Der Ausverkauf an den europäischen Anleihemärkten geht weiter. Dadurch büßte der wichtige Bund-Future, der auf der zehnjährigen Bundesanleihe basiert, binnen zwei Tagen fast drei volle Punkte ein - so viel wie noch nie in seiner Geschichte. Börsianer wollten dennoch keine Panik verbreiten: "Die Kursbewegung ist zwar stark, für das Platzen einer Blase ist der Knall aber zu leise", sagte ein Rentenanalyst in Frankfurt.
Am Donnerstag fiel der Terminkontrakt um bis zu 124 Ticks auf ein Zwei-Monats-Tief von 156,49 Punkten. Die Rendite der Bundesanleihe mit zehnjähriger Laufzeit stieg auf 0,38 von 0,28 Prozent. "Der Blitz-Crash fördert die strukturelle Schwäche des Bondmarktes zutage", schrieb Commerzbank-Analyst Markus Koch in einem Kommentar. Die Käufe der Europäischen Zentralbank (EZB) im Volumen von monatlich 60 Milliarden Euro trockneten den Markt aus, weil immer weniger Papiere verfügbar seien. Durch diese Verknappung sei der Markt anfällig für Kursausschläge.
Kochs Kollegen von der Royal Bank of Scotland (RBS) machten zusätzlich Gewinnmitnahmen, milliardenschwere Anleihe-Emissionen europäischer Staaten und die Hoffnung auf eine Einigung im griechischen Schuldenstreit für die Verkäufe verantwortlich. Eine mögliche Entspannung der Krise macht die als sicher geltenden, aber renditeschwachen Bundespapiere für viele Anleger unattraktiver.
Der Euro kletterte um mehr als einen US-Cent auf ein Zwei-Monats-Hoch von 1,1248 Dollar. Er profitierte Börsianern zufolge von Spekulationen auf eine Verschiebung der bislang für Sommer erwarteten US-Zinserhöhung. Dieses Szenario hatte ihm - ausgelöst durch das schwache Wirtschaftswachstum im ersten Quartal - am Vortag bereits zu einem Kursplus von rund eineinhalb US-Cent verholfen und den Dax im Gegenzug um mehr als drei Prozent abstürzen lassen. Auch die Aktienbörsen in Asien gingen auf Tauchstation.
Am Donnerstag sorgten dann starke US-Arbeitsmarktdaten bei einigen Anlegern für ein Umdenken. Dies drückte den Euro bis zum Abend auf 1,1182 Dollar. Im Gegenzug stabilisierte sich der Dax und verabschiedete sich mit einem Plus von 0,2 Prozent bei 11.454,38 Punkten in den Feierabend. Im Vergleich zur Vorwoche büßte er allerdings drei Prozent ein. Der EuroStoxx50 schloss am Donnerstagabend unverändert bei 3615,59 Zählern. Eine Abwertung des Euro macht die Produkte europäischer Firmen auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger.
Mit der Wall Street ging es dagegen erneut bergab. Hier drückten Kursverluste von Apple und Celgene auf die Stimmung. Die Papiere des Elektronik-Konzerns verloren 1,9 Prozent, weil sich die Auslieferung der neuen Apple Watch wegen eines defekten Zuliefer-Teils verzögert. Celgene hatte ein Quartalsergebnis unter Markterwartungen bekanntgegeben und die Dollar-Stärke der vergangenen Monate hierfür verantwortlich gemacht. Die Papiere der Biotechfirma fielen um 3,8 Prozent.
Aus einer wahren Flut von Quartalsergebnissen in Deutschland kamen die Zahlen von Fresenius und der Deutschen Börse bei den Anlegern gut an. Papiere des Gesundheitskonzerns schlossen 4,1 Prozent fester, Anteilsscheine des Betreibers der Frankfurter Börse zogen um 2,8 Prozent an.
Nokia fielen dagegen in Helsinki um bis zu 13,3 Prozent auf ein Acht-Monats-Tief von 5,87 Euro. Das ist der größte Kurssturz seit zweieinhalb Jahren. Der Betriebsgewinn des finnischen Mobilfunkausrüsters war unter anderem wegen hoher Entwicklungskosten und des Preiskampfs mit der chinesischen Konkurrenz überraschend stark eingebrochen.