In Schottland ist am Donnerstagabend die Abstimmung über die Unabhängigkeit von Großbritannien zu Ende gegangen.
Bereits das erste Ergebnis brachte eine Überraschung: Der Bezirk Clackmannanshire galt als eine Hochburg der Unabhängigkeits-Befürworter. Doch das Ergebnis lautete: 53,8 Prozent für den Verblieb, 46,2 Prozent für die Unabhängigkeit.
Das Ergebnis bestätigt die erste Prognose von YouGov: Demnach haben 54 Prozent der Schotten für den Verbleib bei Großbritannien gestimmt, 46 Prozent sollen für die die Unabhängigkeit von London gestimmt haben. Sollte sich das Ergebnis bewahrheiten, wäre dies eine große Enttäuschung für die Befürworter der Unabhängigkeit. Die Prognose beruht auf einer Umfrage von YouGov unmittelbar nach der Abstimmung.
Eine Mitarbeiterin von YouGov sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Es sieht so aus, als ob die Union uns zunächst erhalten bleibt."
Der Guardian berichtet davon, dass Premier Alex Salmond seine Pläne geändert habe und am Abend nicht mehr in einem Wahllokal in der Nähe seines Wohnsitzes in Aberdeenshire erscheinen werde - obwohl dies eigentlich geplant gewesen sei. Die Zeitung hält es für möglich, dass dies ein Indiz sei, dass Salmond mit einer Niederlage rechne. Der Guardian meldet, dass die Unabhängigkeitsbewegung sogar in Abderdeenshire verloren haben dürfte.
YouGov-Präsident Peter Kellner sagte in der BBC, dass er aufgrund dieser Umfrage eine 99prozentige Wahrscheinlichkeit sehe, dass die Befürworter des Verbliebs im Vereinigten Königreich die Oberhand behalten würden. YouGov hatte 1.828 Schotten unmittelbar nach ihrer Stimmabgabe und 800 Briefwähler befragt.
Das britische Pfund erlebte nach Bekanntgabe der Prognose einen kurzen Höhenflug, fiel aber danach wieder. Die britische Währung war bereits in den vergangenen Wochen beständig gestiegen, als sich eine knappe Mehrheit gegen das Referendum abzeichnete.
Die Electoral Reform Society berichtet von einer ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung. So soll es in einzelnen Bezirken wie in Dundee eine Beteiligung von über 90 Prozent gegeben haben. Orte mit 65 Prozent Beteiligungen fielen als schon fast bescheiden auf. In Dunfermline gingen 82 Prozent zu den Urnen. Die hohe Wahlbeteiligung könnte die Vorhersage von YouGov untermauern: Die Kampagne der Unions-Befürworter hatte massiv mit Angst-Argumenten gearbeitet. Kenny Farquharson von der Zeitung The Scotsman hat eine interessante Überlegung angestellt: Bei einer Wahlbeteiligung von 80 Prozent wäre das Ja-Lager zu favorisieren, steigt die Wahlbeteiligung auf 90 Prozent, hätten die Unionisten einen Vorteil.
The Scotsman berichtet, dass es in Glasgow zu Versuchen von Wahlbetrug gekommen sein soll. Demnach seien zehn Fälle aufgedeckt worden, in denen Wähler sich für Bürger ausgegeben hätten, die bereits abgestimmt hatten. Die Polizei schritt ein und entfernte einige Stimmzettel aus den Wahlurnen, um eine Untersuchung einzuleiten. Die Stimmzettel seien mit Handschuhen angefasst worden, um bei der Untersuchung die Fingerabdrücke feststellen zu können. Die Verantwortlichen wiesen darauf hin, dass es sich nur um zehn Fälle von insgesamt 483.000 Stimmzetteln gehandelt habe.
Auch die meisten Wirtschaftsforscher hatten gesagt, dass eine Abspaltung Schottlands von Großbritannien gravierende negative Folgen haben würde. Einzig der ehemalige IWF-Chefökonom und Globalisierungskritiker Joseph Stiglitz hatte in einem Beitrag für den schottischen Herald geschrieben, dass die Angstmacherei jeglicher Grundlage entbehre. So hatten zuletzt die britischen Banken vor einem Bank-Run gewarnt.
Mit Ergebnissen wird am frühen Freitagmorgen gerechnet. Letzte Umfragen haben auf einen sehr knappen Sieg der Gegner einer Unabhängigkeit hingedeutet bei einer hohen Wahlbeteiligung. Ein "Ja" für die Unabhängigkeit würde ein Ende des seit mehr als 300 Jahren bestehenden Bundes mit England bedeuten. Sollten die 5,3 Millionen Schotten ihren eigenen Weg gehen, könnte dies dem britischen Premierminister David Cameron das Amt kosten. Auch an den Finanzmärkten wird der Ausgang der Abstimmung mit Spannung erwartet.