Politik

Merkel päpstlicher als Obama: Kritik an Russland wegen Iran-Raketen

Lesezeit: 3 min
15.04.2015 17:11
Angela Merkel hat die Aufhebung des russischen Waffenembargos gegen den Iran kritisiert. Die USA hatten sich deutlich gemäßigter geäußert. Russland erinnert Merkel an die Entstehung der Sanktionen. Präsident Putin versucht, die Bedenken Israels zu zerstreuen.
Merkel päpstlicher als Obama: Kritik an Russland wegen Iran-Raketen

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Entscheidung Russlands zur Lieferung des Flugabwehrsystems S-300 an den Iran kritisiert. «Ich plädiere dafür, dass man Sanktionen möglichst geschlossen aufhebt», sagte Merkel am Dienstag nach ihrem Gespräch mit dem indischen Premierminister Narendra Modi in Berlin. Im Atomstreit mit dem Iran gelte es zunächst, auf Grundlage des Rahmenabkommens von Lausanne weiterzuarbeiten. Russland bekräftigte unterdessen, noch in diesem Jahr solle das Flugabwehrsystem an den Iran geliefert werden.

Russland reagierte kühl auf die Attacke von Merkel und erinnerte die Kanzlerin, dass die Sanktionen gegen den Iran seinerzeit von den USA und der EU ohne Zustimmung Moskaus verhängt wurden. Eine anonyme Quelle sagte der Agentur TASS, dass Russland auf dem Standpunkt stehe, dass internationale Strafmaßnahmen nur mit einem UN-Mandat erfolgen dürften, welches im Fall des Iran nicht vorgelegen habe. Daher sei es ein Widerspruch, den Russen nun vorschreiben zu wollen, wann sie sich von der freiwilligen Maßnahme verabschieden wolle. Russland habe das Recht, seine souveränen Entscheidungen frei zu treffen.

Das US-Außenministerium hatte deutlich zurückhaltender auf die Entscheidung von Russlands Präsident Wladimir Putin reagiert als Merkel. Die Sprecherin des Außenministeriums, Marie Harf, sagte in Washington, dass man angesichts der verschärften Sicherheitslage im Nahen Osten über diese Entscheidung nicht glücklich sei. Harf sagte: «Wir haben unsere Bedenken über den Verkauf der S-300-Systeme an den Iran bereits des Öfteren ausgedrückt. Das ist sicher nicht neu. Der Außenminister hat seine Bedenken in einem Telefonat mit dem russischen Außenminister Lawrow am Montagmorgen kundgetan. Wir glauben nicht, dass es konstruktiv ist, dass Russland ausgerechnet jetzt diesen Schritt setzt. Aber wir haben sehr eng mit Russland bei den Atomverhandlungen mit dem Iran zusammengearbeitet. Wir glauben nicht, dass diese Entscheidung einen Einfluss auf die Stimmung unserer Verhandlungsgruppe haben wird. Das Thema wurde diskutiert, genauso wie die Verhandlungen mit dem Iran insgesamt diskutiert wurden.»

Auf die Frage, ob die Entscheidung der Russen aus Sicht der Amerikaner einen Verstoß gegen die Resolution des UN Sicherheitsrats und die darin begründeten Sanktionen gegen den Iran darstellen, sagte Harf: «Im Hinblick auf die Bestimmungen der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates ist es unser Verständnis, dass kein Verstoß vorliegt.»

Russlands Präsident Wladimir Putin telefonierte am Dienstag mit dem israelischen Premier Netanjahu und versuchte ihm zu erklären, dass die Lieferung an den Iran eine reine Defensivmaßnahme sei, wie es in einem Statement des Kreml heißt. Doch Netanjahu ließ sich nicht überzeugen: Das israelische Außenministerium veröffentlichte nach dem Telefonat eine Mitteilung, derzufolge Israel der Auffassung sei, dass die Raketenabwehrsystem den Iran zu aggressivem Verhalten ermutigen werde.

Russland geht davon aus, dass sich die Lieferung noch eine Weile Hinziehen werde. «Es braucht eine gewisse Zeit. Es hängt von unseren Produzenten ab. Ich denke, dass es mindestens ein halbes Jahr dauert, um die Arbeiten zu beenden», sagte der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew. Patruschews iranischer Kollege Ali Schamchani sagte der Agentur Interfax zufolge in Moskau, dass sein Land noch in diesem Jahr mit der Lieferung der Systeme rechne.

Das US-Außenministerium äußerte sich besorgt. Die Lieferung verstoße zwar nicht gegen UN-Sanktionen, sagte Marie Harf, die Sprecherin des US-Außenministeriums. Der Iran trage aber zur Destabilisierung im Jemen, in Syrien und im Libanon bei. Es sei deswegen «nicht der richtige Zeitpunkt», um dem Iran das Waffensystem zu liefern.

Der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon äußerte sich ebenfalls besorgt. Eine Lieferung des Waffensystems wäre eine «direkte Folge der Einigung in Lausanne», hieß es in einer Mitteilung. Der Iran und die UN-Vetomächte sowie Deutschland hatten sich kürzlich in Lausanne in einem Rahmenabkommen auf Begrenzungen sowie Überwachungsmechanismen zur Kontrolle des iranischen Atomprogramms geeinigt. Israel ist ein entschiedener Gegner des Abkommens und befürwortet weitere Sanktionen gegen den Iran.

Auch eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini äußerte Besorgnis wegen der Waffenlieferungen, erwartete aber keine Beeinträchtigung der laufenden Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm.

Russland wies Bedenken des Westens zurück. Bei den S-300-Anlagen handele es sich um reine Abwehrsysteme und keine Angriffswaffen, sagte Patruschew. Der Iran nutze die Anlagen für seine nationale Sicherheit und nicht, um anderen Ländern zu schaden, betonte der frühere Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB.

Das Verteidigungsministerium in Teheran trat westlicher Kritik entgegen. Das Waffensystem werde bilaterale Bemühungen zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verstärken, sagte Verteidigungsminister Hussein Dehghan Medienberichten zufolge.

Russland und der Iran wollen ihre Beziehungen ausbauen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, die russische Seite werde künftig im Tausch für iranisches Öl Waren liefern.

Präsident Wladimir Putin hatte am Vortag einen 2010 verhängten Lieferstopp der S-300 aufgehoben - mit Blick auf Fortschritte in den jüngsten Atomverhandlungen. Der Iran hatte 2007 in Russland die Luftabwehrraketen im Gesamtwert von 800 Millionen US-Dollar (heute etwa 750 Millionen Euro) bestellt.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch verhandelt über Stellenabbau: Fokus auf Alternativen und Standortsicherung
18.04.2024

Bosch will massiv Stellen streichen, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dagegen gingen zuletzt Tausende...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldvermögen privater Haushalte hat einen neuen Höchststand erreicht
18.04.2024

Die gestiegenen Kurse an den Aktienmärkten und die erhöhten Sparzinsen haben zusammen dazu geführt, dass das Geldvermögen der deutschen...