätigkeitsfeld: Gesponsert wird sie aus öffentlichen Mitteln und aus der Schatulle von Großunternehmen, und höchst einflussreiche Akteure aus der staatlichen Sphäre haben hier eine singuläre Gelegenheit, öffentliche und auch private „Dialoge“ über Geo- und Militärpolitik zu führen, neue Konzepte versuchsweise in die Welt zu setzen, Handlungsspielräume diskutierend zu erkunden, unter dem Schutz der Unverbindlichkeit. Und dies stets in Begleitung durch den „Sachverstand“ von Experten aus der Rüstungswirtschaft.
Seit Jahren schon reagieren auf die Münchner Sicherheitskonferenz Kriegsgegner mit Protest und zeitgleich zu dem Treffen der Elite tagt regelmäßig eine „Internationale Friedenskonferenz“ . Eine Chance, im Bayerischen Hof zu Wort zu kommen, haben die Kritiker nicht, selbst wenn sie auf ihre Weise zu den Experten zählen. Der „Dialog“, wie ihn die „Sicherheitskonferenz“ veranstaltet, hat seine Grenze: Zugelassen ist hier, wer die Gewaltförmigkeit von internationaler Politik nicht grundsätzlich in Frage stellt - und über inhumane Antriebe des Militärgeschäfts schweigt. Um „Wehrkunde“ also geht es nach wie vor, um die professionelle Zubereitung todbringender Unsicherheit. Fünfzig Jahre schlimmster Erfahrungen mit kriegerischer Geopolitik haben dabei keinen Sinneswandel hervorgerufen. Und so hat Ischingers Adjektiv „wahnsinnig“ seinen doppelten Boden.