Deutschland

Hofreiter zu Steuer-Hinterziehung: „Die Doppelmoral ist abstoßend“

Lesezeit: 2 min
11.05.2014 11:52
Der Grüne Anton Hofreiter hat jahrelang keine Steuern für seine Zweitwohnung gezahlt. Noch vor wenigen Wochen hatte Hofreiter im Fall Hoeneß verlangt, dass einer, der „wie Hoeneß das Gemeinwesen bestiehlt“, aus seinem Job „rausfliegen“ müsse. Diese große Töne könnten Hofreiter zum Verhängnis werden. Unklar ist, wer die Informationen an die Bild-Zeitung geleakt hat. Hofreiter ist SPD und CDU wegen seines Kampfs gegen die dubiosen Geschäfte der Regierung mit Toll Collect ein Dorn im Auge.
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Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, hat mehrere Jahren die Steuern für die Zweitwohnung in Berlin nicht gezahlt. Es habe dies übersehen und sei zerknirscht, sagte Hofreiter, nachdem die Bild-Zeitung die Affäre aufgedeckt hatte (mehr hier).

Hofreiters größtes Problem: Erst vor wenigen Wochen trat er als Gegner der Steuerhinterzieher auf. Am 13 März 2014 äußerte sich Hofreiter zum Fall Uli Hoeneß.

In einer Pressemitteilung schrieb Hofreiter:

„Zum Prozessauftakt im Fall Uli Hoeneß erklärt Dr. Anton Hofreiter, Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag:

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt und gehört streng bestraft. Uli Hoeneß hat mit seiner Selbstanzeige eine Straftat gestanden. Es ist nun Sache des Gerichts, zu einem Urteil zu kommen.

Moralisch diskreditiert ist Uli Hoeneß schon jetzt. Adidas, VW oder Audi halten im Bayern-Aufsichtsrat trotzdem zu ihm. Das ist ein Skandal. Wer in ihren Unternehmen einen Diebstahl begehen würde, würde rausfliegen. Wer wie Hoeneß das Gemeinwesen bestiehlt, dem wird dagegen kumpelhaft der Arm um die Schultern gelegt. Diese Doppelmoral der Wirtschaftsbosse ist abstoßend.“

Zwar hat Hofreiter eine wesentlich geringere Summe nicht versteuert als Hoeneß. Doch jeder normale Bürger bekommt für ein solches Vergehen eine Strafe vom Finanzamt - auch wenn er nur einige hundert Euro „vergessen“ hat.

Der Fall dürfte jedoch eine politische Dimension haben, die über das moralische Thema hinausgeht. Es ist gut denkbar, dass irgendjemand von staatlicher Seite die Informationen von Hofreiters Verfehlungen durchgestochen hat: Die Bild bezieht ihre Informationen gewöhnlich aus Regierungskreisen. Hofreiter ist der Großen Koalition ein Dorn im Auge, weil er seit Jahren gegen die Machenschaften bei der Autobahnmaut-Firma Toll Collect kämpft: Dieses Industrie-Konsortium verdient Milliarden aus der monopolartigen Zusammenarbeit mit dem Staat. Eine Rechenschaft gibt es dafür nicht: Hofreiter ist mit seinen Anfragen regelmäßig mit der Mitteilung, dass die wesentlichen Elemente der „Geheimhaltung“ unterliegen, abgebürstet worden. Die Bundesregierung beschreibt die Zusammenarbeit mit Toll Collect sehr undurchsichtig (mehr hier). Hofreiter konnte nicht in Erfahrung bringen, welche Abhängigkeiten sich für den Steuerzahler ergeben (mehr dazu hier).

Das Problem der Grünen besteht jedoch darin, dass sie sich im Fall Hoeneß als die obersten Moralisten der Nation empört hatten: Katrin Göring-Eckardt verteidigte Hofreiter: „Er hat seinen Fehler eingestanden, ihn bedauert und sofort korrigiert, als er davon erfuhr. Für mich ist das der richtige und anständige Umgang mit diesem Fehler, und für mich hat es sich damit dann auch“. Sie sagte der Bild am Sonntag, Hofreiter sei „die Meldung seines Berliner Zweitwohnsitzes einfach durchgerutscht, und deshalb hat er die Zweitwohnungssteuer nicht gezahlt. Toni ärgert sich darüber am meisten.“

Göring-Eckardt hatte der Rheinische Post noch vor einigen Wochen im Fall Hoeneß zu Protokoll gegeben: „Steuerbetrug - vor allem in solchen Dimensionen - ist nicht nur unmoralisch und höchst unsozial, sondern auch schlicht und einfach kriminell.“

Was den Fall Hofreiter allerdings problematisch macht: Hofreiter lebt von Steuergeldern und bekommt als Politiker jede Menge Vergünstigungen. Der Berliner SPD-Staatssekretär André Schmitz musste wegen eines Steuervergehens zurücktreten (sein Chef Klaus Wowereit ließ ihn eiskalt fallen, um die eigene Haut zu retten - mehr hier).

Der Fall Hofreiter kommt in einem sensiblen Augenblick: Erst am Freitag hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble angekündigt, die von der Finanzministern der Ländern beschlossene Verschärfung der Regeln für Bürger, die ihre Steuern nicht zahlen oder hinterziehen, beschleunigt umzusetzen (mehr hier). Kein Bürger kann sich vor der Verfolgung mit der Ausrede, die Meldung der steuerpflichtigen Umstände sei ihm „einfach durchgerutscht“.

Es ist dagegen zu erwarten, dass Hofreiter von seinen Kollegen „kumpelhaft der Arm um die Schultern“ gelegt wird und der Durchrutscher als Bagatelle zu den Akten wandert. Allerdings muss sich die Staatsanwaltschaft mit dem Fall beschäftigen. Die Große Koalition könnte jedoch versuchen, die Schwäche von Hofreiter zu nutzen, um ihn in Sachen Toll Collect zum Schweigen zu bringen.

Diese Doppelmoral der Politiker ist abstoßend.


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