Politik

Japan: Massenproteste gegen Militär-Stützpunkt der USA

Lesezeit: 2 min
20.05.2015 01:24
Der Streit um die Verlegung einer US-Militär-Basis auf den Ryukyu-Inseln (Okinawa) belastet die Beziehungen zwischen den USA und Japan. Während Tokio auf US-Kurs einlenkt, wehrt sich die Lokalbevölkerung auf Japans südlichster Inselgruppe mit massiven Protesten gegen die Militärpräsenz der USA. Die Amerikaner verfolgen im Pazifik vor allem geostrategische Interessen.
Japan: Massenproteste gegen Militär-Stützpunkt der USA

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
USA  
China  
Asien  
Militär  

Die Bevölkerung von Okinawa protestiert gegen die geplante Militär-Präsenz der Amerikaner. Es geht vordergründig um die Verlegung der größten US-Militärbasis in Japan, Futenma, von Naha, der Hauptstadt der Präfektur Okinawa. Sie soll nach Henoko, einem Küstenort der Inselgruppe mit schützenswerter Meeresflora umziehen. Bei seinem Besuch in Washington Ende April hat der japanische Premier Shinzo Abe dem US-Präsidenten Barack Obama ausdrücklich versprochen, dass der Umzug der Base in Angriff genommen wird, so die Lokalzeitung Ryukyu Shimpo. Abe ignoriert damit, laut der Lokalzeitung Ryukyu Shimpo, die Beschlüsse der Lokalpolitiker. Diese hatten den Meeresbohrungen für den Neubau der Militärbasis in Henoko eine klare Absage erteilt, so die Zeitung.

Vor Ort werden die Proteste gegen die Direktive aus dem fernen Tokio immer stärker. Bis zu 10.000 Menschen gingen bei dem größten Protest bisher auf die Straße. Im März schlossen sich den Demonstranten auch die regierenden Parteien des Präfekturparlaments an, so Ryukyu Shimpo. Im sonst so um Konsens bemühten Japan kann Abe solch deutliche Signale nicht ignorieren - zumal die Demonstranten den Nerv der öffentlichen Meinung treffen. Laut einer Umfrage von Ryukyu Shimpo im August vergangenen Jahres sind 80,2 Prozent der Lokalbevölkerung gegen den Umzug der Militärbasis. Und selbst auf nationaler Ebene durchgeführte Umfragen unterschiedlicher Zeitungen legen laut der Regionalzeitung offen, dass mehr Japaner für den Stopp der Verlegung sind als es Befürworter gibt.

Die Auflehnung der Lokalbevölkerung hat auch eine historische Dimension: Seit dem Zweiten Weltkrieg sehen sich die Anwohner der Inseln als Opfer im doppelten Sinn. In der blutigsten Schlacht auf japanischem Boden starben bei den Kämpfen gegen die US-Soldaten rund 100.000 Bewohner. Die siegreichen Amerikaner enteigneten nach 1945 dann das Land und bauten große Militärbasen. Bis 1972 stand die Inselkette unter US-amerikanischer Militärverwaltung. Als das Ryukyu-Archipel dann an Japan zurückgegeben wurden, wurden US-Basen von den Hauptinseln im Norden nach Okinawa verlegt. Fast zwei Drittel der US-Militärstützpunkte in Japan befinden sich mittlerweile auf der Inselkette. Rund ein Fünftel der Gesamtfläche Okinawas sind vom US-Militär besetzt. Zwischen dem US-Militär und der Bevölkerung gab es nie eine friedliche Koexistenz. Morde, Vergewaltigungen und andere Straftaten der US-Soldaten, aber auch die Lärm- und Umweltbelastungen der Basen, trugen dazu bei, dass die Einheimischen sich noch heute als Opfer sehen.

Abes Vorgehen ist Ausdruck einer neuen militärischen Rolle, die Japan an der Seite der USA anstrebt. Die Auseinandersetzungen haben daher eine geopolitische Dimension: Für die Amerikaner ist Japan nicht nur der engste politische Verbündete in Asien, sondern seit dem japanisch-amerikanischen Sicherheitsvertrag von 1960 auch Partner in militärischen Belangen. Die USA nutzen Basen in Japan für ihre Militärpräsenz im Pazifik. Japan, das laut Verfassung nur Selbstverteidigungskräfte unterhalten darf, steht im Gegenzug unter dem militärischen Schutz der US-Amerikaner. Premier Abe strebt nun eine Neuinterpretation des Friedensartikels in der japanischen Verfassung an und will seine Truppen künftig auch in Kriegssituationen schicken. Abes Säbelrasseln ist ein deutliches Signal an Korea, aber vor allem an China. Mit beiden steht Japan im Streit um Inseln im Pazifik. Okinawa ist ein wichtiger Vorposten des japanischen Seehoheitsgebietes. Für die USA auf der anderen Seite ist es essentiell, im Pazifik vor den Toren Chinas präsent zu sein - militärisch wie auch ökonomisch. Nicht umsonst treiben die USA das Freihandelsabkommen Trans-Pacific Partnership (TPP) voran und beäugen den trilateralen Vorstoß der Japaner, mit China und Südkorea Handelsabkommen anzubahnen, eher nervös.

Der Aufschrei der Bürger in Okinawa verhallt unterdessen nicht mehr ungehört: Gegen den Henoko-Umzug hat sich ein breiter auch internationaler Widerstand formiert. In einem offenen Brief, den zahlreiche Persönlichkeiten, darunter auch der US-amerikanische Sprachwissenschaftler Noam Chomsky und Pulitzer-Preisträger John W. Dower, unterzeichnet haben, heißt es: „Wir unterstützen die Menschen von Okinawa in ihrem Kampf für Frieden, Würde, Menschenrechte und den Schutz der Umwelt“. Sie fordern, dass die Militär-Basis Futenma nicht nach Henoko verlegt, sondern vollkommen aus Japan abgezogen wird. Es bleibt abzuwarten, wie die Karten im Pazifik neu gemischt werden und welchen Puzzleteil die Auseinandersetzungen in Okinawa dabei darstellen.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenabbau wegen KI: Jetzt trifft es auch die Hochqualifizierten
16.04.2024

Der zunehmende Einsatz von KI verändert viele Branchen grundlegend und wird in Zukunft eine Reihe von Berufen überflüssig machen. Davon...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenrückgang: DAX im Korrekturmodus - Was Anleger wissen müssen
16.04.2024

Der DAX hat die Woche mit einer Erholung gestartet, doch diese wurde schnell zunichte gemacht. Die Unsicherheit an den Börsen erreicht ein...

DWN
Politik
Politik Vom Kriegsrisiko bis zur politischen Krise: Chameneis Erbe und Irans Zukunft
16.04.2024

Die politische Landschaft des Irans ist geprägt von Unsicherheit und potenziellen Umwälzungen. Während sich die Diskussionen über die...

DWN
Politik
Politik Eskalation im Nahen Osten: Israel plant wohl Antwort auf iranischen Drohnenangriff
16.04.2024

Die Spannungen im Nahen Osten spitzen sich zu, nachdem der Iran Israel mit Raketen attackiert hat. Welche Optionen hat Israel? Wie reagiert...

DWN
Politik
Politik Scholz in China: Deutliche Worte bei Xi zum Ukraine-Krieg und Klimaschutz
16.04.2024

Auf der letzten Etappe seiner China-Reise traf Bundeskanzler Scholz seinen Amtskollegen Präsident Xi Jinping. Bei ihrem Treffen in Peking...

DWN
Politik
Politik Engpass bei Stromversorgung: Oranienburg zeigt Deutschland die Grenzen auf
16.04.2024

Noch ist es ein Einzelfall: Die Kleinstadt Oranienburg, nördlich von Berlin, kommt dem Bedarf ihrer Kunden nicht mehr umfänglich nach....

DWN
Politik
Politik Ampel-Regierung bringt Reform des Klimaschutzgesetzes und Solarpaket auf den Weg
15.04.2024

Mehr Solarkraft und neue Leitlinien beim Klimaschutz: SPD, Grüne und FDP haben sich auf eine Reform des umstrittenen Klimaschutzgesetzes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Marktflaute bei E-Autos: Tesla plant massiven Stellenabbau
15.04.2024

Nach Jahren des schnellen Wachstums hat sich Markt für Elektroautos deutlich abgekühlt. Nun will Tesla-Chef Elon Musk im großen Stil...