Politik

Nach Franken-Aufwertung: Die Stunde der Wahrheit für den Euro

Lesezeit: 3 min
16.01.2015 02:33
Die Entscheidung der SNB, den Franken vom Euro abzukoppeln, verunsichert vor allem jene, die dem künstlichen Geld vertrauen: Sie müssen erkennen, dass Geld ein irrationaler Wert ist, selbst wenn dieser bis zur Unkenntlichkeit manipuliert wird. Für den Euro naht nun die Stunde der Wahrheit. „All in!“ ruft Mario Draghi. Der Zug rollt.
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Die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank, den Franken vom Euro abzukoppeln, ist – so widersprüchlich das klingen mag – zugleich der richtige Schritt und ein Akt der Verzweiflung.

SNB-Chef Thomas Jordan begründete den spektakulären Schritt mit dem Auseinanderdriften der internationalen „Währungspolitiken“: Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) will die Zinsen erhöhen und damit signalisieren, dass der Dollar wieder einen Wert hat. Die EZB dagegen will die Märkte massiv fluten, um den Euro abzuwerten. Die SNB ist in diesem vermutlich zwischen den USA und der EZB abgesprochenen Dilemma zerrieben worden: Die Aussicht, dass der Euro noch billiger wird, hätte die SNB gezwungen, noch mehr Euros zu kaufen, um den Mindestwechselkurs (Peg) zu halten. Das hätte das Risiko für die SNB ins Unermessliche steigen lassen. Sollte die Euro-Zone wirklich zerfallen, wären die Schweizer auf einem Berg von wertlosem Papier gesessen. Daher entschied man sich, wie die NZZ kommentierte, für das jähe „Ende mit Schrecken“.

Das tatsächliche Problem der SNB ist, dass alle Welt den Schweizer Franken in einer fast unausrottbaren Irrationalität, immer für eine Hartwährung halten wird. Die SNB musste im Dezember erstmals Negativ-Zinsen einführen, weil offenbar große Vermögen wegen der Russland-Krise in den Franken geflohen waren. Daher hat die SNB nun die Strafzinsen noch weiter erhöht. Dies soll, wie Thomas Jordan ausführte, nicht die kleinen Sparer treffen, sondern die kurzfristig in den „sicheren Hafen“ fliehenden Investoren.

Die Fluchtbewegung in den Franken zeigt: Es brodelt gewaltig unter der Oberfläche des internationalen Finanzsystems. Die vielen geopolitischen Risiken haben alte Reflexe ausgelöst: Die Anleger – russische Oligarchen, Pensionsfonds, große Familien-Vermögen – trauen dem Papiergeld nicht mehr, sondern sind auf der Suche nach realen Werten. Sie können ihr Geld nicht unter der Matratze verstecken. Jordan sagte auf der Pressekonferenz, dass Bargeld keine Alternative sei, weil es leicht „gestohlen“ werden oder „verloren“ gehen könne. Das Problem: Wenn alle Anlage-Formen – Rohstoffe, Währungen, Gold, Aktienkurse – so manipuliert werden, dass die Anleger praktisch bei jeder Anlage bestohlen werden oder ihr Geld verlieren, dann kommt es zu einer fast archaischen Irrationalität: Plötzlich werden Ackerland oder Bauernhöfe zu den begehrtesten Formen der Geld-Anlage. Davon gibt es jedoch nur eine begrenzte Anzahl.

In einer solchen Situation kippt die Stimmung schnell. Jeder ist sich selbst der nächste. Und so hat die SNB in dem Bestreben, die eigenen Verluste in Grenzen zu halten, ohne Rücksicht auf Verluste reagiert: Die Aufwertung des Franken wird viele treffen, die der Weisheit der Zentralbanker vertraut haben. Das könnte vor allem für Osteuropa zum Problem werden – der polnische Zloty und der ungarische Forint sackten denn auch umgehend ab, weil diese Länder viele Fremdwährungskredite halten. Die Auswirkungen auf diese ohnehin alles andere als stabilen Volkswirtschaften sind noch nicht abzuschätzen.

Eine Beschleunigung der Rezession in Osteuropa wäre für die EU äußerst unerfreulich. Denn sie schickt sich gerade an, über ihre heimliche Regierung ihre eigene Währung weiter zu schwächen. Die EZB will vor allem den italienischen Banken und den französischen Exporteuren helfen, sich mit einem weichgespülten Euro weiter der Illusion hinzugeben, dass der Wert des Geldes nicht Ausdruck der Wirtschaftskraft eines Landes, sondern Garantie des Manipulationswillens der Zentralbanken ist.

Doch die Zentralbanker sind keine Götter: Sie sind Alchemisten und obendrein launisch. Für die SNB hatte ihr Vizepräsident Jean-Pierre Danthine noch am Montag erklärt, der Mindestwechselkurs „bleibt der Eckpfeiler unserer Geldpolitik“. Drei Tage später war der Eckpfeiler umgefallen. Der Investor Marc Faber sagte erst diese Woche auf einer Konferenz, er würde mit seinem Geld gegen die Zentralbanken wetten, wenn das denn möglich wäre.

Die überraschende Aktion der SNB wird das blinde und im Grund mit nichts als Bequemlichkeit begründete Vertrauen der Anleger in die Berechenbarkeit der Zentralbanken weltweit erschüttern. Die Verunsicherung fand an diesem denkwürdigen Tag ihren sichtbarsten Ausdruck in der Reaktion von IWF-Chefin Christine Lagarde. Sie sagte, sie sei von der Entscheidung der SNB völlig überrascht gewesen und hoffe, die SNB hab sich wenigstens mit den anderen Zentralbanken abgesprochen.

Dazu wollte sich Jordan nicht äußern, und es tut auch nichts zur Sache: Die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank war von der offenbar großen Sorge getragen, dass eine „nicht nachhaltige“ Geldpolitik nur ein Ende mit Schrecken haben kann. Jordan sagt mehrfach unmissverständlich: Wäre man später aus dem Peg ausgestiegen, wäre der Schrecken noch viel größer gewesen.

Jordan ist ein bekennender Euro-Skeptiker, wie sich Inside Paradeplatz erinnert. Er hatte schon „Ende der 1990er Jahre … in einer wissenschaftlichen Arbeit den Euro als Fehlkonstrukt“ dargestellt.

Die Schweizer sind jetzt „draußen“ – nach einem dreieinhalbjährigen Experiment. Ob sie mit einem blauen Auge davongekommen sind oder nun erst recht zwischen die globalen Mühlen eines veritablen Währungskrieges geraten, kann heute nicht gesagt werden.

Deutschland, dessen Volkswirtschaft der der Schweiz nicht unähnlich ist, kann nicht aussteigen. Den Deutschen bleibt nur die Erinnerung an die Zeiten, in denen der Franken von der D-Mark in den Schatten gestellt wurde, was die Härte der Währung betrifft.

Heute ist Deutschland – wie die Niederlande, Österreich oder Finnland – ohne Möglichkeit der Einflussnahme von den Entscheidungen der EZB abhängig. Die EZB wird schon bald eine massive Flutung der Märkte mit künstlichem Geld vornehmen. Die Bundesregierung wird, in Ermangelung eines angemessenen Verständnisses für Geldpolitik, blind darauf vertrauen, dass Mario Draghi schon das Richtige tun wird. Die Bundesbank kann nicht, wie die SNB, die Notbremse ziehen. Der Zug fährt mit hoher Geschwindigkeit. Wohin – das weiß niemand. Der Kurs heißt Hoffnung, der Treibstoff ist die Maßlosigkeit. Die Stunde der Wahrheit für den Euro könnte schon bald gekommen sein.

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