Politik

Weniger Kredite: Deutsche wollen Draghis geschenktes Geld nicht haben

Lesezeit: 5 min
20.04.2015 02:53
Die Deutschen lassen sich von den niedrigen Zinsen nicht blenden und nehmen weniger Kredite auf. Die Anleger scheuen weiterhin Risiken bei der Geldanlage und halten sich daher auch von den Börsen fern.
Weniger Kredite: Deutsche wollen Draghis geschenktes Geld nicht haben

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Die Bundesbank zeigt sich überrascht, dass die Verbraucher das niedrige Zinsniveau deutlich weniger für Kredite nutzten als im Vorquartal: Insgesamt wurden netto Kredite im Wert von gut 4 Milliarden Euro aufgenommen - nach gut 9,5 Milliarden Euro von Juli bis September. Dies betraf insbesondere Wohnungsbau-Darlehen.

Die gesamten Verbindlichkeiten der privaten Haushalte stiegen um 0,2 Prozent auf 1,584 Billionen Euro. Das Netto-Geldvermögen erhöhte sich damit vergleichsweise kräftig um 66 Milliarden Euro auf 3,488 Billionen Euro.

Ungeachtet der mickrigen Zinsen häufen die Menschen in Deutschland immer größere Geldvermögen an. Allein im Schlussquartal 2014 vermehrten die privaten Haushalte ihr Vermögen in Form von Bargeld, Wertpapieren, Bankeinlagen oder Ansprüchen gegenüber Versicherungen gegenüber dem Vorquartal um 69 Milliarden Euro auf den Rekordwert von 5,072 Billionen Euro.

Damit nahm das private Geldvermögen im Gesamtjahr 2014 um 209 Milliarden Euro oder 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Und das, obwohl die Menschen ihr Geld trotz der niedriger Zinsen vor allem in kurzfristige und vermeintlich sichere Bankeinlagen steckten.

Immobilien oder Kunstwerke sind in der Statistik nicht enthalten. Auch wie das Vermögen verteilt ist, geht aus der Studie nicht hervor.

Allein durch Transaktionen stieg das Geldvermögen im Schlussquartal 2014 um 40,5 Milliarden Euro. Dank des robusten Arbeitsmarkts und steigender Einkommen legten viele Menschen mehr auf die hohe Kante.

Zudem bescherte vor allem der Boom an den Börsen privaten Haushalten im Vergleich zum Vorquartal Bewertungsgewinne von 28,5 Milliarden Euro. Davon profitierte jedoch nur eine Minderheit der Privatanleger: Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts hatten 2014 nur noch 8,4 Millionen Menschen in Deutschland - oder rund 13 Prozent der Bevölkerung - Geld in Aktien oder Aktienfonds angelegt.

Mit rund 34,5 Milliarden Euro entfiel der Löwenanteil der transaktionsbedingten Zuflüsse auf Bankeinlagen - und zwar fast ausschließlich auf besonders schnell abrufbare Einlagen wie Tagesgeld einschließlich Bargeld, wie die Bundesbank berichtete.

Um weitere 19 Milliarden Euro stockten die Sparer ihre Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionseinrichtungen auf. «Vor dem Hintergrund der mehrfach gesunkenen Garantieverzinsung dieser Anlageform, die typischerweise als risikoarm gilt, deutet die fortgesetzte Präferenz für diese Anlageform, zusammen mit der Bedeutung der Bankeinlagen in der Geldvermögensbildung, auf eine weiterhin hohe Risikoaversion der privaten Haushalte hin», hieß es.

Hingegen kauften die Privatanleger trotz der anhaltenden Kursrally an den Börsen nur für knapp 4 Milliarden Euro Aktien und für 6,5 Milliarden Euro Investmentfonds. Gleichzeitig trennten sie sich von Schuldverschreibungen und staatlichen Wertpapieren, was die Bundesbank auf das gesunkene Renditeniveau zurückführt.

Im Wortlaut:

Im vierten Quartal 2014 hat das Geldvermögen der privaten Haushalte gegenüber dem Vorquartal um gut 69 Mrd € oder 1,4 % zugenommen und ist damit auf 5 072 Mrd € gestiegen. Neben der auf Transaktionen basierenden Geldvermögensbildung in Höhe von gut 40,5 Mrd € trugen Bewertungsgewinne im Umfang von rund 28,5 Mrd € zum Vermögenszuwachs bei. Hinsichtlich der Anlageformen war der bereits seit Längerem zu beobachtende Trend hin zu liquiden und risikoarmen Anlagen auch im Berichtsquartal erneut deutlich ausgeprägt. Die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte nahmen ebenfalls zu, jedoch schwächer als zuvor, sodass das Nettogeldvermögen im vierten Quartal 2014 um 66 Mrd € oder 1,9 % auf 3 488 Mrd € anstieg. Das Nettogeldvermögen der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften nahm im Berichtsquartal um 65 Mrd € oder 4 % spürbar ab, insbesondere aufgrund kräftiger Bewertungszuwächse bei den Verbindlichkeiten. Ende des Jahres 2014 belief es sich auf - 1 665 Mrd €.

Private Haushalte investieren weiter in liquide und risikoarme Anlagen: Sichteinlagen und Ansprüche gegenüber Versicherungen wachsen

Die transaktionsbedingte Geldvermögensbildung der privaten Haushalte belief sich im vierten Quartal 2014 per saldo auf gut 40,5 Mrd € und fiel damit etwas höher aus als im Vorquartal. Mit rund 34,5 Mrd € wurde der Großteil der Mittel in Bankeinlagen (einschließlich Bargeld) investiert, wobei der Betrag nahezu vollständig den besonders liquiden Sichteinlagen (einschließlich Bargeld) zufloss. Termin- und Spareinlagen (einschließlich Sparbriefe) wurden hingegen per saldo kaum dotiert. Die im Umfeld niedriger Zinsen bereits seit Längerem zu beobachtende Präferenz der privaten Haushalte für hochliquide Anlageformen war damit auch im Berichtsquartal deutlich ausgeprägt. Ebenfalls von Bedeutung für die Geldvermögensbildung der privaten Haushalte waren die Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionseinrichtungen, die netto um 19 Mrd € aufgestockt wurden. Vor dem Hintergrund der mehrfach gesunkenen Garantieverzinsung dieser Anlageform, die typischerweise als risikoarm gilt, deutet die fortgesetzte Präferenz für diese Anlageform, zusammen mit der Bedeutung der Bankeinlagen in der Geldvermögensbildung, auf eine weiterhin hohe Risikoaversion der privaten Haushalte hin.

Dafür spricht auch ihr weiterhin verhaltenes Engagement auf den Kapitalmärkten: Zwar investierten private Haushalte im Berichtsquartal per saldo mehr als zuvor in Wertpapiere, deren Bedeutung für die Geldvermögensbildung dieses Sektors blieb, verglichen mit den übrigen Anlageformen, aber gering. Gekauft wurden erneut vor allem Anteile an Investmentfonds, darunter Misch- und Rentenfonds. Insgesamt wurden netto 6,5 Mrd € in Investmentfonds angelegt, was dem Volumen des Vorquartals entspricht. Auch Aktien und sonstige Anteilsrechte wurden per saldo gekauft, darunter verstärkt Titel inländischer Emittenten. In einem Umfeld positiver Kursentwicklungen an den Aktienmärkten fielen die Mittelzuflüsse mit knapp 4 Mrd € deutlich höher aus als im Vorquartal. Schuldverschreibungen wurden hingegen erneut und damit seit nunmehr über drei Jahren in Folge netto verkauft, wobei der Rückgang mit 6 Mrd € abermals überdurchschnittlich hoch ausfiel. Mittelabflüsse gab es insbesondere bei Schuldverschreibungen inländischer Kapitalgesellschaften, aber auch bei Wertpapieren des Staates. Dies dürfte unter anderem mit dem weiter gesunkenen Renditeniveau dieser Anlageform zusammenhängen.

Zum transaktionsbasierten Anstieg des Geldvermögens von gut 40,5 Mrd € kamen Bewertungsgewinne im Umfang von rund 28,5 Mrd €, die vor allem bei Aktien entstanden. In der Summe wuchs das Geldvermögen der privaten Haushalte somit um 69 Mrd € oder 1,4 % auf 5 072 Mrd € zum Ende des Jahres 2014. Das Geldvermögen dieses Sektors hat damit im Jahr 2014 insgesamt um 209 Mrd € oder 4,3 % gegenüber dem Vorjahr zugenommen.

Die Außenfinanzierung der privaten Haushalte fiel im vierten Quartal 2014 schwächer aus als im Vorquartal. Insgesamt wurden Kredite (einschließlich sonstiger Verbindlichkeiten) per saldo im Umfang von gut 4 Mrd € aufgenommen, darunter insbesondere in Form von Wohnungsbaukrediten. Kreditgeber waren nahezu ausschließlich inländische Banken. Die gesamten Verbindlichkeiten der privaten Haushalte stiegen damit um 0,2 % auf 1 584 Mrd €. Zusammen mit dem Anstieg des Geldvermögens im Berichtszeitraum führte dies zu einer kräftigen Erhöhung des Nettogeldvermögens um 66 Mrd € oder 1,9 % auf 3 488 Mrd €. Die Verschuldungsquote, definiert als Anteil der gesamten Verbindlichkeiten am annualisierten nominalen Bruttoinlandsprodukt, fiel im Jahr 2014 insgesamt um 0,3 Prozentpunkte und betrug am Jahresende 54,6 %.

Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften: Spürbarer Anstieg des Geldvermögens durch Bewertungsgewinne bei moderater Entwicklung der Verbindlichkeiten

Die transaktionsbedingte Geldvermögensbildung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften fiel im vierten Quartal 2014 mit Abflüssen von 28 Mrd € deutlich schwächer aus als zuvor. Abgebaut wurden im Wesentlichen Bankeinlagen (einschließlich Bargeld) im Umfang von netto 9 Mrd € sowie Anteile an Investmentfonds, die per saldo um 10,5 Mrd € reduziert wurden. Positive Beiträge kamen hingegen von der Kreditvergabe, die um knapp 10,5 Mrd € ausgeweitet wurde. Kreditnehmer waren in erster Linie andere nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften im Inland.

Das Volumen der Außenfinanzierung fiel im Berichtsquartal mit 22 Mrd € höher aus als im Vorquartal. Positive Beiträge kamen vor allem von der Finanzierung über Anteilsrechte (14 Mrd €), darunter Aktien. Kapitalgeber war in diesem Zusammenhang häufig das Ausland, während inländische Kapitalgesellschaften ihre Beteiligungen reduzierten. Darüber hinaus wurden Schuldverschreibungen im Umfang von netto knapp 4,5 Mrd € emittiert, wobei auch hier das Ausland einen Gutteil der Finanzierung bereitstellte. Kredite wurden dagegen mit per saldo gut 2,5 Mrd € eher in verhaltenem Umfang aufgenommen. Allerdings verdeckt das aggregierte Ergebnis in diesem Fall größere Unterschiede zwischen den kreditgewährenden Sektoren. So stieg die Kreditaufnahme bei inländischen Nichtbanken, insbesondere bei anderen nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, per saldo um 13 Mrd €, während Kredite der anderen Sektoren zurückgeführt wurden.

Zusammengenommen und unter Berücksichtigung von Bewertungsänderungen, die sowohl das Geldvermögen als auch die Verbindlichkeiten spürbar prägten, nahm das Nettogeldvermögen der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften somit um insgesamt 65 Mrd € oder 4 % ab und erreichte im vierten Quartal 2014 einen Wert von - 1 665 Mrd €. Insgesamt hat das Nettogeldvermögen damit im Jahresverlauf 2014 um rund 61 Mrd € abgenommen. Die Verschuldungsquote, definiert als Anteil der Summe von Schuldverschreibungen, Krediten und Pensionsrückstellungen am annualisierten nominalen Bruttoinlandsprodukt, lag Ende des Jahres bei 63,6 % und damit um einen Prozentpunkt niedriger als Ende 2013.


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