Die Konfliktparteien im Ukraine-Konflikt haben bei ihrem Krisentreffen in Berlin nach Angaben von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier eine Annäherung erzielt. "Heute hat es endlich eine Verständigung darauf gegeben, dass die in den Minsker Vereinbarungen genannte und markierte Demarkationslinie die Linie ist, von der aus jetzt der Rückzug schwerer Waffen beginnen soll", sagte Steinmeier am späten Mittwochabend nach Gesprächen mit seinen Kollegen aus Russland, der Ukraine und Frankreich. Nun solle schnellstmöglich die Kontaktgruppe, zu der auch Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zählen, zusammenkommen, um das weitere Prozedere zu regeln. Dazu gehöre, wie die Menschen in der Ostukraine mit humanitärer Hilfe versorgt werden könnten.
Steinmeier zeigte sich nach dem Krisentreffen vorsichtig optimistisch. Noch vor gut einer Woche sei eine Einigung über die Demarkationslinie nicht möglich gewesen, sagte er. Nun seien wahrnehmbare Fortschritte erzielt worden. Von einem Durchbruch wollte er jedoch nicht sprechen. "Vieles hängt natürlich davon ab, ob das, was wir vereinbart haben, nicht nur gedrucktes Papier bleibt, sondern die Lage am Boden tatsächlich verändert", räumte der Minister ein. "Darüber werden wir schnell Aufschluss kriegen - nach dem Zusammenkommen der Kontaktgruppe werden wir beobachten, ob es tatsächlich zum Rückzug schwerer Waffen kommt".
Ursprünglich hatten sich die Konfliktparteien bereits im September im Abkommen von Minsk auf eine Demarkationslinie geeinigt. Durch die heftigen Kämpfe der vergangenen Monate hat sich die Front jedoch dermaßen verschoben, dass sie inzwischen stark von der eigentlich festgelegten Linie abweicht.
Steinmeier betonte, dass er nun darauf setze, dass die Demarkationslinie auch beachtet werde. Russland habe zugesagt, den nötigen Einfluss auf die Separatisten in der Ostukraine auszuüben. "Jetzt müssen wir hoffen, dass das geschieht und dass das Folgen hat", erklärte der Minister. "Sollte es tatsächlich zur Realisierung dessen kommen, was wir heute vereinbart haben, dann sind wir jedenfalls heute ein Stück näher an dem Gipfel von Astana, auf den viele - gerade auch in der Ukraine - warten".
Die Gespräche gestalteten sich allerdings offenbar auch beim vierten Krisentreffen in Berlin nicht einfach. "Das war heute erneut ein schwieriges Unterfangen, und ich darf Ihnen versichern, das geht an die Grenzen der Geduld bei allen Beteiligten", sagte Steinmeier. Eine gemeinsame Pressekonferenz aller vier Minister gab es in der Nacht nicht, der deutsche Minister trat allein vor die Journalisten.
Sein ukrainischer Kollege Pawlo Klimkin äußerte sich kurz zuvor vor Journalisten aus seinem Heimatland und Reuters TV. "Wir haben uns auf einige Aspekte geeinigt, beispielsweise auf ein Treffen der Kontaktgruppe in den kommenden Tagen", sagte er. Dabei solle es Ergebnisse geben. "Ich hoffe, dass alle Seiten dafür arbeiten", erklärte Klimkin.
In der Ukraine hatte sich die Lage zuletzt verschärft. Präsident Petro Poroschenko warf der Führung in Moskau vor, 9000 Soldaten auf dem Territorium seines Landes im Einsatz zu haben. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk kündigte die Aufstockung der Armee um 68.000 Soldaten auf eine Gesamtstärke von 250.000 an. Die Nato wollte sich nicht zu einer konkreten Zahl russischer Truppen in der Ukraine äußern. Die Allianz habe jedoch zuletzt eine zunehmende Zahl russischer Panzer, Artilleriegeschütze und anderen schweren Geräts im Osten des Landes festgestellt, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel.
Lawrow wies die Vorwürfe der Führung in Kiew erneut zurück. Es gebe keine Beweise, dass Soldaten seines Landes die Grenze überquert hätten, sagte er. Kiew solle Fakten vorlegen. Zugleich räumte er ein, dass die Rebellen mehr Territorium hielten, als ihnen im September im Minsker Abkommen zugesprochen worden sei. Die Rebellen hätten Russland jedoch zugesichert, dass sie sich hinter die Waffenstillstandslinie zurückziehen würden. Die Regierung in Kiew spricht von 500 Quadratkilometern, die die Separatisten seit der Vereinbarung zusätzlich unter ihre Kontrolle gebracht hätten.