Deutschland

Verfassungsgericht kippt Kopftuch-Verbot

Lesezeit: 2 min
13.03.2015 16:37
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am Freitag entschieden, dass ein generelles Kopftuch-Verbot für Lehrer unzulässig ist. Derzeit besteht ein Verbot in acht Bundesländern.
Verfassungsgericht kippt Kopftuch-Verbot

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Staat darf muslimischen Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern nicht grundsätzlich verbieten. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Für Verbote muss es demnach konkrete Gründe geben, etwa Gefahren für das friedliche Miteinander an bestimmten Schulen. Mehrere Bundesländer kündigten am Freitag an, ihre Gesetze wenn nötig nachzubessern.

Die Grundsatzentscheidung betrifft acht Bundesländer, in denen Verbotsgesetze gelten. Sie wollen damit die staatliche Neutralität in religiösen und weltanschaulichen Fragen auch im Unterricht sichern. Das Gericht korrigiert damit ein Urteil von 2003. Damals hatte es vorsorgliche Kopftuchverbote noch erlaubt.

Der Erste Senat gab zwei muslimischen Lehrerinnen recht, die gegen das Kopftuchverbot in Nordrhein-Westfalen vorgegangen waren. Zugleich kippte das Gericht eine Vorschrift im Landesschulgesetz, nach der christliche Werte und Traditionen bevorzugt werden sollen. Das benachteilige andere Religionen und sei daher nichtig.

Ein Kopftuchverbot an Schulen ist nach Ansicht der Verfassungsrichter nur dann gerechtfertigt, wenn durch das Tragen eine «hinreichend konkrete Gefahr» für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ausgeht. Eine bloße abstrakte Gefahr reiche nicht aus. Eine derartig konkrete Gefahr kann demnach vorliegen, wenn die Frage nach dem Kopftuch zu erheblichen Auseinandersetzungen in einer Schule führt.

Mehrere Länder, darunter Nordrhein-Westfalen und Bayern, prüfen nun, ob ihre Gesetze nachgebessert werden müssen. Aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollten die Länder sogar prüfen, ob Kopftuchverbote im öffentlichen Dienst generell noch sinnvoll sind. Die Leiterin Christine Lüders warnte, dies färbe auf die Wirtschaft ab. Viele private Arbeitgeber meinten fälschlicherweise, Kopftücher verbieten zu können.

Der Vorsitzende der Lehrerorganisation VBE, Udo Beckmann, kritisierte das Urteil. Nun steige der Druck auf muslimische Mädchen, gegen ihren Willen ein Kopftuch zu tragen. Er warnte davor, die Verantwortung den Schulleitungen zu überlassen.

Der Zentralrat der Muslime (ZMD) lobte hingegen, Karlsruhe habe klargestellt, dass das Tuch an sich keine Gefährdung des Schulfriedens sei. Der muslimische Verband Ditib sprach von einem Meilenstein für die Gleichberechtigung von Muslimen. Die katholische Bischofskonferenz nannte das Urteil ein Signal für die Glaubensfreiheit.

Die Verfassungsrichter sehen in dem pauschalen Verbot einen schweren Eingriff in die Glaubensfreiheit der Klägerinnen. Beide hätten plausibel dargelegt, dass das Kopftuchverbot ihre persönliche Identität berühre und ihnen sogar den Zugang zu ihrem Beruf verstelle. Bei den Arbeitsgerichten waren die Frauen in sämtlichen Instanzen gescheitert.

Durch das Kopftuch der Pädagoginnen würde auf der anderen Seite die Religionsfreiheit von Schülern und Eltern nicht von vornherein verletzt, hieß es weiter. Das kann der Entscheidung zufolge erst dann eintreten, wenn die Lehrerinnen für den Islam werben. Auch der staatliche Erziehungsauftrag und die Verpflichtung zu weltanschaulich-religiöser Neutralität stehe dem Tragen eines Kopftuchs nicht generell entgegen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch verhandelt über Stellenabbau: Fokus auf Alternativen und Standortsicherung
18.04.2024

Bosch will massiv Stellen streichen, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dagegen gingen zuletzt Tausende...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldvermögen privater Haushalte hat einen neuen Höchststand erreicht
18.04.2024

Die gestiegenen Kurse an den Aktienmärkten und die erhöhten Sparzinsen haben zusammen dazu geführt, dass das Geldvermögen der deutschen...